Wie man nicht als Schneider vom Wasser geht

Ein unterhaltsamer und liebevoller Einblick von Andreas Möller in das Leben der Hechte

Von Peer JürgensRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peer Jürgens

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der einzige Kontakt des Autors mit dem Thema Angeln war im Kindesalter der Fang einer Plötze mit einer Stipprute. Sowohl der gefangene Fisch als auch die Art des Fangens sind meilenweit von dem entfernt, was uns Andreas Möller in seinem Buch über den Hecht erzählt. Aber man muss kein passionierter Angler sein, um Freude an diesem Buch zu haben. Dieses Kleinod, Teil 80 einer inzwischen 88 Ausgaben umfassenden Reihe „Naturkunden“ vom Verlag Matthes und Seitz, sei jedem und jeder empfohlen, der/die Freude an guten Büchern über die Natur hat.

Das betrifft zu allererst das Thema. Möller schreibt über den Hecht als sei er ein enger Freund. Von persönlichen Erlebnissen beim Angeln ausgehend, beleuchtet Möller das Leben dieses heimischen Raubfisches in allen erdenklichen Facetten. Körpermerkmale, Paarung, Jagd, Lebensraum – der Hecht wird in einer angenehmen Mischung aus Fachlichkeit und Verständlichkeit beschrieben. Dabei schreckt Möller auch nicht vor etymologischen Herleitungen des lateinischen Namens oder einer paläontologischen  Betrachtung zurück. Selbst Fischkenner dürften in dem Buch zum Hecht Neues erfahren. Aber Möller hat kein reines Fachbuch geschrieben. Unterbrochen werden diese fachlichen Passagen einerseits immer wieder durch Schilderungen des Autors über sein Verhältnis zu diesem Fisch. Andererseits – und das ist die stärkste Seite des Buches – webt Möller philosophische, kulturhistorische oder gesellschaftskritische Abschnitte ein. Da wird der Hechtangler die „Antithese zum Imperativ des Wandels“ (S. 43), das Angeln als Kulturtechnik mit seiner Verlangsamung und dem Fokus auf das Manuelle wird betont, es geht um den Hecht als Tennis-Bewegung, U-Boot, Trophäe der Mächtigen und es geht um den Hecht als vermeintliche Verkörperung des Bösen.

Diese Vielfalt zusammen mit der Kunst Möllers, dies alles spannend zu verknüpfen, machen das Buch höchst unterhaltsam. Der hohe Anspruch wird dabei unterstrichen durch 50 Anmerkungen, die auf weiterführende oder zitierte Quellen verweisen. Hochwertig auch die 43 Abbildungen, mal Fotos, mal Gemälde, mal Illustrationen, welche das Buch auflockern und den Text wunderbar veranschaulichen. Beeindruckend ist auch, welche Autoren Möller gefunden hat, die etwas zum Hecht gesagt haben: Ludwig Uhland, Peter Huchel, August von Kotzebue, Siegfried Lenz, Bertold Brecht, Theodor Fontane, um nur die bekanntesten zu nennen. Geschickt nutzt Möller den Hecht aber auch, um über das Verhältnis der Gesellschaft zu Naturprodukten oder über die konsequente Umsetzung von Regionalität und Saisonalität in der Gastronomie nachzudenken. 

Andreas Möller hat ein informatives Buch über und ein überzeugendes Plädoyer für den Hecht geschrieben. Neben den erwähnten Abbildungen sind am Ende zusätzlich sieben kurze Steckbriefe zu den verschiedenen Hechtarten beigefügt. Gleichzeitig wirft er umfassendere Fragen nach dem Umgang des Menschen mit seiner Umwelt auf. Dieses schmale Werk ist eine dringende Leseempfehlung. Bleibt zu prüfen, ob die anderen Bücher der Reihe ebenso qualitativ auf andere Tiere und Naturaspekte blicken – was aber zu vermuten wäre, immerhin fungiert Judith Schalansky als Herausgeberin.

Titelbild

Andreas Möller: Hechte. Ein Portrait.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2022.
140 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783751802130

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