Die Wedekinds oder It’s all in the family

Hartmut Vinçon und seine MitarbeiterInnen legen mit „Frank Wedekind. Briefwechsel mit den Eltern 1868–1915“ ein editorisches Juwel vor

Von Günter HelmesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Günter Helmes

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In den hier veröffentlichten Elternbriefen ist der autoritäre Vater stets gegenwärtig, auch in den noch nicht veröffentlichten Briefen der Geschwister untereinander. Nach seinem Tod wurde die Gestalt des einst so mächtigen Vaters aus der brieflichen Erinnerung ausgeblendet.

So heißt es in der Vorbemerkung zum Kommentar-Band der vorgelegten zweibändigen Edition.

Deren Lektüre kann gerade mit Blick auf diesen „autoritäre[n] Vater“, die eheliche Konstellation der Eltern Frank Wedekinds ganz allgemein und deren Vorgeschichte dadurch bereichert werden, dass man den im vergangenen Jahr von Stephen Parker herausgegebenen Band Die Wedekinds in Amerika. Das „Journal amoureux“ seines Vaters – übersetzt von Frank Wedekind als begleitende Lektüre hinzuzieht. Diese Lektüre stellt eine hervorragende Ergänzung zum gut einhundert Seiten langen „Bericht“ des Herausgebers Hartmut Vinçon »Die Welt ist nun mal kein Tanzboden« dar – der „Bericht“ selbst bezieht sich freilich auch selbst immer wieder auf diese Lektüre –, mit dem der erste Band der Edition endet und dessen Titel das Postskriptum von Frank (Franklin) Wedekind in seinem Brief an die Mutter vom 22. Dezember 1886 (Brief Nr. 74) zitiert (im Inhaltsverzeichnis ist der Titel als Zitat ausgewiesen, im Text leider nicht).

Liest man die insgesamt 201 „Korrespondenzstücke“ – überwiegend Briefe bzw. Brieffragmente, aber auch Postkarten, Bildpostkarten und Telegramme; Nr. 180 ist in 180.1 und 180.2 aufgeteilt – zwischen Frank Wedekind und seinen Eltern, kann man die eingangs zitierte Aussage des Herausgebers tendenziell bzw. unter gewissen Voraussetzungen bestätigen, zumindest für den jetzt vorgelegten Briefwechsel. Angesichts der Rede vom „autoritäre[n] Vater“ sollte allerdings nicht vergessen werden, dass es sich bei diesem, einem „ruhelose[n] Geist“, zugleich um einen standhaften „bürgerlichen Demokraten“ gehandelt hat, wie es an anderer Stelle heißt. Gefragt werden könnte von daher, ob Wilhelm Wedekind nach zeitgenössischen oder nach heutigen Maßstäben bzw. Gepflogenheiten „autoritär“ gewesen ist, ebenso, ob die Schwangerschaft von ihm und die Eheschließung mit ihm für Emilie Friederike Kammerer tatsächlich vor allem ein „Emanzipationsbruch“ gewesen ist.

Der Briefwechsel – er beginnt mit einer „Grußzeile“ Franks an den Vater Friedrich Wilhelm in einem Brief Emilies vom 17. August 1868 und endet mit einem auf den 2. November 1915 datierten Brief an die Mutter – enthält aber keineswegs nur Briefe von Frank Wedekind und von seinen Eltern, die sich im Übrigen in den 1870er und 1880er Jahren zum Teil auch an die Brüder Armin und William Lincoln richten. Zu Kontextualisierungszwecken sind ca. 20 Briefen auch (z.T. lange) Auszüge aus Briefen der Eltern an die weiteren Kinder, zwischen den Eltern, zwischen Wilhelm und seinem Bruder Theodor Wedekind, zwischen Frank Wedekind und den Geschwistern, zwischen ihm und diversen Personen des persönlichen und professionellen Umfeldes sowie zwischen den Geschwistern beigegeben.

Von den 201 „Korrespondenzstücken“ richtet Frank Wedekind 37 an den Vater, 123 an die Mutter, der Vater hingegen 22 und die Mutter 21 an Frank. Um sich ein angemessenes Bild über Gewichtungen und Balancen zu machen, ist aber zwischen der Zeit vor und nach Wilhelm Wedekinds Tod zu unterscheiden; zudem ist die Überlieferungslage in Rechnung zu stellen.

Bis zu Wilhelm Wedekinds Tod am 11. Oktober 1888 – am 13. September 1888 schickt er Frank noch eine Postkarte (Nr. 99) – stellt sich die Verteilung folgendermaßen dar: Frank Wedekind schreibt wie gesagt 37 „Korrespondenzstücke“ an seinen Vater und erhält von diesem 22. An die Mutter richtet er 25 „Korrespondenzstücke“ und erhält von ihr 13 (eines davon, Nr. 60, ein Brief vom 20. Januar 1886, nennt auch die Schwester Mati, d.i. Emilie Richenza als Absenderin). Ein Brief Franks ist an beide Eltern gerichtet (Nr. 55). Rein anzahlmäßig überwiegt also für diesen Zeitraum die Korrespondenz Frank Wedekinds mit seinem Vater diejenige mit der Mutter deutlich. Das gilt aber auch hinsichtlich des Gesamtumfangs der in diesen Zeitraum fallenden „Korrespondenzstücke“.

Für den Zeitraum zwischen Wilhelm Wedekinds und Emilie Wedekinds Tod am 25. März 1916 hingegen sind 98 „Korrespondenzstücke“ Franks an die Mutter (in erdrückender Mehrzahl längere Briefe) und nur fünf „Korrespondenzstücke“ (darunter 3 längere Briefe) der Mutter an Frank wiedergegeben. Den Grund für die geringe Anzahl an „Korrespondenzstücken“ der Mutter liefert die „Editorische Notiz“ im Kommentarband (s.u.).

Aufs Ganze gesehen über beide Zeiträume ergibt sich aber, dass Frank Wedekind deutlich häufiger an seine Eltern geschrieben hat als diese an ihn. Dabei sind seine Briefe an den Vater oftmals von unterschwelligem Erläuterungs- und Rechtfertigungsdruck (auch: Finten), vorauseilendem Gehorsam und von gedrechselter Unterwürfigkeit gekennzeichnet, ja dem Herausgeber nach sogar von „Furcht“. Wilhelm Wedekind wiederum tritt in der Tat mit Respekt und sogar Liebe einfordernder, von keinem Selbstzweifel angekränkelter Autorität auf und lässt auch keine Ungewissheit darüber aufkommen, wer das letzte Wort hat und alle Entscheidungen von Belang gegebenenfalls über das Wünschen und Wollen Franks hinweg trifft. Andererseits ist er aber auch ein – zuweilen geradezu penetrant, pedantisch und ‚helikopterartig‘ – fürsorglicher, verlässlicher und nach Transparenz und ‚Objektivität‘ strebender Vater, der es nach seinen Begriffen gut meint mit seinen Kindern. Ein tyrannisches Ekel ist er jedenfalls nicht, auch wenn er für die Generation der in den 1890er Jahren Geborenen wohl Objekt eines Vatermordes geworden wäre.

Die Briefe zwischen Frank Wedekind und seiner Mutter hingegen fallen zu Lebzeiten des Vaters deutlich persönlicher und gefühlvoller aus. Stets ist Emilie darum bemüht, im Konfliktfall zwischen Vater und Sohn (sowie weiteren betroffenen Geschwistern) zu vermitteln bzw. beschwichtigend zu wirken. Erst nach dem Tod des Vaters und im Umfeld der die Familie spaltenden Zwistigkeiten um Donald Wedekind verändert sich Franks Ton der Mutter gegenüber und entwickelt Schärfe. Es bleibt aber dabei, dass Frank seiner Mutter auch dadurch empfundenen Respekt, Vertrauen und Zuneigung bezeugt, dass er ihr recht offen auch über ‚Abwege‘ und ‚Abgründe‘ schreibt, zumal solche erotischer Art – und dass er sich in aller Aufrichtigkeit bei ihr für eigenes Fehlverhalten ihr gegenüber entschuldigen kann. Emilie wiederum bleibt auch da ihrem Lieblingssohn treu, wo sie seine Lebensführung oder Teile seines Werkes mißbilligt.

Von eigenem Interesse sind u.a. die „Korrespondenzstücke“ Nr. 9, 33, 62 und 107, enthalten sie doch Dichtungen Frank Wedekinds: ein vierstrophiges „Widmungsgedicht“ zum 44. Geburtstag der Mutter am 8. Mai 1884, ein gut vier Seiten langes, formal reizvolles Gedicht zu deren Geburtstag im Folgejahr als „Beilage“ zum Geburtstagsbrief, ein ganze 32 Seiten langes „Jubiläumsgedicht“ für den Vater zum 70. Geburtstag am 21. Februar 1886, das kunstvoll dessen bewegtes, von politischem und kulturellem Engagement durchwirktes Leben und folgerichtig die nicht minder bewegte (deutsche) Geschichte des späten 18. Jahrhunderts (Französische Revolution) und die des 19. Jahrhunderts miteinander verbindet, sowie ein  humorvolles fünfstrophiges Gedicht an die Mutter vom 12. Oktober 1889, in dem er dringlich um die Zusendung von wärmenden Socken bittet.

Der mit Fußnoten versehene „Bericht“ des Herausgebers »Die Welt ist nun mal kein Tanzboden« besteht aus einlässlichen, informationsgesättigten Beschreibungen der in Zeitgeschichte eingebetteten frühen Lebensläufe von Friedrich Wilhelm Wedekind (22 Seiten; bis 1856) und Emilie Friederike Kammerer (14 Seiten; bis 1864), ab Sommer 1860 mit Wilhelm Wedekind bekannt und seit März 1862 dessen Ehefrau, sowie der Biographie Franklin Benjamin (Frank) Wedekinds (64 Seiten). Dabei ist mit Blick auf Wilhelm Wedekind und dessen kalifornische Jahre 1860 bis 1864 auch ein Gutteil der Lebensbeschreibung Emilie Kammerers zu lesen.

Auch die ersten zwanzig Frank Wedekind gewidmeten Seiten erzählen mehr über die Eltern, vor allem über Wilhelm Wedekind, als über Frank selbst. Danach erst geht es um dessen mit heftigsten Auseinandersetzungen mit dem Vater – dieser hatte ihm ein Jurastudium aufgezwungen – verbundene Entwicklung zum gefeierten Schriftsteller und um dessen sonstigen Lebensgang. Je nach Wissensstand empfiehlt es sich im Übrigen gegebenenfalls, diesen „Bericht“ vor den „Korrespondenzstücken“ zu lesen, da er deren Verständnis und deren Zuordnung sowohl mit Blick auf Inhalte als auch auf VerfasserIn und AdressatIn erleichtert.

Der zweite, trotz kleiner, eher Fußnoten angemessener Schriftgröße 360 Seiten starke zweite Band der Edition stellt der ein oder anderen kritischen Nachfrage bzw. Einlassung zum Trotz ein Glanzstück dar.

Im Hauptteil besteht er aus einer „Vorbemerkung zu einer Familiengeschichte in Briefen“, einer „Editorische[n] Notiz“, einem gut 60 Einträge enthaltenen Abkürzungsverzeichnis, den ca. 245 Seiten umfassenden „Erläuterungen“ zu den in Band 1 dokumentierten Briefen und Briefauszügen sowie den Geburtsjahren nach gereihten „Biogramme[n]“ von Wilhelm (1816–1888), Emilie (1840–1916), Armin (1863–1934), Frank (1864–1918), William Lincoln (1866–1935), Erika (1868–1944), Donald Lenzelin (1871–1908) und Emilie Richenza (genannt Mati; 1876–1969) Wedekind.

Der sich anschließende Anhang verzeichnet auf 12 prallen Seiten die herangezogene „Literatur“ („Archive“, „Quellen“, „Forschungsliteratur“, „Kontext“), liefert den Nachweis für die über beide Bände verteilten, insgesamt 14 Abbildungen (10 davon entfallen allein auf die „Biogramme“), dankt finanziellen Förderern und all jenen in die Dutzende Gehenden, ohne deren Hilfe die Edition in dieser Form nicht zustande gekommen wäre, und offeriert abschließend ein ca. 600 Namen umfassendes Personenverzeichnis, eine ca. 130 Titel umfassende Auflistung all jener Werke aus „Literatur, der Musik und der bildenden Kunst“, die im ersten Band erwähnt werden, sowie ein ca. 150 Einträge umfassendes „Ortsregister“, das sich ebenfalls auf im Band 1 erwähnte Orte bezieht. Leicht ersichtlich ist, dass insbesondere diese Register maßgeblich zum hohen wissenschaftlichen und kulturellen Gebrauchswert der Edition beitragen, nicht zuletzt auch für all jene Interessierten, die keine Wedekind-Spezialisten sind.

Die „Vorbemerkung zu einer Familiengeschichte in Briefen“ sprechen zu Recht von einem „fragmentarische[n] Mosaik“ einer Familie, „beispielhaft für die Geschichte des Bildungs- und Besitzbürgertums im 19. Jahrhundert und darüber hinaus.“ In diesem Zusammenhang spielen selbstverständlich diverse politisch-historische Daten bzw. Ereignisse eine entscheidende Rolle. Von daher heißt es mit guten Gründen, dass der „Briefwechsel Frank Wedekinds mit seinen Eltern“ erkennen lasse,

auf welche Weise vor und nach der bürgerlichen Revolution 1848/1849 demokratische und liberale Lebens- und Gesellschaftsentwürfe insbesondere des Bildungsbürgertums in Zeiten politischer Reaktion unterdrückt wurden, ohne sie gänzlich blockieren oder verdrängen zu können. Widerstand leisten oder Auswandern, sich Anpassen und stille Resignation waren [auch im Kaiserreich] Verhaltensformen, mit denen auf die gesellschaftlichen Repressionen nach dem Triumph der Gegenrevolution reagiert wurde.

Frank und Donald Wedekind werden als diejenigen charakterisiert, die „sich von früh an“ „[b]ürgerlicher Integration widersetzten“ und „[i]m Gegensatz zu ihrem einst politisch engagierten Vater […] sich für eine riskante Schriftstellerkarriere“ entschieden. Während aber Donald „unversöhnbar“ geblieben sei, habe Frank „als arrivierter Theaterautor ein bürgerliches Leben“ geführt und „Anschluss an höchste kulturelle und politische Kreise“ gefunden.

Die „Editorische Notiz“ zeugt von den vorbildhaften „Editionsrichtlinien“, nach denen verfahren wurde. Diese Vorbildlichkeit scheint auch in der Anzahl diakritischer Zeichen auf. „Angaben zur Größe des Blattes bzw. des Bogens und zu dessen Faltung, zur Farbe der Tinte und ikonographischen Gestaltung von Briefköpfen“ hingegen werden „nicht gemacht. Die chromolithographisch bedruckten Bildpostkarten sind im Druck s/w wiedergegeben.“

Hinsichtlich der Überlieferung werden u.a. die nachfolgenden Angaben gemacht: „Insgesamt sind 201 Korrespondenzstücke überliefert. 84 bisher unbekannte sind neu ediert. 19 Korrespondenzstücke wurden in vorhergehenden Editionen unvollständig herausgegeben […]. Verschollen sind nachweislich insgesamt 66 [den detaillierten Angaben zufolge 67] Korrespondenzstücke“, darunter „mindestens 54“ von Emilie Wedekind.

Die ggf. durch Hinweise nach den Lemmata miteinander vernetzten „Erläuterungen“ zu den „Korrespondenzstücke[n]“ übertreffen an Nachweis, Dokumentation, Ausführlichkeit und Kontextualisierung deutlich das, was man gemeinhin von dieser Textsorte erwarten kann. Sie lassen sich in einer alles andere als geringen Anzahl sogar unabhängig von den Briefen gewinnbringend lesen. Wird bspw. zu Brief Nr. 5 vom 27. Juli 1872 das von Emilie Wedekind gebrauchte Wort „Heimath“ erläutert, erhält man nicht nur den Hinweis auf die weiterführenden Erläuterungen zu Brief Nr. 143, sondern vor allem ein beinahe drei Seiten langes, geschichtlich in vielerlei Hinsicht angereichertes Biogramm des Vaters von Emilie Wedekind Jakob Friedrich Kammerer (1796–1857).

Es fragt sich allerdings, ob der Leser des Briefes Nr. 5 von Emilie Wedekind vermutet, dass ihm dieses Wort „Heimath“ im Kommentarband erläutert wird. Stolpert er dann 9 Zeilen weiter im Brief über die Ortsbezeichnung „Riesbach“ und die Straßenbezeichnung „Seefeldstraße“, wird er diese Lemmata zwar in den Erläuterungen zum genannten Brief finden, dabei aber vielleicht nur zufälligerweise oder ‚unfreiwillig‘ auf das Lemma „Heimath“ stoßen. Hinter dem Lemma „Riesbach“ nämlich liest er „s.o.“, wobei unklar bleibt, auf welches „oben“ Bezug genommen wird, auf ein Lemma innerhalb dieser auf Brief Nr. 5 bezogenen Erläuterungen oder auf Erläuterungen vorhergehender Briefe (Mitte der Erläuterung zu „Heimath“ wird, wenn man sich die Mühe macht und sucht, Riesbach als Ort bei Zürich genannt). Mit anderen Worten: Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Wörter u.Ä., die im Kommentarband erläutert werden, im Briefband auf irgendeine Weise gekennzeichnet worden wären, bspw. durch ein Asterisk, ebenso hilfreich, eine wie im Falle von „Riesbach“ beiherlaufende Information oder Erläuterung noch einmal zu wiederholen oder den Verweis eindeutig zu gestalten.

Bei den Biogrammen – hier kommt es bei Wilhelm, Emilie und Frank Wedekind zu gewissen Überschneidungen zum „Bericht“ des Herausgebers aus dem ersten Band – überrascht, dass Wilhelm Wedekind mit insgesamt 27 Seiten so viel Raum eingeräumt wird wie allen anderen Familienmitgliedern zusammen (exkl. Frank Wedekind, ihm sind 11 Seiten vorbehalten). Das rührt daher, dass nicht nur wie bei den meisten anderen Wedekinds auch einleitend ein Auszug aus biographischem Quellenmaterial wiedergegeben wird und anschließend seine „Vitadaten“ und Schriften aufgelistet werden, sondern auch noch auf Nachrufe hingewiesen und ein über zwanzig Seiten langer „Anhang“ präsentiert wird. Der enthält einen längeren Auszug aus der Deutschen Reichs-Zeitung vom September 1848, Wilhelm Wedekinds mit Anmerkungen versehenen „Californische[n] Festgesang zu Schiller’s Jubelfeier. (November 1859.)“ sowie einen ebenfalls kommentierten fünfzehn Seiten langen Brief Wilhelm Wedekinds an seinen ein Jahr jüngeren Bruder Theodor vom Januar 1873 (einen Auszug aus einem selbstverfassten Brief hält auch das Biogramm von William Lincoln Wedekind vor).

So informativ und perspektivenreich dieser Anhang auch ist, er sprengt doch dann entschieden den Rahmen, wenn man in Betracht zieht, dass bspw. Wilhelms Ehefrau Emilie insgesamt nur ein vierseitiges Biogramm zugestanden wird. Hätte man allein um der Gleichgewichtung willen hier nicht – Vergleichbares gilt auch für die ansonsten materialreichen „Vitadaten“ von Erika und Emilie Richenza Wedekind – bspw. einen Auszug aus deren Jugenderinnerungen (Untertitel) Für meine Kinder, aus aktueller Forschungsliteratur (Stephen Parker) oder aus Briefen wiedergeben können? Für Armin Wedekind etwa wird dankenswerterweise ja auch auf solches Material zurückgegriffen, hier auf Elias Canettis Die gerettete Zunge.

Bei Frank Wedekind wiederum ist es so, dass die „Vitadaten“ mit zehn Seiten einen außergewöhnlich großen Raum einnehmen, während die Hinweise auf „Werke, Briefe, Tagebücher“ knapp ausfallen (Details zu Erstdrucken einzelner Werke muss man – als Laie ggf. ‚stöbernd‘ – den „Vitadaten“ entnehmen). Hinweise auf Nachrufe oder auf Heinrich Lautensacks Dokumentarfilmprojekt über die Beerdigung von Frank Wedekind (jüngst ediert und umfassend kontextualisiert von Ariane Martin) fehlen an dieser Stelle ganz. Sehr verdienstvoll ist es hingegen, dass das Biogramm des unglücklichen Donald Lenzelin Wedekind ausführlich dessen Werke auflistet.

Fazit: Hartmut Vinçon und seinen MitarbeiterInnen ist für eine Edition zu danken, die hohe qualitative Standards bestätigt bzw. setzt und die von daher zu den Standardwerken der Wedekind-Forschung gehören wird.

Titelbild

Frank Wedekind: Briefwechsel mit den Eltern 1868-1915.
Wallstein Verlag, Göttingen 2021.
850 Seiten, 59,00 EUR.
ISBN-13: 9783835337329

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