Makabre Tonnenideologie

Ute Cohen lässt in ihrem schwarzhumorigen Roman „Falscher Garten“ gleich fünf Frauen umbringen

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Tonnenideologie“ nannte man in der DDR die einseitige Ausrichtung der zentralen Planung auf die Produktionsmenge, ohne Rücksicht auf Qualität, Nutzen und Nachfrage. Und fünf Leichen sehen arg nach Tonnenideologie aus. Serienmorde sollten auch in einem schwarzhumorigen Krimi begründet werden. Konnte der triebhafte Täter einfach nicht aufhören? Änderte er die Vorgehensweise, um die Ermittler in die Irre zu führen? Oder war auch noch ein Trittbrettfahrer am Werke?

Wie man bald erfährt, hat der personale Erzähler, ein Mann namens Valverde, eine lange Haftstrafe wegen Körperverletzung abgesessen. „Die Fresse poliert“ hatte er einem Mörder, der vor Gericht straffrei ausging. Diese Selbstjustiz betrachtet man skeptisch, weil Valverde das unsägliche Ende einer ermordeten Frau nicht bedauert. Der Verdacht, er selbst sei der Täter gewesen, bestätigt sich rasch: Nach eigenem Bekenntnis hat er fünf Frauen umgebracht und ihre mit Goldfarbe bepinselten Leichen zu einer „Fleischskulptur“ arrangiert, für ihn ein Meisterwerk im Barockstil. Fünf also und nicht drei oder dreizehn, weil genau fünf Frauen seines Erachtens einen „miesen Charakter“ hatten.

Man wundert sich, diesen krankhaften Täter als zärtlichen Liebhaber seiner Susa und als Ersatzvater für deren drei Kinder präsentiert zu bekommen, als ob zarte Küsse und ein Müsli mit Apfelstückchen als Sühne für fünf Mordtaten ausreichten. Obwohl Valverde sich selbst nicht als pervers empfindet, kann man als Leser zu keinem anderen Urteil kommen, zumal er den Kindern Susas gruselige Horrorgeschichten erzählt.

Angesichts dieser widerlichen Hauptfigur hat man wenig Freude an dem Erfindungsreichtum, mit dem die Autorin sprachlich gekonnt listige Täuschungen in Szene setzt, wobei es um falsche Menschen und „falsche“, weil kriminell zweckentfremdete, Gärten geht. Valverde möchte so reich werden wie einige Nachbarn in den Villen im Grunewald. Wie Susa zu ihrer Villa kam, will er lieber nicht wissen. Zum großen Geld verhelfen sollen ihm Ideen eines alten Kumpels, des umtriebigen Reporters Hubertus, der sich vor Jahrzehnten mit Undercover-Storys einen Namen gemacht hatte, nun aber knapp bei Kasse ist. Das schmutzige Geschäft mit Schokolade wird ebenso verworfen wie die Idee einer Vanilleplantage in der Garage. Pilze als Rauschmittel sollen es sein, aber die züchtet schon ein zwielichtiger Nachbar, der seine Frau in einer Horrorszene dafür bestraft, dass sie das Geschäft gemeinsam mit ihrem Liebhaber an sich gerissen hat. Mitwisser Valverde darf Pilze und Gewächshaus übernehmen.

Eine schwarze Kapriole lautet der Untertitel des Buchs, und die Kapriole gelingt der Autorin nicht so gut wie manchem Dressurpferd der gleichnamige Luftsprung. Vielleicht kommen Leserinnen und Leser, die die teils grausamen Morde an fünf Frauen mühelos verkraften, zu einer günstigeren Meinung über dieses Buch.

Titelbild

Ute Cohen: Falscher Garten.
Septime Verlag, Wien 2022.
192 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783991200178

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