Zugetextet werden: That’s life!

Annähernd drei Dutzend Autorinnen und Autoren ehren den Passauer Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaftler Hans Krah zu seinem 60. Geburtstag

Von Günter HelmesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Günter Helmes

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Festschriften, so kann man gelegentlich hören, seien der Abtritt der Wissenschaft, jener Ort, an dem viele das unterbrächten, was sie anderenorts nicht losgeworden sind. Wenn es überhaupt eines gegenteiligen Beweises, einer Zurückweisung dieser unschönen und wohl eher fragwürdig motivierten Behauptung bedürfte, wäre der voluminöse und dabei erstaunlich wohlfeil angebotene, zudem nahezu fehlerfreie Sammelband, den WeggefährtInnen zu Ehren des Literatur- und Mediensemiotikers Hans Krah herausgegeben haben, ein ideales Beispiel.

Dieser Band nämlich hat nicht nur in methodischer, thematischer und fragender Hinsicht ein ungemein ausladendes Dach, unter dem alle Beiträge zusammen leicht Platz finden und ein faszinierend vielfältiges, ebenso wohl strukturiertes wie weitläufiges Gebäude bilden – nahezu alle, wenn nicht sogar alle BeiträgerInnen nehmen darüber hinaus aus guten sachlichen Gründen explizit auf Schriften von Hans Krah Bezug. Dieses Gebäude – zur „Raummetaphorik des Strukturalismus“ und deren „Rolle“ für „Konzepte von Literatur, Text und Sprache“ vergleiche den auch vielversprechende Forschungsperspektiven eröffnenden Beitrag von Vera Bachmann aus dem ersten Kapitel des Bandes „Grundlagenreflexionen“ – zeichnet sich darüber hinaus insbesondere dadurch aus, dass es keinen Raum, keinen Ort enthält, den aufzusuchen so gar nicht lohnen würde. Und er regt dazu an, weiter ausgebaut zu werden und damit zwar schon überdachten, doch noch leeren Raum weiter zu gestalten. Kann man mehr erwarten?

Gewiss, in diesem Gebäude gibt es Säle, größere und kleinere Räume und auch unterschiedlich dimensionierte Flure (keine Facilities hingegen!). Doch beeindruckt unterm Strich trotz der einen oder anderen handwerklichen, stellenweise an Unfertigkeit schrammenden Flüchtigkeit, trotz stellenweise ausbleibendem Bedenkens eigener Zuschreibungs- und Urteilsvoraussetzungen und gelegentlicher terminologischer Überfrachtung allenthalben ein einschlägiges, teils hohes theoretisches und analytisches und dank profunder Sachkenntnis fließend ‚durchbuchstabiertes‘ Niveau.

Von daher gelingt es dem Band anhand der Auseinandersetzung mit sehr unterschiedlichen Gegenständen aus Gegenwart und teils ferner Vergangenheit vorzüglich, die Leistungsfähigkeit „textanalytisch fundierte[r] Modellanalysen strukturierter Medialitäten in unterschiedlichen Formaten und Korpora“ unter Beweis zu stellen und damit diejenige einer „im weiten Sinne anwendungsorientierte[n] Mediensemiotik“ (Einleitung) zu demonstrieren. Ein oder zwei Sätze zu deren Grenzen dann bspw., wenn es um politische Texte, deren Rhetorik und deren Kontexte geht, hätten allerdings wohl keine Irritation in der Fachwelt ausgelöst.

Die inklusive der vorangestellten Einleitung der HerausgeberInnen 36 Beiträge des Bandes sind den sieben Kapiteln Grundlagenreflexionen, Literatur und ihre Repräsentationen, Kinder- und Jugendmedien (KJM), Filme, Serien, Rekonstruktionen von Diskursen und Materialität zugeordnet – weitere Kapitel bzw. Forschungsschwerpunkte wie Design, Fernsehprogramm, Internet oder Hörmedien ließen sich angesichts der immer schon gegebenen Textualität der Welt als von Menschen gestaltetem Interaktionsraum leicht denken, konnten hier aber nachvollziehbarer Weise nicht realisiert werden. Dabei hätte ein durchaus nicht zu Unrecht Kinder- und Jugendmedien zugeschlagener, sich in mehrfacher Hinsicht auszeichnender Beitrag wie derjenige von Andrea Sieber über die „Rezeption des Artus-Mythos im Kinder- und Jugendfilm“ – „[d]er Artus-Mythos wird jeweils zum symbolischen Medium einer individuellen oder kollektiven Initiation“ – auch mit guten Gründen der Kategorie Filme zugeordnet werden können. Ob angesichts der immer noch anzutreffenden Minderbewertung von Kinder-und Jugendliterartur bzw. -medien und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dieser eine solche Zuordnung nicht auch Einfluss auf die Wahrnehmung und Wertschätzung des Beitrags seitens der Fachöffentlichkeit nehmen würde bzw. wird? Auch hier spielen also Struktur und Strukturierung sowie Kategorisierung, in diesem Falle diejenigen eines Exemplars des Mediums „Sammelband“, vermutlich eine nicht unbeträchtliche Rolle.

Anzumerken ist an dieser Stelle weiterhin, dass der Sammelband erfreulicherweise faktisch mehr liefert, als sein Untertitel verspricht, geht es doch auch um Alltags- und Wirtschaftskulturen. Das belegen die Beiträge über das Brettspiel Twilight Struggle (Gerald Sieber), „[t]extile Strukturen bei Rick Owens, Jean-Michel Frank und Vaclav Nijinsky“ (Jörg Wiesel), den „kulinarische[n] Code“ (Helene Karmasin) und die Rolle „narratologisch geprägte[r] Werkzeuge“ bei der „Produktentwicklung“ (Matthias Herz).

G. Sieber streicht das „kulturvermittelnde Potential von Spielen“ heraus, zeigt aber auch, wie „historisches Wissen von seiner Historizität entkoppelt wird“ und es zu „Geschichtsverzerrung[en]“ kommt. Wiesels eher streiflichtartiger und von daher nicht immer fokussiert wirkender Beitrag gilt insbesondere den „Ökonomien der Bekleidungs-, Textil- und Modeindustrie“ bzw. der „Ökonomie des Ästhetischen“. Karmasin liefert am Beispiel der „sogenannten neuen Bäckereien“ – wenn die keinen Anlass zu einer ja aktuellen Diskussion über behauptete westliche Dekadenz geben, was dann! – viele Einsichten in die „Kommunikation mit Speisen“, verfährt aber hinsichtlich von Kategorien und konnotativen Zuordnungen zuweilen eher grob, was im Einzelfall („Backen“/„Bäckerei“) Widersprüche nach sich zieht. Die vom „Paradigma des Human Centered Design“ bestimmte, einem „produktiven Pragmatismus“ folgende „Produktentwicklung im Digital- und Technologiesektor“ ist das Thema von Herz. Der präzis-konzentrierte Beitrag zeigt, dass es „in mehreren Bereichen Schnittstellen mit dem Werkzeugkasten der Mediensemiotik“ gibt.

Das erste Kapitel Grundlagenreflexionen wartet neben dem bereits erwähnten Beitrag von V. Bachmann (s.o.) mit fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Überlegungen Karl N. Renners zum „Erzählen als kommunikative[m] Handeln“, Anita Schilchers zum Beitrag „semiotische[r] Literarturwissenschaft“ für „das literarische Lernen in der Schule“, Gustav Franks zu einer „Medienästhetik der Druckordnungen und Weltzugriffshaltungen“ und Andreas Blödorns zu John Cages Vortrag über nichts auf. Fachwissenschaftlich beeindrucken vor allem der Beitrag von Gustav Frank – „alle[] Aspekte der Zeitschriften-Artefakte“ und die „Modellierung aller Prozesse des Feldes der Zeitschriften sowie ihrer Printmedienumgebung“ sollen skizziert werden – und derjenige von Andreas Blödorn – Cages Vortrag enthalte „eine musikalische ‹Poetik› in nuce – und bildet sie zugleich textuell ab.“

Schilchers luzider, vehement für Multidisziplinarität und für die Integration „etablierte[r] Methoden empirischer Bildungsforschung“ in die Deutschdidaktik eintretender Beitrag argumentiert dahingehend, dass eine „semiotisch orientierte Literaturwissenschaft […] ideale Anknüpfungspunkte sowohl für eine zeitgemäße Lehrkräfteausbildung wie auch für einen zeitgemäßen Literaturunterricht bietet.“ Dies konkret zu belegen, unternimmt im zweiten Kapitel des Bandes Markus Pissarek. Mit einigem, auch Schilcher eigenem selbstbewussten Optimismus illustriert er anhand von Arthur Schnitzlers Traumnovelle, „dass auch [kanonisierte] Texte […] für den schulischen Literaturunterricht fruchtbar“ gemacht werden können (müssen sie das aber überhaupt, fragt man sich angesichts einer Fülle ausgezeichneter Kinder- und Jugendliteratur). Voraussetzung dafür scheint allerdings der „systematische[] Aufbau literatursemiotischer Kompetenz“ ab dem Vorschulalter zu sein.

Das zweite, umfangreichste Kapitel Literatur und ihre Repräsentationen überzeugt nicht zuletzt durch seine Spannweite. Sie reicht von einem scharfsinnigen Beitrag Theodor Noltes über „zwei inkriminierte[] Thesen Meister Eckharts über die Sünde“ bis zu reflexionsstarken Ausführungen von Romina Seefried über „Körper- und Raumkonzeption in der Graphic Novel Im Westen nichts Neues“ – die sei „ein Metatext über die kulturelle Wahrnehmung des Ersten Weltkriegs.“ Dazwischen geht es um mancherlei: Auf Jürgen Kamms Beschäftigung mit der „infernalische[n] Ontologie“ in Christopher Marlowes Doctor Faustus „und deren kulturelles Nachleben“, die in Marlowes Faust einen „postmoderne[n] Zeitgenosse[n]“ sehen will, sowie Klaus Kanzogs auch auf grundsätzliche Rezeptionsmodi und Forschungsdesiderate hinweisenden Beitrag zur Rezeption von E.T.A. Hoffmanns Nussknacker und Mausekönig durch Peter Tschaikowsky folgt Rüdiger Harnischs anregend einsichtsvoller, auf Walter Ehrenstein aufbauender und mit einer ‚steilen These‘ zu Stifters Sanftem Gesetz aufwartender „Versuch über ‹Figur und Grund›“ als „ubiquitär[]“ präsentem „Darstellungsprinzip in Adalbert Stifters Prosa“. Es schließen sich Beiträge von Marianne Wünsch über Nietzsches Der Freigeist, Michael Titzmann über Ernst Weiß‘ Die Galeere und des Mitherausgebers Jan-Oliver Decker zur „Semantik des ‹Totentanzes› in zwei Dramen von Hofmannsthal und Jahnn“ an.

Bei Wünsch beeindruckt gelegentlicher gewagter Spekulation und Analogiebildung zum Trotz die Intensität und Präzision der Arbeit am Text. Nietzsches Gedicht lehne (lediglich) das „bürgerliche Wertesystem“ ab und entscheide sich für „die Kälte der Erkenntnis“. Titzmanns letzter Aufsatz arbeitet insbesondere die konstitutive, folgenschwere Rolle naturwissenschaftlichen Wissens für Figurenanlagen und -beziehungen sowie Konzepte von Liebe und Erotik heraus. Deckers gediegene, u.a. auch Ödön von Horváths Glaube Liebe Hoffnung und Fritz Langs Der müde Tod streifende Auseinandersetzung mit Hofmannsthals Tor und Tod und Jahnns „Metatext“ Neuer Lübecker Totentanz zeigt, wie der Totentanz in der „Frühen Moderne“ zum „Deutungsmuster neuer Konzeptionen von Leben avanciert.“

Im dritten Kapitel Kinder- und Jugendmedien sind neben dem Beitrag von A. Sieber (s.o.) Beiträge von Karla Müller über „Richard Wagners «Der Ring des Nibelungen» für Kinder“, Ulrike Krieg-Holz über Wolfgang Herrndorfs Tschick und Ingold Zeisberger über Rolf Lapperts Pampa Blues versammelt. Müller begegnet mit ihrem Beitrag einem überraschenden, gegenstandsbezogenen Forschungsdesiderat und liefert anhand diverser Beispiele eine überzeugende „Klassifikation von Annäherungsstrategien.“ Auch Krieg-Holz verfährt – methodisch – innovativ, indem sie sich am Beispiel von Tschick dem Skatologischen aus „linguistisch-stilistischer Perspektive nähert“ und nach der Bedeutung von „skatologische[n] Elementen“ (und deren Häufigkeit) für „die stilistische Gestaltung von Texten“ fragt. Eine solche Innovationskraft wird man Ingold Zeisbergers Beitrag kaum zuschreiben können. Der macht zwar plausibel, dass Pampa Blues „sich in Wahrheit als Geschichte der Absenz eigentlicher Adoleszenz“ herausstellt, weist aber eine ganze Reihe von Wiederholungen auf.

Mit „Till Schweiger total“, einem informativen Beitrag, den das „Gesamtsystem“, das Konstrukt „Schweiger“ als eine „werk- und medienübergreifende Marke“ interessiert, eröffnet Eckhard Pabst das vierte Kapitel Filme. Matthias C. Hänselmann beschäftigt sich anschließend am Beispiel des als „‹paläofaschistisch› klassifizierbaren“, „agitatorisch auf Wirkung“ bedachten Zack Snyder-Films 300 mit „‹Fremdheit› im Film“ und belegt eindrucksvoll, dass der Film für eine „nationalistisch-martialisch-paternalistische Gesellschaftsordnung“ eintritt. Nicht minder eindrucksvoll kann dann der Mitherausgeber Martin Nies in Sofia Coppolas The Virgin Suicides – „ein postmodernes Spiel anhand mehrfach kodierter und damit eigentlich überdeterminierter Zeichen“ – eine „Imitatio serapiontischen Erzählens“ nachweisen und das „‹Geheimnis› in postmodernen Initiationsgeschichten“ ‚lüften‘ bzw. reflektieren. Daran schließt die brillante Auseinandersetzung der Mitherausgeberin Stefanie Großmann mit dem isländischen Film Gegen den Strom von Benedikt Erlingsson an. Filmmusik werde hier im Unterschied zum „extra-, intra- und ambidiegetischen Einsatz“ „metaleptisch“ eingesetzt, sei sie doch „simultan sowohl als intra- als auch als extradiegetisch“ interpretierbar. Das Kapitel endet mit Petra Grimms durchdachtem Beitrag über „Privatheit in Zeiten der Pandemie“, der sich mit „Narrative[n] der Privatheit“ in „fiktionalen Kurzfilmen und Miniserien“ aus dem Frühjahr 2020 beschäftigt. Auszumachen sei ein „deutlicher Gendereffekt“, der sich in den Narrativen „männliche[] Identitätskrise“ und „weibliche[] Beziehungskrise“ niederschlage.

„Privatheit“, genauer, „eine große Bandbreite von möglichen Privatheitsüberschreitungen in der Familie“ ist auch das Thema des Beitrags von Daniela Wawra aus dem fünften Kapitel Serien. Der setzt sich differenziert mit der „Dokumentation und […] Komödie verschmelzen[den]“ US-amerikanischen Serie Modern Family und hier mit der 14. Folge der 5. Staffel iSpy auseinander. Eröffnet wird das Kapitel aber mit dem fernsehgeschichtlich einschlägigen, in die 1970er Jahre entführenden Beitrag über die „reale Wirklichkeit und Gegenwart“ ausblendenden ZDF-Serien Der Bastian und Drei sind einer zuviel des Mitherausgebers Dennis Gräf. Eine „oberflächliche[] ästhetische[] Öffnung“ gehe hier „tiefenstrukturell“ mit „Weltmodelle[n] einher, so eine der vorzüglich herausgearbeiteten Thesen, die „stets eine Homogenisierung des [traditionellen bürgerlichen] Wertesets betreiben.“ Für die „(pop-)kulturelle Bildung“ vermittelnde US-amerikanische Serie Gilmore Girls betont Alev Inan nachfolgend ein inszenatorisch bestechendes „Feuerwerk an Referenzialität“. Dabei übernähmen die Referenzen die Aufgabe, Figuren und Beziehungen zu charakterisieren und mediale Selbstreflexionen zu ermöglichen. Karsten Fitz diskutiert souverän den „gesamten Entwicklungsbogen“ der „Ethnizitäts-, Klassen-, Geschlechter- und Sexualitätsdiskurse“ in der sehr erfolgreichen, postapokalyptischen US-amerikanischen TV-Serie The Walking Dead. „Ethnische Unterschiede“ und damit verbundene „politische und gesellschaftliche Trennlinien“ spielten hier zusehends allenfalls noch – im Unterschied zur heutigen USA und deren „andauernde[m] strukturelle[m] Rassismus“ – eine untergeordnete Rolle. Gründliche Überlegungen von Steffen Burk zur US-amerikanischen Fernsehserie Fargo beschließen das Kapitel. Eine „Vielzahl an Fiktionalitätssignalen“ – „Paratexte“, „Zitate und intertextuelle Referenzen“ sowie „metafiktionale Textelemente“ – belegten, dass es der Serie um die „Problematisierung d[er] kategorialen Differenz von ‹Wahrheit› und ‹Fiktion›“ gehe.

Von den drei Beiträgen des sechsten Kapitels Rekonstruktionen von Diskursen sticht der brillante, in seinem Ansatz und seinen Ergebnissen wegweisende Beitrag von Miriam Frank über „[m]ediale NS-Spurensuche“ anhand des auf vier Tagebüchern basierenden Tom Ockers-Dokumentarfilms Vater, Mutter, Hitler hervor. Hier sei zwar das „Pathos des Primären […] vom Zeugen auf das Zeugnis“ übergegangen, der seit eh und je hoch problematische „fernsehmediale Umgang mit der Vergangenheit“ weise allerdings „wenig Veränderungen auf.“ Die beiden Beiträge von Michael Müller über „Verschwörungserzählungen und rechtspopulistische Narrative“ und Martin Hennig über „Verfahren der Analyse ‹Fake News› und hermetischer Weltmodelle“ haben u.a. dies gemeinsam, Anlass zu einer ganzen Reihe kritischer Nachfragen bspw. hinsichtlich der Adressierung bestimmter Haltungen („Externalisierung aller Verantwortlichkeit“) und des Erkenntnisgewinns zu geben; darüber hinaus beschäftigen sich beide mit der Zeitschrift Tichys Einblick als Beispiel. Müller stellt zwar bezüglich gewisser „Strukturelemente“ „Ähnlichkeiten“ zwischen „rechtspopulistische[n] Narrative[n] und Verschwörungs-Erzählungen“ fest, hebt aber zugleich hervor, dass diese „Strukturelemente“ nicht „notwendig auf ein populistisches oder Verschwörungs-Narrativ schließen“ lassen. Hennig strebt an, „generelle mediale Inszenierungsstrategien von tatsächlichen Desinformationspraktiken unterscheidbar zu machen.“ Es fragt sich allerdings, ob die herausgearbeiteten „Filterblasen- und Echokammerqualitäten“ nur auf Tichys Einblick u.Ä. zutreffen. Anders formuliert: Beide Beiträge hätten vermutlich dadurch gewonnen, wenn sie komparatistisch verfahren wären und Beispiele als (links-)liberal geltender Presse oder auch die Berichterstattung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Kanäle mit in Betracht gezogen hätten.

Bei der vorgelegten Festschrift handelt es sich aufs Ganze gesehen um ein exzellentes Fachbuch. Wünschenswert wäre allerdings ein AutorInnenverzeichnis, wünschenswerter noch ein Personen- und Sachverzeichnis gewesen. Letztere hätten es ermöglicht, den Band noch einmal in ganz anderer, funktionalerer Weise zu ‚betreten‘, als das so zumindest bei einer ersten Lektüre möglich ist: Als fertiges Gebäude nicht nur, sondern als Bauhof, der Vieles von dem an Material bereitstellt, das zum eigenen Bauvorhaben benötigt wird.

Titelbild

Jan-Oliver Decker / Dennis Gräf / Stephanie Großmann / Martin Nies (Hg.): Mediale Strukturen – strukturierte Medialität. Konzeptionen, Semantiken und Funktionen medialer Weltentwürfe in Literatur, Film und anderen Künsten.
Ludwig Verlag, München 2021.
539 Seiten, 48,80 EUR.
ISBN-13: 9783869354187

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