Übersetzte Literatur

Tendenzen weltliterarischer Zirkulationsprozesse

Von Natalia Blum-BarthRSS-Newsfeed neuer Artikel von Natalia Blum-Barth

I.

„Die Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht“, sagte der portugiesische Nobelpreisträger (1998) José Saramago. Diese Aussage beinhaltet die längst verdiente Wertschätzung der literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer und evoziert Übersetzung als eine zentrale Kulturtechnik. Denn auf der Arbeit der Übersetzer baut die gesamte abendländische Kultur auf. Sie ist undenkbar ohne die Bibelübersetzungen der Spätantike, ohne die Übersetzung der griechischen Antike ins Arabische im 9. Jahrhundert in Bagdad, ohne die Übersetzerschule von Toledo, die im 12. Jahrhundert die originalsprachig arabischen wissenschaftlichen und religiösen Texte ins Lateinische übertrug. Diese Aufzählung kann fortgesetzt werden und zwar mit Luthers Bibelübersetzung, die die deutsche Sprache geprägt hat, mit der englischen King James Bible, die großen Einfluss auf Milton und andere bedeutende englische Dichter hatte, mit den Shakespeare-Übersetzungen von Schlegel und Tieck, die der deutschsprachigen Bühnenkunst und ihren größten Repräsentanten unverzichtbare Impulse gegeben haben. Konnten sich die Gedanken der Aufklärung erst durch Übersetzungen in der ganzen Welt verbreiten, so scheinen heute Übersetzungen ins Englische und ihre Besprechungen im New Yorker als Türöffner zur Weltliteratur zu fungieren.

Steht die Vorherrscherrolle der USA auf dem internationalen Buchmarkt außer Frage? Eigentlich könnte man sogar fragen, ob der internationale Buchmarkt nicht mit dem US-amerikanischen Literaturbetrieb identisch sei: Sein Verlagswesen, die Literaturkritik und das Preiswesen sind weltweit tonangebend und beeinflussen insbesondere das Geschehen auf dem Buchmarkt der meisten europäischen Länder. Ein Beispiel hierfür sind Romane von Elena Ferrante. Ihre Bücher erreichten den deutschen Leser nicht von Italien, sondern über die USA. James Woods Besprechung ihrer Romane im New Yorker war ausschlaggebend für die deutsche Übersetzung, die bei Suhrkamp erschien. Bis diese erschien, hat man Ferrante in Deutschland in englischer Sprache gelesen, wie auch andere Bücher aus vielen Ecken der Welt, die häufig zunächst in englischer Übersetzung erscheinen. Insofern stellt sich die Frage, ob man Saramagos Aussage nicht ergänzen müsste: Die Weltliteratur wird von Übersetzern ins Englische gemacht.

Als Rabindranath Tagore 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt, lag dem Preiskomitee sein Gedichtband Gitanjali als Selbstübersetzung in englischer Sprache vor. Die Sammlung mit über hundert Gedichten wurde von der India Society of London im November 1912 herausgebracht. Seine Entscheidung begründete das Preiskomitee wie folgt: „because of his profoundly sensitive, fresh and beautiful verse, by which, with consummate skill, he has made his poetic thought, expressed in his own English words, a part of the literature of the West“.

Der polnisch-US-amerikanische Schriftsteller Isaac Bashevis Singer erhielt als bislang einziger jiddischer Schriftsteller den Nobelpreis für Literatur (1978). Er verfasste seine Romane und Geschichten zuerst ausschließlich auf Jiddisch und veröffentlichte sie in Fortsetzungen in jiddischen Literaturzeitschriften und im Forverts, woraufhin er sie in Teilauswahl für die amerikanische Fassung, die den weiteren Übersetzungen zugrunde lag, überarbeitete und lektorierte (er sprach von seinem „zweiten Original“). Anfang der 1950er Jahre begann Singer konsequent mit der Übersetzung seiner Werke ins Englische. Dieser Schritt machte ihn international bekannt.

Die Nobelpreisträger von heute verkürzen diesen Weg und schreiben gleich in englischer Sprache: Kazuo Ishiguro, der britische Schriftsteller japanischer Herkunft (Nobelpreis 2017), und der diesjährige Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah. Er ist tansanischer Herkunft und lebt in Großbritannien. Exophone Autoren sind längst keine Exoten mehr. Vielmehr scheinen sie und mit ihnen die sogenannte Migrantenliteratur die festgelegten Bahnen literarischer Zirkulation zu unterlaufen und ins Zentrum zu gelangen.

Die dabei beobachtete Vorherrschaft des Englischen scheint unstrittig zu sein. Allerdings betrifft sie Prozesse literarischer Zirkulation, die von der Peripherie ins Zentrum bzw. vom Zentrum in die Peripherie gerichtet sind. (An dieser Stelle sei betont, dass die Zuschreibungen „Peripherie“ und „Zentrum“ situativ und relativ sind.) Diese Konstellation ist von Zirkulationsprozessen zu unterscheiden, die zwischen verschiedenen Peripherien stattfinden. In diesen Strömungen scheint Englisch seine Vorherrschaft zugunsten der regionalen und lokalen Sprachen zu verlieren. Kurzum: Man kann zwei Strömungen mit unterschiedlichen Hierarchien von Sprachen unterscheiden. Die erste Strömung geht vom Zentrum aus bzw. ist in das Zentrum gerichtet und bewegt sich sowohl zu anderen kleineren Zentren als auch an die Peripherie. In diesen Zirkulationsprozessen dominiert Englisch oder die Sprache des kleineren Zentrums (Französisch, Spanisch). Die zweite Strömung ist an der Peripherie bzw. an Rändern zu verorten und findet in einer Vielzahl verschiedenster Sprachen statt.

In Mexiko sind beispielsweise 65 Sprachen als „Nationale Sprachen“ anerkannt. Viele Autoren, die in ihren autochtonen Sprachen schreiben, verfassen ihre Werke parallel auf Kastilisch oder werden ins Spanische übersetzt. Ähnlich ist die Situation in Indien und vielen afrikanischen Ländern. Nur in wenigen Fällen gelingt es, Werke aus lokalen und regionalen Sprachen ins Englische zu übersetzen. Dies hängt jedoch nicht nur mit der Sprache zusammen, in der diese Texte geschrieben sind, sondern mit ihrer Beschaffenheit. Daher soll gefragt werden, welche textspezifischen Aspekte für die Übersetzung eines literarischen Werkes in eine andere Sprache ausschlaggebend sein können. Inwieweit sind beispielsweise die sprachliche und stilistische Gestaltung eines Textes, seine Form, literarische Tradition sowie Thema und Stoff als Kriterium für Übersetzung aufzufassen und somit als Chance, in die Kategorie ‚Weltliteratur‘ aufgenommen zu werden?

II.

In ihrem viel diskutierten Buch La République mondiale des lettres bezeichnete Casanova den Prozess der Aufnahme eines literarischen Textes in die Welt der Literatur als „Konsekration“: „Translation is the foremost example of a particular type of consecration in the literary world.“ (Casanova, S. 133) Der Begriff Konsekration meint in der römischen Antike wie im Christentum die Übertragung einer Person oder Sache in den sakralen Bereich in Form von Weihe, Kanonisierung, Aufnahme in den Kanon. Der Übersetzung selbst kommt somit die Bedeutung einer liturgischen Handlung innerhalb dieses Rituals zu. Insbesondere für Autorinnen und Autoren von der Peripherie bedeutet die Übersetzung ihrer Werke (vornehmlich ins Englische oder mindestens in die Sprache eines der kleineren Zentren) den Eintritt in die literarische Welt. Übersetzung ist der Ausdruck der Anerkennung des Autors, seine größte nicht-monetäre Auszeichnung. Übersetzungen aus den Sprachen der Peripherie ins Englische bzw. in die Sprachen der kleinen Zentren sind viel seltener als Übersetzungen des literarischen Kanons in die Sprachen der Peripherie.

Die Übersetzung des literarischen Kanons, d. h. der Literatur der Zentren in die Sprachen der Peripherie, versteht Casanova als eine Art Umleitung des literarischen Vermögens: „For an impoverished target language, which is to say a language on the periphery that looks to import major works of literature, translation is a way of gathering literary resources, of acquiring universal texts and thereby enriching an underfunded literature – in short, a way of diverting literary assets.“ (Casanova, S. 134) In ihrer schonungslosen Analyse geht Casanova einen Schritt weiter und führt aus, welche Effekte entstehen, wenn sich Schriftsteller der Übersetzung der Literatur aus dem Zentrum widmen: „Works of great literary subversiveness, ones that leave a mark in the center, are often translated by writers who themselves are international and polyglot and who, determined to break with the norms of their native literary space, seek to introduce into their language the modernity of the center.“ (Ebd.)

Die Literaturgeschichte kennt unzählige Autoren, die sich als literarische Übersetzer betätigten. Danilo Kiš übersetzte ungarische, russische und französische Autoren ins Serbokroatische, Vergilio Ferreira übersetzte Sartre ins Portugiesische, Arno Schmidt übersetzte Poe, Faulkner und Joyce ins Deutsche, Daigaku Horiguchi übersetzte Verlaine und Apollinaire ins Japanische, um einige Beispiele zu nennen. Das obige Zitat von Casanova enthält einen wichtigen Hinweis auf das Profil der Autoren, denen der literarische Durchbruch aus der Peripherie ins Zentrum gelingen kann. Sie orientieren sich nicht nur an der Literatur des Zentrums und schulen an deren Qualitäten ihr eigenes literarisches Schreiben, sondern sind bereit, mit ihrer herkömmlichen literarischen Tradition zu brechen. Im Grunde genommen wird hier ein wichtiges, übersetzungswürdiges Merkmal literarischer Texte genannt: die Abkehr vom Herkömmlichen und die Annahme der Modernität des Zentrums.

Bemerkenswert ist dabei die Selbstverständlichkeit der Richtung dieser Zirkulationsprozesse: Übersetzungen popularisieren das Zentrum und seine ‚Produkte‘ in der Peripherie. Sie bringen das zentrale literarische Kapital in Umlauf und tragen zur Verbreitung der ästhetischen Normen aus dem Zentrum in der Peripherie bei. Niemand soll sich dabei literarisch missioniert fühlen oder gezwungen sehen, literarische Vorbilder des Zentrums zu übernehmen. Macht, Markt, Moderne bilden eben eine Einheit, und wer an ihr partizipieren möchte, sollte sich ihren Regeln beugen. Außerdem ist es nicht so, dass die Texte aus der Peripherie keine Chancen hätten, ‚konsekriert‘ zu werden. Das universale Kapital soll ja steigen, deshalb speist sich der Hauptstrom aus Nebenströmungen und nimmt sie in sich auf:

From the point of view of a major target language, on the other hand, the importation of literary texts written in ‚small‘ languages or ones belonging to neglected literatures serves as a means of annexation, of diverting peripheral works and adding them to the stock of central ressources: Universal capital increases, as Valéry observed, thanks to the activity of the great consecrating translators. (Casanova, S. 135)

Diese Aufnahme bzw. ‚Annexion‘ ist laut Pascale eine Frage der Noblesse, die nicht-nativen Schriftsteller, die den literarischen Kategorien des Zentrums entsprechen, zu „entdecken“. (Vgl. S. 135)

An dieser Stelle wird deutlich, dass nicht jedes Werk die unsichtbare magische Grenze in das Weltliterarische überschreiten kann. Ausschlaggebend dafür ist nicht die Tatsache, ob es in die Sprachen des Zentrums übersetzt wird oder nicht. Die Übersetzung ist zwar eine notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung dafür. Pascale Casanova führt den Begriff littérarisation ein (vgl. Casanova, S. 135), mit dem sie die Existenz eines Werkes, geschrieben in einer nicht prestigeträchtigen Sprache, im internationalen literarischen Raum bezeichnet. Diese Existenz geht über die einfache Übertragung von einer Sprache in die andere hinaus und sieht seine Akzeptanz und literarische Sichtbarkeit vor: „I define littérisation as any operation – translation, self-translation, transcription, direct composition in the dominant language – by means of which a text from a literarily deprived country comes to be regarded as literary by the legitimate authorities.“ (Casanova, S. 136)

III.

Kriterien für die Akzeptanz und literarische Sichtbarkeit eines Werkes aus der Peripherie im Zentrum findet man bei Franco Moretti. Im Essay „Mutmaßungen über Weltliteratur“ verfolgt er die Verbreitungswellen des modernen Romans (von 1750 bis 1950) in den literaturhistorischen Büchern. Als Untersuchungsmaterial dienten ihm über zwanzig unabhängige literaturtheoretische Studien, die in den vergangenen 200 Jahren auf vier Kontinenten erschienen. Dieses umfangreiche Material durchkämmte Moretti mit der Fragestellung, wie in Europa entstandenen Genres in außereuropäische Länder und Regionen exportiert wurden. Moretti fokussiert die Bewegung vom Zentrum in die Peripherie und postuliert: „Wenn eine Kultur sich auf den modernen Roman zuzubewegen beginnt, geschieht das immer in Gestalt eines Kompromisses zwischen ausländischer Form und einheimischen Stoffen.“ (Moretti, S. 53) Dieser Kompromiss kann „ziemlich verschiedene Formen“ annehmen, die man sich als ein Dreieck vorstelle: ausländische Handlung, einheimische Figuren und eine einheimische Erzählstimme. (Vgl. Moretti, S. 58) Zurecht betont Moretti, dass eben diese dritte Größe, eine einheimische Erzählstimme, am instabilsten, am unsichersten zu sein scheint. „Der Erzähler ist die kommentierende, erklärende, bewertende Instanz, und wenn ausländische ‚formale Muster‘ die Figuren merkwürdig handeln lassen, wird der Kommentator natürlich langatmig, erratisch, uferlos.“ (Moretti, S. 58) Wenn Autorinnen und Autoren an der Peripherie beim Verfassen ihrer Romane den westeuropäischen (englischen und französischen) Roman als Vorbild vor Augen haben, dann interferiert diese fremde Anleihe in ihren eigenen Text. Japanische Romane des 20. Jahrhunderts entwickeln sich unter dem Einfluss von Shimei Futabateis Übersetzungen aus dem Russischen (Turgenjew, später europäischer Realismus) (vgl. Morita, S. 126). Japanische naturalistische Romane entstehen unter dem Einfluss des Imports von Naturalismus aus Frankreich und Deutschland durch die Übersetzungen von Émile Zola, Guy de Maupassant und Gerhart Hauptmann. (Morita, S. 128).

Was Moretti beschreibt, ist im Grunde genommen nichts anderes als Hybridisierung der Erzählstruktur der Romane, die an der Peripherie entstehen. Ihrerseits trägt sie nicht nur zur Homogenisierung der Literatur weltweit bei, sondern erweist sich als ausschlaggebend für die Rezeption der Literatur aus der Peripherie im Zentrum. Sie unterscheidet sich von anderen Romanen, die ebenfalls an der Peripherie entstehen aber sich nicht am westeuropäischen Vorbild orientieren.

Veranschaulichen lässt sich dies am Beispiel von Machado de Assis’ Romanen. Zwar betonen einige Rezensionen ihre strukturelle Schwäche ‒ „So ungeschickt ist er [Memórias Póstumas de Brás Cubas] gestrickt, mit solch regellosem Muster, das jeglichem Sinn für Symmetrie Hohn spricht, hier ein Faden, da ein nächster, dort wird der erste wieder aufgenommen oder auch nicht, zwei rechts, zwei links, einen fallen lassen. Am Ende droht das gute Stück gar völlig aus allen Nähten zu gehen.“ (Kaiser, o. S.) ‒, doch wird die Flüchtigkeit seines Erzählers mehrheitlich als ihre Stärke wahrgenommen und beispielsweise als „Stilisierung des Verhaltens der herrschenden Klasse Brasiliens“ (Moretti, S. 58) interpretiert. „Die Kritiker betrachten sie gewöhnlich unter dem Gesichtspunkt literarischer Technik oder des Humors des Autors“ (ebd.). Manfred Pfister bringt diese Schreibweise in Verbindung mit „stilistischen Innovationen“, die Assis’ Werk „aus dem Realismus des 19. Jahrhunderts herausheben, während es zugleich ein realistisches Abbild der brasilianischen Gesellschaft erzeugt.“ (Zit. n. Moretti, S. 58) Welche Beschaffenheit verhilft seinen Romanen dazu, die brasilianische Literatur aus einem verblassten und ermüdenden Lokalpatriotismus herauszuheben und in Richtung Moderne zu bewegen? Man müsste vielleicht hinzufügen: in der Wahrnehmung des Zentrums. In der Tat scheinen es Elemente zu sein, die das Zentrum in diesem an der Peripherie entstandenen Werk als eigene, vertraute identifizierte und entsprechend nobilitierte. Ob es in Assis’ Romanen beabsichtigte, kalkulierte und entsprechend verwendete Übernahmen aus der englischen und portugiesischen Literaturen sind, oder zufällige, individuelle ‚Würfe‘, ändert nichts an der Tatsache, dass sie einen andersartigen, innovativen, hybriden Charakter aufweisen, der auffällt und bei der Literaturkritik Anklang findet.

Um mit Morettis Begriffen zu operieren: Durch die Zusammenwirkung der einheimischen und fremden Elemente kommt es zu einem Kompromiss, der als ein individueller oder epochemachender Kunstgriff interpretiertwerden kann. Dieser Kunstgriff verleiht dem literarischen Text ein Alleinstellungsmerkmal und hebt ihn aus der Fülle anderer Texte hervor.

Im Prinzip ist es eine Eigenschaft, die bei jedem erfolgreichen Werk beobachtet werden kann: ein Unterscheidungsmerkmal, ein Alleinstellungsmerkmal. Moretti betonte eine Variante, die durch den Einfluss bzw. die Übernahme der Vorbilder aus dem Zentrum und ihre Einwirkung bzw. Interferenz auf das lokale Material entsteht. Somit verwies er auf die Beschaffenheit der Texte an der Peripherie, die das Potenzial haben, auf das Interesse im Zentrum zu stoßen. Man kann annehmen, dass gerade diese Beschaffenheit der Texte ihnen zur Auszeichnung mit literarischen Preisen, zur Übersetzung in andere Sprachen und zur weltweiten Distribution verhilft.

IV.

1989 prophezeite Salman Rushdie, dass die Literatur der Zukunft aus der Peripherie kommen wird. Bereits mit Blick auf die Neuerscheinungen der letzten 10–15 Jahren auf dem deutschen Buchmarkt kann man ihm Recht geben. Es sind nicht nur Autorinnen und Autoren mit Migrationsgeschichte, die häufig einen Sprachwechsel vollziehen, sondern auch Übersetzungen literarischer Werke, die an der Peripherie entstanden.

Trotz aller thematischen und stilistischen Unterschiede kann man ihnen eine Gemeinsamkeit bescheinigen: Sie haben die Schule der Postmoderne absolviert. Daher kann man behaupten, dass postmoderne Merkmale ein zentrales, wenn nicht ausschlaggebendes Kriterium eines an der Peripherie entstandenen literarisches Textes zu sein scheinen, um im Zentrum wahrgenommen und honoriert zu werden. Diese These möchte ich exemplarisch am Beispiel des Romans Taghaus, Nachthaus (Dom dzienny, dom nocny) von Olga Tokarczuk veranschaulichen.

Dieses 1998 erschienene Buch ist formell als Roman deklariert, tatsächlich ist es eine Sammlung lose miteinander verbundener Texte, Skizzen und Essays über Gegenwart und Vergangenheit in einem Dorf nahe der polnisch-tschechischen Grenze. Taghaus, Nachthaus war das erste Buch Tokarczuks, das ins Englische übersetzt worden ist. Dieser englischen Übersetzung verdankt sich auch ihre Rezeption in Deutschland.

Taghaus, Nachthaus gilt als postmoderne Literatur mit Hinwendung zum „magischen Realismus“. Unter postmoderner Literatur kann ein „grundsätzlicher Pluralismus von Sprachen, Modellen und Verfahrensweisen“ (Welsch, S. 10) verstanden werden, in dem Traditionen und Erzählweisen – sowohl die lineare Erzählstruktur wie auch die Zeitkontinuität und die eindeutige Erzählperspektive – aufgelöst bzw. erweitert werden. Tokarczuks Buch erfüllt diese Anforderungen für die formale Struktur des Textes mit Bravur. Die gattungsspezifische klassische Erzählweise des Romans wird aufgelöst. Auch die Erzählinstanz und die Erzählperspektive werden gebrochen und zwar sowohl innerhalb des Buches als auch innerhalb einer Erzählung. Die Erzählerin wechselt sprunghaft von auktorialer zu personaler Erzählperspektive oder wird durch Elemente erlebter Rede unterbrochen. Die Figuren des Romans präsentieren sich als inkohärent und unzuverlässig. Dadurch verweist die Autorin auf allgemeine Identitätskonflikte. Identität scheint nur in Form ständiger Neukonstruktion denk- und erfahrbar zu sein.

Die für Tokarczuks Buch aufgezählten postmodernen Elemente sind Anleihen bei westeuropäischen Romanen. Auch das Einflechten von Mythen, Legenden und Fabeln, das sich als Hinwendung zum magischen Realismus deuten lässt, wird mit Symbolen aus der Tiefenpsychologie Carl G. Jungs bereichert. Die Vielzahl postmoderner Merkmale in Tokarczuks Roman Taghaus, Nachthaus würde für die Wahrnehmung und Rezeption des Buches im Zentrum, die sich in der Übersetzung ins Englische und Deutsche niederschlägt, jedoch nicht genügen, denn postmoderne Verfahren sind in der polnischen Literatur durchaus verbreitet. Tokarczuk macht das, was Moretti beschrieben hat. Sie kombiniert postmoderne Schreibtechniken mit einheimischem Stoff: mit der Geschichte Mittel- bzw. Osteuropas.

Gewiss haben auch andere polnische Autorinnen und Autoren in ihren Werken über Mittel- und Osteuropa geschrieben und postmoderne Verfahren angewendet. Aber Tokarczuk hinterfragte den Konsens über die historische Vergangenheit dieser Region, und entwarf in ihren Werken – durchaus kontrovers – ein anderes Geschichtsbild. Und das war ihr Erfolgsrezept. Das war innovativ, ungewöhnlich, gewagt, aber auch wirksam: ein in der Peripherie entstandenes Buch wurde im Zentrum wahrgenommen und rezipiert. Dies gilt später auch für ihren 1200 Seiten starken Roman Die Jakobsbücher, für den sie den Nobelpreis (2018) erhielt. Im Interview mit Deutschlandfunk sagte die Autorin: „Der Erfolg beruht darauf, dass dieses Buch ein alternatives Geschichtsbild angeboten hat. Es hat eine bestimmte Leerstelle, ein Defizit in der Geschichtsschreibung in Polen gefüllt. So ein Buch gab es bisher noch nicht – ein Buch, das eine Alternative zu einem romantischen Geschichtsbild anbietet.“ (Scholl, o. S.)

An dieser Stelle könnte man mit Moretti ergänzen: Der einheimische Stoff soll eine Abweichung vom etablierten Geschichtsbild in der Peripherie darstellen. Das führt jedoch dazu, dass das erfolgreiche Buch im Zentrum ausgezeichnet und gefeiert wird, in der Peripherie aber – kontrovers, kritisch und sogar ablehnend rezipiert werden kann. Umgekehrt geht es auch: zu Hause gelesen und verehrt und im Zentrum selbst nach der Verleihung des Nobelpreises ignoriert und boykottiert. Gemeint ist Mo Yan, dem 2012 der Nobelpreis zuerkannt wurde. In China sorgte dies für Jubel, im Zentrum für Empörung. Dabei ging es nicht um literarische Qualitäten, sondern um die politische Haltung Mo Yans zum Regime in Peking, die vor allem Ai Weiwei ein Dorn im Auge ist.

Wenn man also davon ausgeht, dass im Zentrum Werke aus der Peripherie rezipiert werden, die in ihrer einheimischen Umgebung nicht die Mehrheitsmeinung der Gesellschaft vertreten, sondern eine Ausnahmeposition bzw. alternative Deutung bieten, so gilt zu fragen, wie repräsentativ das Bild ist, das diese Texte über die Peripherie ins Zentrum transportieren. Diese Frage scheint jedoch nicht relevant zu sein. Gefragt nach dem Hauptkriterium bei der Auswahl der Preisträger, sagte Bernd Scherer, der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt: „Im Zentrum des Auswahlprozesses steht die literarische Qualität.“

Das ist richtig, aber problematisch, weil diese „literarische Qualität“ ausgehend von literarischer Vorbildung, Tradition, Vorstellung und Erwartung etabliert wird. Und wenn ein in Farsi verfasster Roman keine postmodernen Merkmale aufweist, dann erfüllt er die hohen Standards der literarischen Qualität wohl nicht? Das Kriterium der literarischen Qualität kann also jene Werke der Peripherie ausschließen, die keine Auslandsschulden aufweisen, d.h. keine Anleihen der strukturellen, stilistischen oder formellen Kriterien, die im Zentrum typisch bzw. dominant sind. Provokativ könnte man fragen, inwieweit „literarische Qualität“ als Kriterium zur Homogenisierung bzw. Uniformierung der Literatur weltweit beiträgt. Ebenso müsste man aber auch fragen, welche anderen Kriterien als Alternative zur literarischen Qualität im Auswahlprozess denkbar wären. Originalität, Ästhetik, Thematik?

V.

Saramagos Satz „Die Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht“ muss auch im Hinblick auf Übersetzer präzisiert werden, und zwar: von Übersetzern, die selbst Schriftsteller sind oder von preisgekrönten Übersetzern. Diese Tendenz bestätigen auch die Übersetzungen von Tokarczuks Werken ins Deutsche. Sowohl Esther Kinski und die verstorbene Doreen Dame, die 2011 Tokarzcuks Der Gesang der Fledermäuse übersetzte, als auch Lothar Quinkenstein sind nicht nur Übersetzer, sondern auch selbst Schriftsteller und Dichter.

Vornehmlich die Übersetzung von Lyrik durch Dichterkollegen verleiht diesen Texten einen besonderen Nimbus: Man denke beispielsweise an Übersetzungen von Paul Celan und Hans Magnus Enzensberger. Durch Übersetzungen Erich Arendts sind der chilenische Lyriker Pablo Neruda, der Kubaner Nicolás Guillén sowie die Spanier Rafael Alberti und Miguel Hernández im deutschsprachigen Raum bekannt geworden. Dank der Übersetzung durch namhafte Dichterkollegen können junge, weniger bekannte Autoren oder Literaten von der Peripherie ins Zentrum literarischer Aufmerksamkeit gelangen. Wie beispielsweise der litauische Dichter Tomas Venclova. Der 1937 geborene Venclova lebt seit 1977 als Dissident im US-amerikanischen Exil, wo er den polnischen Dichter Czesław Miłosz und den russischen Joseph Brodsky übersetzte. Beide Literaturnobelpreisträger übersetzten einige Gedichte Venclovas ins Polnische und Russische. Brodsky widmete Venclova einige Gedichte. Milosz nannte das Zusammenwirken des Trios ein „poetisches Triumvirat“.

Bei diesem Beispiel denkt man unwillkürlich an Goethes Idee der Weltliteratur. Was Goethe mit dem Begriff der Weltliteratur gemeint haben könnte, kann man aus seinem Grußwort „Zu den Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte“ (1828) ableiten. Demnach meint eine allgemeine Weltliteratur

nicht, daß die verschiedenen Nationen von einander und ihren Erzeugnissen Kenntnis nehmen, denn in diesem Sinne existiert sie schon lange, setzt sich fort und erneuert sich mehr oder weniger; Nein! Hier ist vielmehr davon die Rede, daß die lebendigen und strebenden Literatoren einander kennen lernen und durch Neigung und Gemeinsinn sich veranlaßt finden, gesellschaftlich zu wirken. (Goethe, Bd. 12, S. 363)

Goethe geht es also um das Kennenlernen der Autoren untereinander, ihre gegenseitige Einwirkung und gemeinsame Wirkung. In der Forschung setzte sich die von Hendrik Birus formulierte These vom „Netzwerk literarischer Kommunikation“ durch.  

Einen Beitrag hierzu leistet die in den letzten Dezennien etablierte Tendenz der Tandem-Auszeichnung. Gemeint sind Preise, die gleichzeitig an den Autor und den Übersetzer verliehen werden. Die wichtigsten von ihnen im deutschsprachigen Raum sind:

Der internationale Albatros-Literaturpreis der Günter-Grass-Stiftung Bremen (seit 2006),

der Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt (wird seit 2009 zusammen mit der Stiftung Elementarteilechen verliehen),

Der Brücke Berlin Literatur- und Übersetzerpreis (wird seit 2002 an „ein bedeutendes zeitgenössisches Werk aus den Literaturen Mittel- und Osteuropas und seine herausragende Übersetzung ins Deutsche“ verliehen).

Im internationalen Kontext sei auf den International Booker Prize verwiesen, mit dem seit 2016 ein fremdsprachiges, ins Englische übersetztes und im Vereinigten Königreich veröffentlichtes Prosawerk geehrt wird.

Darüber hinaus wurde eine ganze Reihe von Preisen ins Leben gerufen, die an literarische Übersetzerinnen und Übersetzer für ihre herausragenden Leistungen verliehen werden. Damit wird die wachsende Bedeutung von literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer im Literaturbetrieb und die Relevanz der übersetzten Literatur unterstrichen. Gleichzeitig werden Preise zum Mittel der Hierarchisierung der Übersetzer und können die Rezeption des übersetzen Werkes beeinflussen.

VI.

Die anhand übersetzter Literatur angesprochenen Tendenzen weltliterarischer Zirkulationsprozesse hinterlassen den Eindruck von einem hierarchisierten und regulierten System, das nach Vereinheitlichung strebt. Um diesen Eindruck einzuordnen, müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden. Zunächst sei betont, dass Ähnliches bereits für die Literatur des 18. Jahrhunderts konstatiert wird.

Ob Goethe mit seiner Idee der Weltliteratur oder Moretti mit seiner Methode des Distant Reading: Trotz grundsätzlich unterschiedlicher Zugänge bescheinigen beide den Literaturen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Gleiche: Annäherungen und Ähnlichkeiten.

Franco Moretti untersuchte Romane, und zwar mit der Methode Distant reading. Goethe verglich serbische Volkslieder, auf die ihn Herder aufmerksam gemacht hatte, mit der französischen Lyrik seiner Zeit und wandte neben der klassischen philologischen Methode des Vergleichs mit Sicherheit auch Elemente an, die dann Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts als close reading popularisiert wurden.

Laut Moretti bezieht die Weltliteratur ab dem 18. Jahrhundert ihre Einheitlichkeit aus dem internationalen literarischen Markt; sie weist ein wachsendes und zuweilen verblüffendes Maß an Gleichförmigkeit auf, ihr hauptsächlicher Veränderungsmechanismus ist Konvergenz. (Moretti, S. 124). Goethe konstatiert Ähnlichkeiten zwischen serbischen Volksliedern und französischer Lyrik, die er als Zeichen dafür deutet, „daß es eine allgemeine Weltpoesie gebe und sich nach Umständen hervortue“ (Goethe, S. 327f.).

Die Übersetzung eines literarischen Textes trägt nolens volens zum Homogenisierungsprozess der Literatur bei. Seine hybride Beschaffenheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür. Selbst wenn sie erfüllt wird, gibt es keine Garantie, dass der Text zur Weltliteratur gehören wird. Er ist auf dem Weg dahin, aber ob er das Ziel erreicht, kommt auf die Definition der Weltliteratur an.

In knapp 200 Jahren, seit Goethe – zwar der Urheber der Idee der Weltliteratur, aber nicht der Erfinder des Begriffes – seine Beobachtungen und Gedanken zu Weltliteratur bei verschiedenen Gelegenheiten äußerte, aber an keiner Stelle systematisch entwickelte, erlebte „Weltliteratur“ verschiedene Konzeptualisierungen. Zu den dominanten unter ihnen gehören das qualitative, das quantitative und das intertextuelle Verständnis von Weltliteratur. Wir wissen heute viel über Weltliteratur, aber, ich zitiere Moretti, „wir wissen immer noch nicht, was Weltliteratur ist…“ (Moretti, S. 124).

Dieses Nicht-Wissen fördert die Neugierde und motiviert zu literarischen Ausflügen außerhalb des Zentrums. Die in der Peripherie gemachten Entdeckungen erscheinen in kleinen Verlagen. Der 2014 gegründete Guggolz Verlag fokussiert Werke von Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus Nord- und Osteuropa, die in Vergessenheit geraten sind, sowie Neuübersetzungen. Als Begründung gibt Guggolz an, dass „unter den politischen Bedingungen im 20. Jahrhundert […] dort sehr viel Interessantes untergegangen“ sei. Deshalb setzt sich der Verlag das Ziel,

Regionen auf der literarischen Landkarte sichtbar zu machen, die häufig nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Abseits der kulturellen Metropolen findet sich die Literatur, die sich nicht so sehr nach Moden oder dem Zeitgeist richten muss, sondern die näher am alltäglichen Leben der Menschen ist und den Raum und die Freiheit hat, sich in ihrer Eigenheit zu entwickeln.“ (Guggolz Verlag)

Bisher wurden Übersetzungen und Neuübersetzungen der Werke von Heðin BrúMichail PrischwinFrans Eemil SillanpääMaxim HarezkiAndor Endre GellériLewis Grassic GibbonAmalie SkramAnton Hansen TammsaareJiří MahenAntanas ŠkėmaHarry MartinsonPetre M. AndreevskiJohannes V. JensenIon Luca CaragialeTarjei Vesaas und William Heinesen veröffentlicht.

Die Andere Bibliothek, mitbegründet von Hans Magnus Enzensberger, wirbt mit Kanonlosigkeit: „Wir folgen dem ‚Kanon der Kanonlosigkeit‘, nur Originalität und Qualität sollen zählen.“

Der 2009 gegründete Secession Verlag für Literaturwählte Literatur internationaler zeitgenössischer Autoren, ergänzt durch Autoren vergangener Epochen als seinen Schwerpunkt.

Neben den Feinleser-Verlagen, die in Nebenströmungen fischen, sind Zirkulationsprozesse zwischen Peripherien von großer Bedeutung. Die gegenseitige Rezeption und Austauschprozesse zwischen den Literaturen an den Peripherien führen zur Herausbildung von sogenannten Clustern, die in der betreffenden Region Wirkung entfalten und Einfluss ausüben. Meistens sind es Nachbarländer, die ihre Literatur gegenseitig rezipieren und übersetzen.

Nach Deutschland steht an zweiter Stelle der weltweiten Übersetzungen finnischer Literatur Estland mit 910 übersetzten Werken, gefolgt von Schweden mit 888. (Vgl. DFG) Gerade Estland liefert ein Beispiel dafür, dass seine Orientierung an finnischer und schwedischer Literatur, verglichen mit den baltischen Nachbarstaaten Litauen und Lettland, zu einer anderen Entwicklung der estnischen Literatur geführt hat. Trotz des gleichen sowjetischen Erbes entschieden sich die drei baltischen Länder nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit für eine sehr unterschiedliche Kultur- und Sprach(en)politik. Während litauische Gegenwartsautorinnen und -autoren ins Englische übersetzt werden (etwa in der Online-Zeitschrift Vilnius Review), widmet sich in Lettland die Textgruppe „Orbita“ der Herausgabe der zweisprachigen russisch-lettischen Werkausgaben ihrer Gruppenmitglieder. Estland dagegen bleibt ihren nordischen Vorbildern – vornehmlich Finnland und Schweden – treu. So wird deutlich, wie unterschiedlich und vielfältig die Literaturen der Peripherie in einer Region sind.

VII.

Abschließen möchte ich diese Ausführungen mit der Erwähnung von Haruki Murakami, um auf eine Tendenz zu verweisen, die nach einem Streit um seine Übersetzungen ins Deutsche zumindest hierzulande keine Ausbreitung findet. Dem deutschsprachigen Leser wurden Murakamis Werke zunächst in Übersetzungen aus dem Japanischen zugänglich gemacht. Aus Kostengründen entschied man dann, aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche zu übersetzen. Bei der Besprechung des Romans Gefährliche Geliebte in der Sendung Das Literarische Quartett (2000) degradierte Sigrid Löffler das Buch zum literarischen „Fast Food, McDonald’s“ und warf dem Autor vor, keine Sprache zu besitzen, ein „sprachloses, kunstloses Gestammel“ (vgl. Literarisches Quartett) geschrieben zu haben. Nach diesem Eklat beschloss der Verlag trotz Kostenfaktor Murakami wieder direkt aus dem Japanischen übersetzen zu lassen. Seitdem übersetzt Ursula Gräfe die meisten Werke von Murakami ins Deutsche. 2019 erhielt sie gemeinsam mit Nora Bierich den Noma Award for Translation of Japanese Literature.

So viel Spielraum hat nicht jeder Verlag und nicht bei jeder Übersetzung. Aber der Leser hat meistens die Freiheit, zu entscheiden, was er liest. An dieser Stelle zitiere ich Haruki Murakami: „Liest man, was alle anderen auch lesen, kann man auch nur das denken, was alle anderen denken.“

Literatur:

Casanova, Pascale: The World Republic of Letters. Translated by M. B. DeBevoise. Harvard University Press, 2004.

DFG (Deutsch-Finnische Gesellschaft e.V.), Literatur – Statistik. In: https://www.dfg-ev.de/news/6149/literatur-statistik

Die andere Bibliothek: https://www.die-andere-bibliothek.de/Die-Andere-Bibliothek:_:50.html

Goethe, Johann Wolfgang von: Werke in 14 Bänden. Hg. v. Erich Trunz. Hamburger Ausgabe, 1999, Bd. 12.

Guggolz Verlag: http://www.guggolz-verlag.de/verlag

Kaiser, Gunnar: Brasiliens Beitrag zur literarischen Moderne. Joaquim Maria Machado de Assis‘ „Nachträgliche Memoiren des Bras Cubas“. In: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=6343.

Literarisches Quartett, Haruki Murakami: https://www.youtube.com/watch?v=4pwS5g0a8a

Moretti, Franco: Distant Reading. Aus dem Englischen übersetzt von Christine Pries. Konstanz University Press 2016.

Morita, Norimasa: Die Entstehung der dritten Weltliteratur. Anmerkungen zum Gegenwartsroman in Japan und der Welt von den 1990er Jahren bis heute. In: Gegenwartsliteratur – Weltliteratur. Historische und theoretische Perspektiven. Hg. v. Giulia Radaelli und Nike Thurn. Bielefeld 2019, S. 119–150.

Scholl, Joachim: Mutige Kämpferin für ein anderes Geschichtsbild. Die Autorin im Gespräch mit Joachim Scholl. In: https://www.deutschlandfunkkultur.de/nobelpreistraegerin-olga-tokarczuk-mutige-kaempferin-fuer.2156.de.html?dram:article_id=460729

Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. Berlin 1994.