Menschliche Abgründe

Lakonisch und mit bitterbösem Humor macht Rumena Bužarovska mit ihrem Erzählband „Mein Mann“ auf die patriarchalen Unterdrückungsverhältnisse in mazedonischen Ehen aufmerksam und rückt dabei sowohl die Männer als auch die Frauen in ein fragwürdiges Licht

Von Elena HochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elena Hoch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Ich-Erzählerinnen in Rumena Bužarovskas Kurzgeschichten sind vor allem eines: wütend. Und sie haben allen Grund dazu. Obwohl sie sich für ihre Männer aufopfern, bekommen sie dafür keine Anerkennung oder gar Dank, sondern werden von ihnen belächelt, unterdrückt und betrogen. Die einstige Liebe und Bewunderung, die diese Frauen für ihre Männer empfunden haben, ist mit den Jahren zu Verachtung, regelrechter Abscheu, geworden. Im Erzählband Mein Mann rechnen sie in elf schonungslosen Porträts mit ihren ‚besseren Hälften‘ ab. Auf diese Weise offenbaren sie nicht nur die Schandtaten ihrer Männer, sondern auch ihren eigenen Anteil an den dysfunktionalen Beziehungshöllen, in denen sie leben.

Beim Lesen wird schnell deutlich, die Männer in den Geschichten sind allesamt keine sonderlich guten Partien. Sind sie nicht gerade cholerisch oder gewalttätig, dann zumindest maßlos eingebildet und frauenfeindlich. Der einzige, der halbwegs gut wegkommt, ist tot. Alle anderen entpuppen sich früher oder später als Reinfall. Sie klammern sich an anachronistische Rollenbilder, die ihnen Freiheiten verschaffen und ihre Frauen unterdrücken. Während die Männer jede Nacht um die Häuser ziehen, haben ihre Gattinnen sich hauptsächlich in den eigenen vier Wänden aufzuhalten, zu putzen und sich um die Kinder zu kümmern. Sich gegen die Ungerechtigkeiten aufzubäumen, die ihnen tagtäglich widerfahren, erscheint den Frauen zumeist zwecklos. „Er duldet keine Kritik“, lässt die Erzählerin aus der Geschichte Mein Mann, der Dichter wissen. „Er wird immer sofort sauer und wenn er sauer ist, wird er verletzend und bleibt es tagelang, bis man etwas Unterwürfiges tut, damit er aufhört, unausstehlich zu sein. Wie zum Beispiel ‚zufällig‘ eines seiner Gedichte zu zitieren.“ Was die Erzählerin auch zähneknirschend tut.

Ein Muster, das sich durch die meisten Geschichten zieht: Nach außen spielen die Protagonistinnen die ergebenen Ehefrauen, doch in ihrem Inneren brodelt es. Ihren Ärger bringen sie hauptsächlich durch zynische Gedanken zum Ausdruck. Ebenso lakonisch wie erbarmungslos verurteilen sie innerlich ihre Männer und entblößen sie als die Machos und Lügner, die sie sind. So laut sie ihre inneren Erzählstimmen erheben, so leise bleiben sie jedoch nach außen. Nur selten sagen sie, was sie wirklich denken. Stattdessen ziehen sie sich in den entscheidenden Momenten zurück und bestätigten ihre Männer in ihrem autoritären Gehabe.

Dabei haben die Frauen in Bužarovskas Buch Ambitionen, die weit über das Hausfrau- und Muttersein hinausgehen. Sie wollen Schriftstellerinnen und Künstlerinnen sein, gesellschaftlich angesehen und unabhängig. Trotzdem arbeiten die meisten von ihnen nicht. Entsprechend dem traditionellen Rollenbild mazedonischer Ehen verlassen sie sich finanziell vollständig auf ihre Männer und machen sich somit von ihnen abhängig. Hinzu kommen gesellschaftliche Konventionen, die Ehemann und Kinder zum Statussymbol erheben. Ein Entkommen aus ihren Ehe-Höllen erscheint den Frauen somit unmöglich. Als eine Ich-Erzählerin zum Beispiel darüber klagt, dass ihr Mann ihr fremd gehe, ermuntert ihre Mutter sie nicht etwa zur Trennung, sondern macht ihr deutlich, dass eine Scheidung nicht in Frage komme. Sie habe sich ihren Mann ausgesucht, nun müsse sie ihn ertragen.

Den Frauenfiguren ist jedoch nicht nur mit Mitleid zu begegnen. Erscheinen sie zunächst als Opfer, erweisen sie sich im Verlauf der Geschichten zunehmend als ähnlich verdorben wie ihre Männer. Auch sie überschätzen ihre Fähigkeiten, schlagen ihre Kinder, lügen und gehen fremd. Mit jeder Ungerechtigkeit, die sie bei ihren Männern beklagen, legen sie unfreiwillig eigene Charakterschwächen frei, die sie moralisch ihren Ehepartnern gleichstellen.

Eine Facette, die durchaus überrascht. Denn zunächst erscheint es, als würden in dem feministischen Band märchenähnlich den bösen Männern herzensgute Frauen gegenübergestellt. Wie sich im Verlauf der Geschichten zeigt, werden Letztere allerdings von Bužarovska weder idealisiert noch geschont. Die 1981 in Skopje, Nordmazedonien, geborene Schriftstellerin engagiert sich für eine offene, diverse Gesellschaft und setzt dafür auf ungeschönte Darstellungsweisen. Der Erfolg gibt ihr recht. Mein Mann, erstmals 2014 in mazedonischer Sprache erschienen, machte sie nach einer Übersetzungswelle 2021 zu einer bekannten Erzählstimme des Balkan.

Wie es jedoch häufig bei Erzählbänden der Fall ist, kann nicht jede Geschichte überzeugen. Macht Bužarovska mit Mein Mann, der Dichter einen starken Einstieg, kommt die zweite Geschichte Suppe vergleichsweise schwach daher. Andere ordnen sich irgendwo dazwischen ein. Empty Nest, die fünfte der elf Kurzgeschichten, gewinnt eine Art Sonderstatus, da sie als erste in diesem Buch die Frau als Hauptursache für das toxische Eheverhältnis charakterisiert. Die Protagonistin hält sich für eine verkannte Malerin und lässt mit der maßlosen Überschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten endgültig das Bild der selbstreflektieren Frau verschwinden, die dem Mann geistig überlegen ist. Bestätigung erhält dieser Eindruck durch die Erkenntnis, dass selbst wenn die Frauen in den Geschichten einmal gegen ihre Entmündigung protestieren, sie das Ganze nie bis zum Schluss treiben. Meist geben sie beim kleinsten Widerstand auf und fügen sich in ihre verhassten, passiven Rollen.

Ähnlich frustrierend ist der dauerhafte Blick auf das Negative. Ist der ernüchternde Blick auf die Mitmenschen und der damit verbundene bitterböse Humor anfangs amüsant, verliert beides auf Dauer an Wirkungskraft. Augenscheinlich möchte Bužarovska auf ungerechte, patriarchale Geschlechterverhältnisse aufmerksam machen. Dabei scheint die Autorin aber realistisch mit apokalyptisch zu verwechseln. Die vor Staunen erhobenen Augenbrauen wandeln sich jedenfalls beim Lesen in Stirnrunzeln, wenn deutlich wird, welche menschlichen Abgründe Bužarovska mit ihren Ehe-Schlaglichtern aufzudecken glaubt. Nahezu jede Figur erweist sich letztlich als egozentrisch, überheblich, gewalttätig und psychisch labil. Die Handlungen sind teilweise entsprechend wenig glaubwürdig. Zwar gefällt der Erzählband dennoch mit schonungsloser Ehrlichkeit und Witz, begeistern kann er aber nicht. 

Anmerkung der Redaktion: Die Rezension gehört zu den studentischen Beiträgen, die im Rahmen eines Lehrprojekts im Sommersemester 2022 entstanden sind und gesammelt in der Oktoberausgabe 2022 erscheinen.

Titelbild

Rumena Bužarovska: Mein Mann. Stories.
Aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021.
171 Seiten , 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783518429761

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