Die Gewissensnöte eines Redenschreibers
Sönke Wortmann schreibt in „Es gilt das gesprochene Wort“ über die große Politik und wie die Liebe darin Platz finden kann
Von Stefanie Steible
Der bekannte Regisseur Sönke Wortmann legt mit Es gilt das gesprochene Wort seinen Debütroman vor, der sich innerhalb der Welt der Diplomatie bewegt. Er erzählt von Cornelius von Schröder, einem einst vielversprechenden jungen Diplomaten. Doch ohne es selbst zu verstehen, ist er nach seinem Einstieg in den Dienst beruflich immer mehr aufs Abstellgleis geraten, und auch seine Ehe gerät im heißen Rabat, wo er seit einiger Zeit seinen Posten hat, mehr und mehr in die Krise.
So, wie die Idee zum Buch durch eine skurrile Situation während eines Friseurbesuchs des Autors in Prag entstand, finden sich in diesem unterhaltsamen und zugleich zeitweise schockierenden Roman immer wieder Szenen, bei denen die Lesenden zwischen Lachen und Weinen schwanken dürften. In vielen davon geht es dann doch nicht um die große Politik, sondern um Liebe und Geborgenheit, nach denen in diesem Buch gleich mehrere Figuren suchen. So träumt die Hauptfigur Schröder während eines Wüstentrips mit Kollegen davon, wie er „sich unsterblich in ein Kamel verliebt und das Kamel auch in ihn“. Die Umarmung des Kamels – immer noch in seinem Traum – macht ihn „fassungslos vor Glück“. Ein Glück, das er im echten Leben noch nie wirklich erlebt hat, wie sich später herausstellen wird.
In der Folge führt das dazu, dass Schröder sich radikalisiert. Durch einen überraschenden Besuch des deutschen Außenministers in Schröders ungeliebtem Marokko gerät er in eine Situation, die er nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Die ganze Gefahr daran nimmt schließlich eine junge Frau wahr, die zu Beginn des Romans nur als unscheinbare Randfigur erscheint, fast wieder aus dem Roman verschwindet und schließlich zur entscheidenden Figur wird.
Diese junge Frau heißt Maria, sie leidet an Mutismus und lernt im Verlauf der hier erzählten Geschichte nicht nur, in der Öffentlichkeit zu sprechen, sondern auch eine Reise zu buchen und schließlich ihren ersten Flug überhaupt anzutreten, der sie schließlich nach Rabat führt. Mit diesem parallelen Handlungsstrang vermag es der Autor, Sensibilität für eine Erkrankung zu wecken, die selten vorkommt und schwer zu verstehen ist, ganz ohne Anklage gegen die Umwelt zu erheben oder Mitleid zu erwecken. Denn dieses erheischen zu wollen, davon scheint Maria so weit entfernt wie von mehr als einzelnen Worten zu Beginn des Romans.
In Rabat will Maria ihren Freund Franz Josef Klenke treffen, der als Redenschreiber zu den engsten Vertrauten des deutschen Außenministers zählt. Wir erfahren nicht nur, wann und wo Klenke die Reden schreibt, woher er seine Ideen bezieht, wann er abschreibt und wie er zu den großen Themen unserer Zeit steht, sondern auch, wie er immer mehr in Gewissensnöte gerät und sich dabei fast von Maria abwendet, obwohl er eigentlich unsterblich in sie verliebt ist.
Auch in die Gedankenwelt des fiktiven Außenministers werden wir eingeweiht, in seine Zwänge, den Umgang mit seinem Team und seiner Familie sowie einige Feinheiten des diplomatischen Protokolls. Während sich die Situation zuspitzt, erfahren wir zudem viel Wissenswertes über die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation in Marokko und nehmen schließlich an einem Bankett teil, das eine andere Wendung nimmt, als es zunächst zu erwarten wäre. Selbst dem König dürfen die Lesenden in diesem bewegten Roman einen Kurzbesuch abstatten.
Die Kunst des Erzählers besteht hier darin, dass schwierige Themen von Wortmann mit großer Leichtigkeit erzählt werden, ohne dass sie jedoch banal oder gar einfältig wirken würden. Ein Roman, der einen kaum wieder loslässt und einige unerwartete Wendungen nimmt, gespickt mit vielen lebendigen Dialogen und einigen intimen Momenten.
Er macht nachdenklich, indem er Parallelen zum Oslo-Attentäter Anders Breivik zieht, und letztlich aufzeigt, dass durch eine Verkettung unglücklicher Umstände viele in eine Situation geraten könnten, die sie letztlich zum Täter werden lässt. Sönke Wortmann ist sein Debüt gelungen. Es gilt das gesprochene Wort macht Lust darauf, mehr von ihm zu lesen.
![]() | ||
|
||
![]() |