Das Foto will gedruckt sein

Ein Katalog zum gedruckten Werk von Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler von Manfred Heiting und Kristina Lemke

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn die Fotografie eines will, dann gedruckt zu werden. Kunst kann sie dann immer noch sein, wenn denn Zeit und Muße dafür bleiben, könnte man meinen. Ein Blick ins Werk des neusachlichen Fotografen Dr. Paul Wolff (1887–1951) bestätigt diesen Eindruck. Etwa 1000 Publikationen Wolffs sind nachgewiesen, vor allem in Fotobüchern und zahllosen Illustrierten sind Fotografien Wolffs zu finden, was dann zur nächsten Korrektur lieb gewonnener Denkmuster führt, denn Dr. Paul Wolff – den akademischen Grad führte der Mediziner eben nicht nur aus Stolz, sondern um sich von einem gleichnamigen Fotografen aus Dresden abzugrenzen – ist eigentlich kein autonomer Künstler im modernen Sinn

Hinter dem Namen und dem populären Frontmann Wolff verbirgt sich eigentlich eine Fotowerkstatt, ein gut organisiertes Unternehmen, das von den beiden Fotografen Paul Wolff und Alfred Tritschler geleitet und bestimmt wurde. Ab 1934 firmierte das Unternehmen dann auch unter Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler und zeichnete so auch seine Arbeiten. Tritschler war bereits 1927 zu Wolffs Unternehmen gestoßen. Ihm verdankt sich letztlich auch die enge Bindung des Namen Dr. Paul Wolff an die Leica-Fotografie, war es doch Tritschler, der Wolff von den Qualitäten der Kleinbildfotografie überzeugte. Wolff aber blieb der Mann, der das Unternehmen in der Öffentlichkeit repräsentierte, gern im Laborkittel und immer wieder aus einer Praxis und einer Produktvielfalt schöpfend, die Mitte der 1930er Jahre eine unerhörte Breite erreicht hatte.

Die Firma Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler konnte beinahe alle Motive bedienen, und das mit einer unerhört hohen Qualität. Woraus eben erkennbar wird, dass Wolff eben nicht nur der Leica-Fotograf war, der seine Erfahrungen in zwei bis heute berühmten Büchern niedergelegt hat (Meine Erfahrungen mit der Leica, 1934, Meine Erfahrungen … farbig, 1942), sondern eines der professionellsten Fotografieunternehmen seiner Zeit leitete, das ihn zu einem der bekanntesten Fotografen der Jahre zwischen 1930 und 1945 gemacht hat. Die Werkstattkultur der Renaissance-Malerei feiert hier eine denkwürdige Wiederkehr.

Was allerdings auch zu weiteren Fragen führt, die sich an diesen von Manfred Heiting und Kristina Lemke herausgegebenen und erarbeiteten Katalog anschließen müssen, der zusammen mit der 2019 von Michael Koetzle herausgegebenen Werkübersicht wohl den Blick auf den Fotografen Paul Wolff und sein Unternehmen bestimmen wird. Denn obwohl Paul Wolff als Autor von Fotografien, Fotobüchern und anderen Arbeiten firmierte, auch wenn immer wieder von der Sorgfalt und Präzision berichtet wird, die der Fotograf Paul Wolff bei seinen Aufnahmen an den Tag legte, ist der Anteil seines Partners und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Werk offen. Die Neigung, die Person Wolff mit dem Zeichnenden gleichen Namens zu identifizieren, entspricht zwar unserem Autoren- und Künstlerverständnis, aber bekannt ist eben, dass unter Wolff&Tritschler auch Arbeiten Alfred Tritschlers vertrieben wurden. Die Klärung und Abgrenzung der jeweiligen Anteile muss jedoch wohl weiteren Archivarbeiten vorbehalten bleiben. Solche Fragen sollten auch nicht verdecken, was Heiting und Lemke in diesem Band geleistet haben.

Denn wenn es einen Ertrag dieser erneuten Werkübersicht gibt, dann sind es die umfangreichen (illustrierten) Listen im Zentrum des Katalogs, in denen die Publikationen der Hauses Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler in einer Ausführlichkeit und Dichte verzeichnet werden, die bewundernswert und – vor allem – höchst nützlich ist. Denn diese Übersichten weisen eben nicht nur einen ersten, bereits sehr umfangreichen Bestand an Drucknachweisen auf, sondern geben zugleich einen Einblick in die Vielfalt und den Variantenreichtum der Presse- und Publikationslandschaft der 1930er und frühen 1940er Jahre. Erkennbar wird auch, warum gerade unter dem NS-Regime das deutsche Fotobuch eine unübersehbare Qualität erreichte – was einem nicht behagt, aber eben doch aus den Bedingungen des NS-Regimes heraus ableitbar wird. Denn das Regime hatte einen enormen Bedarf an repräsentativen medialen Produkten. Und die Fotografie rückte dabei – vielleicht neben dem Film – mit in den Fokus, und mit der Fotografie eben auch die Plattformen, die mit ihr eng verbunden sind, eben Fotobuch und Illustrierte.

Die Firma Wolff&Tritschler hat sich gerade wegen ihres Erfolgs und wegen der Qualität ihrer Arbeiten diesen propagandistischen Anforderungen (und Zumutungen) des NS-Regimes nicht entziehen können, und hat sich, soweit sie eine basale nationale Identifizierung bediente, auch wohl kaum entziehen wollen. Das erklärt auch einen Band wie Arbeit! (1937), in dem Wolff&Tritschler die wirtschaftlichen Erfolge des NS-Regimes fotografisch abfeierte, der aber zugleich in die Linie mit anderen Fotobänden zur Industrie in Deutschland gesetzt werden muss. Zumindest bei den abgebildeten Beispielseiten werden NS-Embleme zudem auffallend wenig in den Vordergrund gespielt, was die Qualifizierung Wolffs als NS-Fotografen, wie jüngst auf einer Tagung zum Autor Heinrich Hauser geschehen, wenig plausibel macht. Aber das sind Diskussionen, die wohl noch länger geführt werden müssen.

Titelbild

Manfred Heiting (Hg.): Dr. Paul Wolff & Alfred Tritschler. Die gedruckten Bilder 1906 – 2019.
Steidl Verlag, Göttingen 2019.
520 Seiten , 95,00 EUR.
ISBN-13: 9783958296145

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