Lieber Onkel – böser Onkel

Der Historiker Bodo V. Hechelhammer spürt in „Fürst der Füchse“ den doppelten Boden des Fix-und-Foxi-Erfinders Rolf Kauka auf

Von Stephan WoltingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Wolting

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Du bist mit ihm im Theater gewesen,
ich habe dir nur aus Fix und Foxi vorgelesen.“

(Die Ärzte, Zu spät…)

Wer in der Bundesrepublik Deutschland in den 70er und 80er Jahren aufwuchs, wurde mit Fix und Foxi groß, einem Comic-Magazin, das mit Unterbrechung von 1973–2010 (bis 1994 erschienen die Hefte regelmäßig) erschien und neben Walt Disneys Micky Maus etc. bei Generationen von Leserinnen und Lesern enorme Popularität genoss, in einer Zeit als Comics in ihrer Heftchenform optisch und im übertragenen Sinne noch als „Schmuddelkunst“ galten. Wenngleich nicht explizit dokumentiert, gehören die beiden Füchse dennoch zum Kulturellen Gedächtnis der alten Bundesrepublik Deutschland und hätten eigentlich in die deutschen Erinnerungsorte aufgenommen werden müssen, zumal sie mit der Redensart „ich bin Fix und Foxi“ sogar Aufnahme in den Duden fanden.

Dass es nicht dazu gekommen ist, hat auch mit der kontroversen Figur ihres Schöpfers zu tun, des 1917 in Markranstädt in Sachsen geborenen, zeitweiligen Wahlmünchners und 2000 in Thomasville/Georgia gestorbenen Comicproduzenten und -verlegers Rolf Kauka. Mit Geburts- und Sterbeort sind schon wichtige Facetten seines Schaffens benannt: aus der sächsischen Kleinstadt bis nach Amerika, dessen kulturellen Einfluss er lange Jahre bekämpfte und schließlich doch 1987 amerikanischer Staatsbürger wurde, „mit großem Heimweh“ nach Europa und Deutschland.

Dem Vater der beiden Füchse, dem Fürst der Füchse, wird nun in einer Biografie des in Darmstadt geborenen und von 2010 bis 2021 in Diensten des BND stehenden Historikers Bodo V. Hechelhammer auf der Basis von Dokumenten, Gesprächen mit Zeitzeugen und der selbst begonnenen Autobiografie Rolf Kaukas gedacht. Dabei wird die ganze Widersprüchlichkeit des Menschen, Zeichners und Geschäftsmanns Rolf Kaukas in den Fokus genommen: sein Kampf gegen die Comics französisch-belgischer und angelsächsischer, vor allem amerikanischer Provenienz, seine immer wieder neu erfundene Biographie, seine Begeisterung für den Dienst als Wehrmachtsoffizier im Zweiten Weltkrieg verbunden mit zahlreichen Ehrungen, die Passion für die Jagd und das Reiten, die Sympathien für den NS-Staat, seine Kreativität und unglaubliche Begabung zum Zeichnen, seine Geschäftstüchtigkeit, vieles von  dem, was so gar nicht in das von ihm so gepflegten Bilds des netten Onkel Rolf passt. Wenn es irgendeine Referenz auf die Wirklichkeit des berühmten Zitats aus Max Frischs Roman Mein Name sei Gantenbein geben sollte, wonach sich jeder irgendwann eine Geschichte erfindet, die er für sein Leben hält, dann scheint diese Verbindung im Falle Rolf Kaukas besonders angebracht zu sein.

Nicht zuletzt zeigt sich die Kontroverse um seine Person auch darin, dass sich einige seiner nächsten Verwandten weigerten, mit dem Autor in Zusammenhang mit dem Buchprojekt zu sprechen, wie die zweite Ehefrau Kaukas und deren gemeinsame Tochter Gisela. Zu zwei seiner Töchter brach Kauka den Kontakt ab. Wiederum überraschend schreibt die vierte und letzte Frau Kaukas Alexandra Kauka im Vor- bzw. Geleitwort zum Werk: 

Es muss schwer gewesen sein, diese vielschichtige Biografie einfühlsam zu erzählen, zumal man sich nicht persönlich kannte. Dennoch kam der Autor der Person Rolf Kauka überraschend nahe – und ich glaube gegen Ende fing er an, Rolf Kauka zu verstehen. Ich brauchte dafür 25 aufregende atemlose Jahre – und manchmal war ich fix & foxi.

Rolf Kauka galt als der „bayerische oder der deutsche Walt Disney (und seine Kultur-Füchse)“, so der Name einer Ausstellung in der Ludwig Galerie im Schloss Oberhausen vom 21. Juni 2018 bis 9. September 2018. Kauka selbst war mit dieser Zuschreibung nicht glücklich:

Ich schätze Walt Disney als Freund der Kinder und einfallsreichen Zeichner sehr: Trotzdem nehme ich für mich in Anspruch, aus anderer Erzählertradition zu kommen und an andere Entwicklungsstufen der Grafik anzuschließen. Meine Bildergeschichten sind eher gegen als nach dem Vorbild amerikanischer Comicstrips entstanden. Amerikanische Strips sind mir etwas zu grotesk. Sie liefern ein fertig gebackenes Ergebnis und dämmen damit die Fantasie der Kinder ein. Meine Geschichten sind so, dass man sie auch nach dem Schlussbild noch ins Unendliche fortspinnen kann.

Mag diese eigene Einschätzung Kaukas stimmen oder nicht, er selbst jedenfalls verstand sich mehr in der deutschen Humortradition eines Wilhelm Buschs. 

Aber im Gegensatz zum Erfinder von Micky Maus und Donald Duck, 

der heute noch zu den bekanntesten Amerikanern zählt, ist Rolf Kauka in Vergessenheit geraten. Weder Schulen öffentliche Plätze oder Straßen sind nach ihm benannt symptomatisch wurde im Mai 2007 in Kaukas früherer Bayerischer Heimatgemeinde Grünwald sogar einen Antrag auf Straßenbenennung abgelehnt […] allein ein Kindergarten nennt sich dort Fix und Foxi.

Sich der Person Rolf Kaukas zu nähern, schien deshalb auf eine gewisse Weise nicht sehr einfach, denn über sein Leben war vor dieser Biografie nicht viel bekannt bzw. er selbst verfälschte es ständig oder „verschönte“ seinen Werdegang, indem er, der nicht mal die Mittelschule beendet hatte und eine Ausbildung als Apothekengehilfe machte, bei der er die Schaufenster mit ersten Zeichnungen dekorierte, später viele seiner Verträge mit „Dr. Rolf Kauka“ unterschrieb. Insbesondere über seine Zeit im Dritten Reich und während des Zweiten Weltkriegs war zudem vorher kaum etwas bekannt.

In Hinsicht auf seine berufliche Karriere als Zeichnungsproduzent knüpfte er zunächst wie schon angedeutet mit seinen Figuren an die deutsche Literaturgeschichte bzw. Sagenwelt an, etwa an Figuren wie Till Eulenspiegel (in der 5. Ausgabe von Till Eulenspiegel tauchten Fix und Foxi als Zitate von Goethes Reinecke Fuchs als dessen Widersacher auf, womit der Erfolg Kaukas begann) oder Münchhausen. Im Verhältnis zu seinem amerikanischen Antipoden galt Fix und Foxi als „Bildergeschichte“ als eher bieder, konservativ, zum Teil auch reaktionär. Außerdem wurden Kauka von Anfang an Plagiatsvorwürfe gemacht, die er gewohnt „geistreich“ und elegant konterte: „Aber das liegt daran, dass ich kaum Disney-Geschichten gelesen habe. Man nimmt so leicht Ideen auf und verwendet sie später selbst, und davon wollte ich mich freimachen.“

Interessanter Weise wurden seine Haupthelden zwar von ihm konzipiert, aber gezeichnet von anderen wie dem niederländischen Zeichner Dorul van der Heide oder später von begabten Zeichnern aus dem ehemaligen Jugoslawien wie die nach Jugoslawien ausgewanderten deutschstämmigen Zeichner Norbert und Walter Neugebauer oder Vlado Magdić, deren Qualität er auf Reisen selbst erkannt hatte und die er in seinem „Schlösschen“ in München-Grünwald wohnen ließ. Es handelte sich um ein Arbeitsverhälrnis, von dem zunächst alle profitierten: Wenn Kauka Von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überzeugt war, konnte er sehr großzügig sein. 

Was aber schwerer wiegte, waren seine nationalistischen oder anti-semitischen Tendenzen, die sich mitunter auch in seinen Comics niederschlugen, etwa in der Herausgabe der Landser-Romane. Aber paradoxer Weise macht sich diese Art von Nationalismus und Antisemitismus gerade an der Vermarktung der französisch-belgischen Comics fest, als er die Rechte am belgischen Dupui-Verlag mit Comics wie Lucky Luke, Spirou et Fantasio oder Les Schtroumpfs erwarb und vom Pariser Dargaud-Verlag die Lizenz an Asterix akquirierte und das Recht zur „freien textlichen Bearbeitung“ erhielt. Zum einen trug Kauka damit sicherlich zur Popularität des franko-belgischen Comics in Deutschland bei. Zum anderen aber, und das wog weitaus schwerer, erfuhren diese Figuren dieser Comics mit ihrem ursprünglich subtilen, subversiven Humor eine Verwandlung in grobe, rechtsradikale und nationalistische Haltungen, die so weit gingen, dass sich schließlich selbst der bayerische Verfassungsschutz dafür interessierte:

In Kaukas deutscher Fassung wurden die französischen Helden Asterix zu Siggi und Obelix zu Barbaras, dessen getragener Hinkelstein gewagt revanchistisch interpretiert wird denn wie andere einen Schuldkomplex so schleppt er stets einen riesigen Findling mit sich herum […] Eindeutig antisemitisch war, dass der gute Deutsche Siggi auch noch einen jiddisch sprechenden Händler namens Schieberius bekämpfen musste.

Fast erübrigt es sich zu sagen, wie erbost Goscinny und Uderzo über die Verwandlung ihrer Helden und Geschichten waren und einen Prozess gegen Kauka anstrengten, den sie gewannen. Goscinny, aus dessen Familie viele den Holocaust nicht überlebt hatten, nannte Kauka einen „waschechten Neo-Nazi“. In der literarisch-satirischen Zeitschrift Pardon, die von 1962 bis 1982 erschien, nannte der Satiriker Peter Sulzbach die von Kauka damals neu gegründete Zeitschrift Lupo ein „rechtsradikales Kindermagazin“.

Diese subversiv rechtsnationale Unterwanderung war eins der Hauptmerkmale von Kaukas agitatorischem Schaffen (er verstand sich als „Erzieher“), fast ebenso bedeutend wie die Umdeutung seiner Lebensgeschichte, die in einer Werbegeschichte aus dem Jahre 1964 über die zehn Jahre zuvor in  München gegründete PR-Agentur ringpress besonders evident wurde: 

Eine erstaunliche Karriere: Rolf Kauka ist heute Europas beliebtester Jugendautor – über 6000000 Jugendliche lesen wöchentlich seine lustigen Bildergeschichten – Auch Amerika hat er bereits erobert! Draußen vor den Toren Münchens, in Grünwald im Isartal, liegt wirklich so etwas wie ein verwunschenes Märchenschloss im Abseits. Aber den Besuchern ist, als wehe immer Kinderlachen um dieses stille Haus, denn hier lebt und arbeitet Rolf Kauka, dessen Fix&Foxi-Hefte allwöchentlich in acht Sprachen in die Welt hinaus gehen und rund sechs Millionen junge Menschen begeistern. Der Weg zu diesem großartigen Erfolg war lang. Er begann, so meint Rolf Kauka gutgelaunt, eigentlich schon vor tausend Jahren, als seine Vorfahren in Finnland als Kalewala-Sänger von Einöde zu Einöde zogen, um den Bauern von den Geschehnissen draußen in der Welt zu berichten. Das Weitergehen alter Volkssagen, von Liedern und lustigen Begebenheiten, vererbte sich vom Vater auf den Sohn – viele Generationen hindurch – bis zu Rolf Kaukas Urgroßvater. Dem war es im hohen Norden zu kalt. Aber schon in Polen lernte er ein schönes Mädchen kennen und aus war´s mit der Weltreise. Der Großvater setzte die Reise fort. Und für ihn waren ein schönes Mädchen und Deutschland Endstation. Und so kam Rolf Kauka in Leipzig zur Welt. Als der junge Volkswirt nach dem Krieg in die Heimat zurückkehrte, erinnerte er sich an den alten Familien-Wahlspruch: Mach anderen eine Freude dann hast du deinen Spaß! Einfallsreich wie er war, ein Fabulieren aus Passion, verlegte er sich aufs Geschichtenerzählen in Wort, Ton und Bild. Er brauchte nur zwölf Jahre, um Walt Disney ernsthafter Rivale zu werden – nicht nur in Europa auch in Amerika.

Rolf Kauka liebte es, in seinen Comics den lieben verständnisvollen Onkel Rolf für seine Leser*innen zu spielen, der sich an seine „lieben Freunde“ wandte, und ihnen auch Moralvorstellung vermitteln wollte und „die deutschen Kinder nach seinen Idealen umerziehen wollte“. Offensichtlich schien der liebe Onkel Rolf auch seine Schattenseiten des bösen Onkels zu haben, und nicht zu wenige, worauf die gelungene, historisch gut recherchierte und sprachlich spannend geschriebene Biografie von Hechelmann explizit aufmerksam macht. Auf diese Weise entsteht der Eindruck, dass der „liebe Onkel Rolf“ mehr mit dem bösen Wolf Lupo als mit seinen Hauptfiguren Fix und Foxi gemein hatte. Jeder, der als langjähriger Leser seiner Comics – neben dem Flaggschiff Fix und Foxi gab er ja noch viele andere wie Bussi Bär u. ä. heraus, die nicht diesen Erfolg hatten – versuchen würde, die Biografie Rolf Kaukas in einem falsch verstandenen „idealistischen Sinne“ zu retten, würde nach Lektüre der Biografie Hechelhammers einigermaßen „fix und foxi“ sein.

So entsteht von Kauka das Bild als eines antikommunistischen, wertkonservativen, manchmal reaktionären „Machers“ der Wirtschaftswunderzeit, der nach und nach mit vielen Größen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, aber auch internationalen, vor allem politischen wie dem damaligen ägyptischen Präsidenten Nasser, in Kontakt stand. Darauf gründet sich sein Imperium, nicht zuletzt in seiner Zusammenarbeit mit dem BND über (für den er Filme produzieren ließ), die ihm über seine langjährige Freundschaft mit dem ehemaligen BND-Präsidenten Georg Wessel vermittelt wurde und ihn sogar in den Verdacht des Geheimagenten geraten ließ, weshalb er wohl aus Furcht vor einer Festnahme nicht zur Beerdigung seines Vaters nach Sachsen in die damalige DDR fuhr.

Viele der Projekte sind gescheitert, wovon immer wieder berichtet wurde. Mit schier unbegrenzter Energie, quasi amerikanisch ging Kauka immer wieder neue Projekte an, von denen dann viele wiederum scheiterten wie viele seiner (Werbe-)Film oder Fernsehprodukte. Genauso umtriebig zeigte er sich in seinem Privatleben: Neben den vier Ehefrauen sind noch unzählige Geliebte bekannt, worüber er selbst penibel Buch führte. Was von dem letztendlich wahr ist – etwa auch seine finnische Abstammung – und was nicht, lässt sich oft nicht mehr eruieren, wie Hechelhammer zu Recht feststellt. Auf eine gewisse Weise scheint Kaukas Leben aber ein repräsentatives Leben der damaligen Bundesrepublik gewesen zu sein, in dem vieles, im Guten wie im Schlechten, möglich war und in dem eine „starke Persönlichkeit seine vermeintlichen Chancen“ ergriff, wenngleich mit vielen persönlichen Opfern und Menschen, die auf der Strecke blieben, wie etwa auch seine Frau Erika, die Medizinerin wurde und sich auf diese Weise dem traditionellen Familienbild Kaukas entzog.

Will man die eine Seite der Persönlichkeit in Hinblick auf das Werk von der anderen trennen oder psychologisch gesprochen abspalten, so ergibt sich folgendes Bild: Der „liebe Onkel“, eine der kreativsten Persönlichkeiten der deutschen Naschkriegsgeschichte, hatte ganz viele dunkelbraune Flecken auf seiner biografischen Weste als böser Onkel, der im Dritten Reich ein überzeugter Nazi war und sich auch nach dem Krieg von dieser Ideologie nicht öffentlich distanzierte, ja diese, in gewisser Weise leicht gefiltert, auch in seinen Werken weiter vertrat, wo er sich selbst als „Kalter Krieger“ bezeichnete oder für die Freilassung der Unschuldigen aus dem „Spandauer Gefängnis“ in einer Weihnachtsausgabe plädierte, in dem zu dieser Zeit noch Rudolf Hess einsaß. Dabei erzählte er seine Lebensgeschichte, sicher auch der deutschen Teilung und seinem Anti-Kommunismus geschuldet, immer wieder anders. Ein sehr zu empfehlendes Werk für alle, die an Differenziertheit von Lebensgeschichten abseits eines schwarz-weiß-Denkens Interesse haben.

Titelbild

Bodo V. Hechelhammer: Fürst der Füchse. Das Leben des Rolf Kauka.
Langen Müller Verlag, Stuttgart 2022.
360 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783784436258

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