Kein Fantasy-Roman für Anfänger

Brian Lee Durfees lange Reise über die fünf Inseln

Von Carina KuhlRSS-Newsfeed neuer Artikel von Carina Kuhl

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Mond des Vergessens: Die fünf Kriegerengel von Brian Lee Durfee ist ein typischer High-Fantasy-Roman in einem Mittelalter-Setting aus dem Imprint-Verlag Hobbit Presse (Klett-Cotta). Inhaltlich verfolgen wir eine Handvoll Charaktere auf ihrem Weg durch das Land der fünf Inseln. Den Kern des Buches bildet der drohende Krieg mit dem Engelsprinz Aeros Raijael, der bereits fleißig anfängt, in den Ländern der fünf Inseln zu räubern. Dabei ist er auf der Suche nach den verschollenen fünf Waffen Laijons und den fünf Engelssteinen. Er ist allerdings nicht der Einzige, denn auch die Bruderschaft von Mia hofft, mit den Engelssteinen eine Prophezeiung erfüllen zu können.

Bei der Lektüre des Buchs zeigt sich vor allem der Glaube als zentraler Aspekt, durch den es immer wieder zu Konflikten zwischen den Figuren kommt. Die einzelnen Kapitel enthalten analog hierzu am Anfang immer ein Zitat aus einer Glaubensschrift vorangestellt. Diese Ausschnitte sind an die Figuren und deren jeweiligen Glauben angepasst. Eine nette Idee des Autors, da man bei den vielen Details in dieser Fantasywelt gerade am Anfang des Buches doch recht schnell den Überblick verliert.

Aufmerksame Leser sehen so bereits im Voraus die Schwierigkeiten innerhalb der herrschenden Königsfamilie aufziehen: Der launische König Jovan und seine Schwester Jondralyn, die aus ihrer Prinzessinnenrolle herausbrechen will, geraten immer wieder aneinander. Geschürt wird dieser Konflikt durch ihre unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Jovan muss seinen Thron vor Lügen und Intrigen schützen und sich als richtiger Herrscher beweisen. Ihn lernt der Leser immer nur durch die Augen der anderen Figuren kennen und muss sich so aus den unterschiedlichen Meinungen sein eigenes Bild machen. Jondralyn dagegen möchte nicht mehr als Prinzessin gesehen werden. Der Leser kann verfolgen, wie sie ihre Kleider gegen Hosen tauscht und beginnt, das Kämpfen mit dem Schwert zu erlernen. Dabei stößt sie immer wieder auf Herausforderungen, denn in dieser Welt ist es nicht üblich, eine Frau in Ritterrüstung zu sehen.

Neben Jondralyn gibt es sechs weitere Erzählperspektiven, die Handlung wird also insgesamt aus sieben verschiedenen Perspektiven beschrieben. Allerdings wird dies nicht konsequent durchgehalten und bei mancher Perspektive kann man sich fragen, ob diese wirklich nötig ist. Besonders eindrucksvoll ist zumindest der siebenzehnjährige Junge Nail, ein Waisenjunge, der mit seinem Meister in einem kleinen Dorf lebt und versucht, seinen Platz in der Welt zu finden. Dem Leser wird mit der Zeit klar, dass Nail eine größere Rolle in dem Roman haben wird, in die ihn der Autor langsam hineinwachsen lässt. Trotz des opulenten Textumfangs von immerhin 888 Seiten fällt es dennoch schwer, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen, da manche von ihnen viel zu kurz kommen, während man sich von anderen wiederum mehr gewünscht hätte. Vielleicht wird dieses System aber in den geplanten Fortsetzungen der Reihe noch verbessert und ausgebaut.

Das Setting des Buches ist von Durfee groß und komplex angelegt. Die Fantasywelt wurde bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Passend dazu wurde auch an die vom Detailreichtum möglicherweise überforderten Leser gedacht: So gibt es eine Karte im Buch, mit deren Hilfe die Handlungsorte leicht lokalisiert werden können. Das ist gerade bei den vielen Charaktersprüngen sehr hilfreich. Daneben ist noch ein Anhang enthalten, der weitere Zusatzinformationen liefert. Beispielsweise kann dort die Geschichte der fünf Inseln detailliert nachgelesen werden. Wie es sich für einen Fantasy-Roman gehört, sind nicht nur Menschen in der Welt vertreten: Vallé, Zwerge, Oghule und das Meeresvolk wandeln auf der von dem Autor geschaffenen Welt. Ein gut konzipiertes, in sich schlüssiges Handlungsuniversum ist die grundlegende Basis eines jeden Fantasy-Romans. Diese Basis ist hier definitiv erfüllt.

Ein eher schwieriges Element ist hingegen der Schreibstil, mit dem man nur schwer warm wird. Es sei nichts gegen eine ausführliche Beschreibung der Welt oder der Charaktere gesagt, doch hier verliert sich Durfee zu schnell, und dies stellt sich wiederum als nachteilig für die Spannungsdichte des Buches heraus. Oft scheinen Beschreibungen an der jeweiligen Stelle nicht schlüssig, brechen die Spannung auf und nehmen damit den Fokus von anderen wichtigeren Szenen. Das Buch spart dabei auch nicht an äußerst brutalen Schilderungen und expliziten Gewaltdarstellungen. Der Leser sollte daher im Voraus selber entscheiden, wie er damit umgehen möchte und ob er sich darauf einlassen kann.

Durfees grundsätzlich gelungenes Werk ist wohl eher etwas für erfahrene Fans des Genres und für Einsteiger weniger ideal. Der Leser sollte dem Text Zeit geben, um ein gutes Leseerlebnis zu erhalten. Das Ende des Buches soll verständlicherweise das Interesse für den nächsten Band wecken, da man mit vielen unbeantworteten Fragen zurückgelassen wird. Vielleicht fällt dann aber auch der Einstieg in den nächsten Teil nicht so schwer, da man bereits vertraut mit dem ungewöhnlichen Schreibstil und den Figuren ist.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Brian Lee Durfee: Der Mond des Vergessens. Die fünf Kriegerengel 1.
Übersetzt aus dem Englischen von Andreas Heckmann.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018.
888 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783608961416

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