Ein Glücksfall für die deutsche Literatur

Behzad Karim Khani führt Lesende in seinem Debut „Hund Wolf Schakal“ mit Wumms und Poesie und wohl auch einer gehörigen Portion Autobiographie in die Welt der Migranten nach Neu-Kölln

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kahnis Protagonist Saam ist in Teheran geboren und „in seinem Leben gab es zwei Monster“: den Krieg mit dem Iran und die nächtlichen Raketen über der Stadt sowie das Gefängnis Evin, „das Ungeheuer, das seine Mutter gequält, getötet und dann entsorgt hatte.“ Der alleinerziehende Vater Jamshid, der Kommunist ist und durch Polizeischüsse ein Bein verlor, sieht keine Zukunft mehr im Iran und flüchtet unter falscher Identität mit seinen zwei Söhnen nach Deutschland.

In Neu-Kölln lebt die Familie in den ersten Monaten von der Stütze, bis Jamshid den Taxischein macht und einen bescheidenen Lohn mit nach Hause bringt. Saam und sein Bruder Nima werden in der Schule wegen ihrer alten billigen Klamotten und Turnschuhe belächelt – bis Saam Heydar aus dem Libanon kennen lernt, der ihm seine ersten Nike Air Max schenkt und ihn unter seine kriminellen Fittiche nimmt.

Saams kriminelle Karriere fängt mit dem „Abziehen“ von Gleichaltrigen an, führt über das „Verticken“ von Hehlerware und Schlägereien bis hin zu bewaffneten und brutalen Raubüberfällen. Saam lernt die feinen Mechanismen und Codes der Macht im Milieu kennen und hat „die Logik von Gewalt verstanden“. Bis er geschnappt wird und in den Knast kommt, wo er sich zunächst auf merkwürdige Weise angekommen und an seinem Platz fühlt: „Hier, in diesem Raum, gab es nichts zu bekämpfen, nichts zu beweisen. Nichts zu behaupten oder zu verteidigen. Hier war Ruhe.“

Hund Wolf Schakal wird, wie schon der Titel nahelegt, in drei Strängen und mit drei Protagonisten erzählt: Neben Saam beleuchtet Behzad Karim Khani das Leben von Jamshid, dem in Deutschland langsam das Leben und seine Söhne entgleiten. Saams zurückhaltender, stiller Bruder Nima wird zum Skater, findet eine deutsche Freundin mit reicher, kultivierter und toleranter Familie und jobbt bei einem Nobel-Italiener – bis er aus diesem integrativen Erfolgsmodell aussteigt und einen ganz anderen Weg einschlägt.

Behzad Karim Khani, der 1977 in Teheran geboren wurde und in den 1980er Jahren nach Berlin kam, erzählt seinen Roman mit hoher Authentizität, Lakonie und leichten Anklängen an die persische Märchenwelt. Seine Prosa bewegt sich dabei zwischen Poesie, Zärtlichkeit und brutaler Gewalt. Da bindet Saam als Kind den Wespen „etwas Garn an die Taillen und knotete sie anschließend an die Geranien wie Luftballons“. Er träumt davon, „dass genügend Wespen ihn davontragen und mit ihm über die Nachbarschaft fliegen könnten wie der kleine Prinz“. Und da ist später der „Sound, wenn Eisen auf Knochen trifft, wenn ein Gesicht kaputt geht.“

Hund Wolf Schakal bietet einen packenden Einblick in die Lebenswelt von Geflüchteten in deutschen Großstadtghettos – mit ihrer Trauer um die Heimat, dem Ringen um Identität, der Hoffnung auf ein besseres Leben und dem Sog der Kriminalität, in dem es so leicht erscheint, Status und Respekt zu erlangen. Dieser aus einer differenzierten Innenperspektive geschriebene und auf jegliche Gangsta- und Ghetto-Folklore verzichtende Roman ist ein Glücksfall für die deutsche Literatur in der Migrationsgesellschaft.

Titelbild

Behzad Karim Khani: Hund, Wolf, Schakal. Roman.
Hanser Berlin, Berlin 2022.
288 Seiten, 23 EUR.
ISBN-13: 9783446273788

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