Warum Eminem Kult bleibt!

Antonia Baum porträtiert den Rapper als Inspirator ihres eigenen Schreibens und eröffnet einen universellen Blick auf seine Kunst

Von Stefanie SteibleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Steible

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das kleine Buch aus der Serie der KiWi Musikbibliothek – eine exquisite Reihe radikal subjektiver Liebeserklärungen an die Musik – reiht den Rapper Eminem, mit bürgerlichem Namen Marshall Mathers, unter den ganz großen Musikern unserer Zeit ein. Antonia Baum ist mit ihm groß geworden und liebt seinen Rap bis heute. Sie bringt uns Eminem als Person näher, analysiert aber vor allem die Art, wie er seine Texte schreibt und seine Musik macht. Sie erklärt uns auch, wie sie sich durch seine Lieder selbst befreien und Autorin werden konnte. 

So beschreibt das Buch nicht nur eine persönliche Beziehung zwischen einer deutschen Autorin und einem US-Rapper, sondern erklärt den Einfluss, den Eminem auf eine ganze Generation ausübte. Die Autorin distanziert sich aber insofern von ihm, als dass sie ihm vorwirft, dass er, nachdem er seine Geschichte – zugegebenermaßen musikalisch perfekt – auserzählt hatte, einfach keine neue fand. Die vielen Texte, mit denen er es versucht hat, straft Antonia Baum gnadenlos ab, erklärt aber eben auch, warum. 

In ihrer Jugend nutzte sie seine Musik, um sich vom „Bitch-Status“ ihrer weiblichen Umgebung zu distanzieren, fühlte eine besondere Energie darin. Selbst, als sie sich mit seinen hochproblematischen, gewaltreichen und mit Beleidigungen des weiblichen Geschlechts gespickten Texten auseinanderzusetzen begann, erkannte sie Dinge darin, die niemand bis dahin so zustande gebracht hatte: Eminem erzählt in seinen Songs seine Lebensgeschichte mit einer ganz besonderen Dramatik: Er wuchs in einem Trailer in dem Teil von Detroit auf, in den er als Weißer eigentlich nicht gehörte. Schließlich schaffte er es bis ganz nach oben, und das in einem Genre, in dem er sich die Akzeptanz als weißer Musiker erst hart erkämpfen musste. Doch genau hier, als er den Olymp erreichte – vielleicht mit seinem Film 8 Mile aus dem Jahr 2002 und dem damit verbundenen Oscar für den besten Filmsong „Lose Yourself“ – begann bereits sein Abstieg, weil er stehenblieb, statt sich weiterzuentwickeln, wie die Autorin resümiert. 

Die Lehre daraus: Voranzugehen und an sich zu arbeiten ist die Basis eines jeden Erfolgs, egal in welchem Bereich und Alter. Eminems spezieller Rhythmus bleibt für die Autorin trotz seiner inzwischen zahlreichen Misserfolge erhalten und inspiriert sie bis heute. Denn er habe als Künstler „ein beinahe universelles Identifikationsangebot gemacht, das für viele Menschen passend war“. So nutzte auch Jürgen Klinsmann Eminems Musik als „moralische Implikation (wenn du es nicht schaffst, bist du selber schuld)“.  

Antonia Baum greift interessante Themen auf, wie die Kunst des Alterns als Autorin und dessen scheinbare Unmöglichkeit als Rapper, die Beschmutzung des Selbstbildes vom weißen Amerika durch Eminem als Umkehr des Rassenkonfliktes, offenkundig im Titel „White America“, oder die Misogynie in Eminems Texten und deren Herkunft. Aber vor allem beschreibt Baum eindringlich, wie er ihr den passenden Sound und nötigen Mut zu schreiben gab, „…genauso unverschämt und frei, wie er es an meiner Stelle getan hätte.“

Insofern ist das Buch auch ohne Eminem zu mögen lesenswert, weil es viele neue Perspektiven eröffnet, die in der medialen Betrachtung von Musik und Person bisher nicht im Vordergrund standen. Viele Menschen dürften zudem auf der Suche nach Stabilität und Inspiration im Leben eine ähnliche Geschichte erlebt haben wie die Autorin und ihr Künstler und sich insofern darin wiederfinden.

Titelbild

Antonia Baum: Antonia Baum über Eminem.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
128 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783462054392

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