Erstaunliche Vielfalt einer Schaffensperiode

Miguel Alfonso Torres Morales legt mit „La Maravilla de la Vida – Wunder des Lebens” eine sprachgewaltige Gedichtkollektion eines Reisenden zwischen zwei Welten vor

Von Stefanie SteibleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Steible

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwischen 1995 und 2001 verfasste der Peruaner Miguel Alfonso Torres Morales, der seit 2003 als Lehrer in Niedersachsen arbeitet, eine umfassende Gedichtsammlung. Wortwitz, Sprachgewalt, aber vor allem ein breites, jedoch demütig eingesetztes Wissen spiegeln sich in diesem Gesamtwerk wider. 

Dabei wären die Gedichte beinahe unwiderruflich zerstört gewesen, denn durch einen Bürobrand in seiner Heimat kamen alle drei auf den Computern gespeicherten Versionen abhanden. Nur durch das mühsame Zusammensammeln bereits an Freunde versendeter und verschenkter Gedichte war es dem lyrisch interessierten Philosophen möglich, diesen Band zu vollenden, dem in spanischer Sprache bereits eine Fortsetzung gefolgt ist. Eine dritte Ausgabe mit Sonetten befindet sich inzwischen schon in Planung.

Mit der vorgelegten Kollektion hat Torres Morales einen Spagat zwischen der spanischen und der deutschen Sprache gewagt. Es stieß bei den Übersetzungen häufig an Grenzen, die sich in den Unterschieden zwischen beiden Sprachen begründen. Der promovierte Lehrer fokussierte sich deswegen immer wieder auf die Kernaussagen mit dem Zweck, Zivilisation aufzusaugen.
Sein Leitmotiv bestimmt sich aus der Dankbarkeit für Tage, Stunden, Minuten und Sekunden, die er gemeinsam mit anderen Menschen verbringen konnte. Die Inhalte speisen sich aus diesen Erlebnissen und in jedem Gedicht werden Personen oder ein bestimmtes Thema aufgegriffen und verarbeitet. Auch wenn die Lyrik manchmal den moralischen Zeigefinger erhebt, so folgt der Inhalt im Wesentlichen dem sokratischen Gedanken des Unwissenden bzw. Lernenden.

Heute macht der Autor seine eigenen Erfahrungen als Vater, doch als Beispiel der Unvollkommenheit des männlichen Elternteils sei hier die Hommage „Für die guten und die schlechten Väter“ erwähnt: „Herr, der Mensch hat feierlich beschlossen, dass Unwissenheit nicht vor der harten Strafe schützen soll“ beginnt Torres Morales dieses Gedicht. Er spricht von mutwilligem Im-Stich-Lassen, Finsternis, Selbstmitleid, Groll, Lasern und zerstörten Liebesbanden, von Eifersucht und Zerstörung, um jedoch am Ende um Vergebung zu bitten.

Melancholie schwankt in diesen Zeilen mit, aber auch Realismus, genauso wie ein optimistischer Ton zu erkennen ist. Die Lyrik des Autors ist fordernd und anspruchsvoll, aber ihr wohnt eine besondere Poesie inne. Dem zweisprachigen Lesenden eröffnet sie zudem eine neue Welt, die die Kraft der Worte spielen lässt. Bei Menschen mit peruanischen oder lateinamerikanischen Wurzeln dürften die Gedichte einen ganz eigenen Zauber erzeugen, weil ihren Zeilen eine solche Stärke innewohnt, wie sie im Spanischen zum Ausdruck gebracht werden kann, auch wenn sie zuweilen beim ersten Lesen eher melancholisch wirken. Aber das dürfte auch die Intention des Autors gewesen sein, der vordergründig nach eigener Aussage das zum Zeitpunkt des Entstehens Gefühlte zum Ausdruck bringen wollte. 

Titelbild

Miguel Torres Morales: La Maravilla de la vida. Wunder des Lebens.
Gedichte Spanisch/Deutsch.
Königshausen & Neumann, Würzburg 2021.
408 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-13: 9783826073113

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