„Es ist der Anspruch, auch immer eine Geschichte zu erzählen“

Ein Gespräch mit Verlagsleiter Andreas Reiffer vom Reiffer-Verlag

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

literaturkritik.de: Wie kam es dazu, dass Sie den Verlag gegründet haben und wann war das genau?

Andreas Reiffer: Den Verlag habe ich im Jahr 2000 gegründet. Axel Klingenberg und ich haben seit 1993 die Literaturzeitschrift SUBH herausgegeben. Es gab 42 Ausgaben im Rahmen des Social-Beat-Netzwerks. Ich wollte der Zeitschrift durch den Verlag einen offiziellen Hintergrund geben. Das war der Anlass der Verlagsgründung. Später gab es dann das Buch-Magazin The Punchliner bis 2013. Um 2010 habe ich angefangen eine klassische Verlagsbuchproduktion zu starten.

literaturkritik.de: Sie haben sich entschieden, nicht auf die Frankfurter Buchmesse zu gehen, aber auf der Leipziger Buchmesse werden Sie vertreten sein. Hat das logistische Gründe oder liegt es gar an der Pandemie?

Reiffer: Ja, es hat logistische Gründe, da ich den Verlag so gut wie alleine mache. Ich muss schauen, dass ich zeitlich nicht ins Straucheln gerate. Es ist natürlich schade, dass die ganzen schönen Neuerscheinungen in Frankfurt jetzt nicht präsentiert werden können, aber bis Leipzig wird es ja noch weitere Bücher geben. Und die älteren Bücher bringe ich ja dann auch mit.

literaturkritik.de: Sie machen den Verlag wirklich alleine? Ist das in den heutigen Zeiten überhaupt rentabel?

Reiffer: Man sollte sich das gut überlegen. Wichtig ist, dass man seine Nische, sein Genre findet, aber es ist schon gut, wenn man noch eine Ausweichmöglichkeit hat. Ich bin beispielsweise Sozialarbeiter. Auch hier gibt es verschiedene Teilzeit-Modelle. Man sollte sich auf jeden Fall nicht darauf verlassen, dass es sofort funktioniert.

literaturkritik.de: Was war denn das erste Buch, das Sie verlegt haben?

Reiffer: Das erste Buch war ein Best-Off der Literaturzeitschrift SUBH und das erste Buch, das ich unabhängig von der Zeitschrift publiziert habe, war eine Textsammlung mit Musiktexten von Frank Schäfer, Was soll der Lärm?. Das waren Rockkritiken und es war mit das erste Buch von einem Einzelautoren im Verlag.

literaturkritik.de: War der Pop-Bereich auch von Anfang an die Ausrichtung, die Sie für den Verlag wollten?

Reiffer: Ja, das war es. Es ging dann weiter mit der Biographie über Turbonegro. Und es gab immer wieder Ausflüge in andere Genres. Ich habe mal versucht, Belletristik zu machen, aber da muss man sich sehr auf ein bestimmtes Genre spezialisieren, glaube ich. Auch mit Poetry Slam-Texten habe ich es probiert, aber am Ende bin ich dann doch wieder beim literarisch geprägten Musikjournalismus gelandet.

literaturkritik.de: Das ist ja schon eine ganz eigene Nische in Deutschland. Würden Sie das auch so sehen?

Reiffer: Ja, das mag schon sein. Warum das andere Verlage nicht machen, weiß ich nicht. Meine Vermutung ist, dass es wirklich eine kleine Nische ist und dass ein großer Verlag da gar nicht rangeht, weil das mitunter Zweitverwertungen sind. Auch das neue Buch von Matthias Penzel beinhaltet beispielsweise Interviews, die in einer gewissen Form schon in den 1990er Jahren in Magazinen gedruckt wurden, aber die sind in der Regel nach einem Vierteljahr ja schon wieder vergessen, und daher finde ich schon, dass es sich lohnt, solche Perlen wieder hervorzuholen. Da geht es um Texte, die auch heute noch was zu sagen haben. Es sind natürlich auch immer Zeitbezüge enthalten oder bestimmte Wörter, die benutzt wurden. Man muss dann schmunzeln, wenn bei Ingeborg Schober zum Beispiel Worte wie „dufte“ vorkommen. Insgesamt ist der Anspruch bei diesen Büchern, die Musikgeschichte aus erster Hand, also anhand von Originaltexten, spannend zu erzählen.

literaturkritik.de: Sehen Sie den Musikjournalismus heute noch ähnlich oder haben sich die Zeiten doch sehr verändert?

Reiffer: Die meisten Musikzeitschriften machen ja Retro. Im Rock-Bereich geht es häufig um das Wiedererzählen von Geschichte. Ich sehe wenige Leute, die auch etwas von sich mit reinbringen. Die Frage ist natürlich immer: Wie viel Platz habe ich für die Story? Da nehmen sich viele zurück. Wenn man den Journalisten mehr Freiheit geben würde, würde bestimmt mehr passieren.

literaturkritik.de: Das sind ja Freiheiten, die Wolfgang Welt hatte. Wie kam es denn zu dem Kontakt mit Martin Willems und dass dann bei Ihnen im vergangenen Jahr Welts journalistische und essayistische Texte in zwei Bänden erschienen sind?

Reiffer: Den Anstoß, wie bei einigen anderen Projekten auch, kam von Frank Schäfer, der mir den Tipp gab, mal in diese Richtung zu schauen. Und dann war das genau zu dem Zeitpunkt, an dem die erste von Martin Willems herausgegebene Sammlung Ich schrieb mich verrückt gerade ausverkauft war. Viele Texte, die in dem Doppelband vertreten sind, waren dort schon enthalten und es gab auch noch verstreute Sachen, die seitdem entstanden sind, die Wolfgang Welt auch kurz vor seinem Tod noch geschrieben hat. Ich habe mich dann mit Martin Willems zusammengesetzt und wir haben überlegt, was man aufbauend auf die Ausstellungen noch machen könnte. Bildmaterial zum Beispiel war in dem Band gar nicht vertreten. Es war eine reine Textsammlung. Es gab auch noch Briefe, an die sind wir aus verschiedenen Gründen dann aber nicht rangegangen. Und irgendwann haben wir dann Nägel mit Köpfen gemacht und haben Welts komplette Kurztexte plus das letzte Roman-Fragment als schöne Edition mit den Bildern aus der Ausstellung herausgebracht.

literaturkritik.de: Wie verkaufen sich die Bände denn?

Reiffer: Das ist interessant bei Wolfgang Welt. Mir war klar, dass sich nicht jede/r die neuen beiden Bände kauft, wenn er/sie 80% davon schon kennt. Wir haben sehr viel Presse bekommen für einen Klein-Verlag, dafür verkaufen sie sich aber nicht so gut wie man vermuten könnte. Sie wurden sehr gelobt, aber es scheint ein Spezialisten-Thema zu sein und vor allem unter Journalisten scheint es sehr beliebt und bekannt zu sein, aber bei der breiten Masse ist es schwierig. Der Klartext Verlag bringt bald die ersten beiden Romane als Sonderedition in der Bibliothek des Ruhrgebiets heraus. Es könnte sein, dass das helfen könnte, die Thematik ins Publikum hineinzubringen.

literaturkritik.de: In Rock’n’Read von Thomas Kraft, das bald bei Ihnen erscheint, geht es darum, wie Literatur Rockmusik inspiriert. Können Sie dazu noch kurz etwas sagen?

Reiffer: Ja, klar. Es erscheint am 8. November und Thomas Krafts Thema ist im Prinzip, genau wie bei meinem Verlag, auch die Schnittstelle zwischen Literatur auf der einen und Musik auf der anderen Seite. Beides wird zusammengebracht. Er hat Rockmusikerinnen und Rockmusiker wie David Bowie, Bob Dylan, Patti Smith, Suzanne Vega usw. wahrscheinlich erstmalig eng im Zusammenhang mit deren literarischen Einflüssen für ihr Leben und ihre Texte porträtiert. Das Thema ist 100% das des Verlags, daher habe ich mich sehr gefreut, als er es mir angeboten hat.