Ein psychedelischer Trip im Umfeld eines österreichischen Skisprungtalents

Joshua Groß setzt sich in „Prana Extrem“ mit der unstillbaren Sehnsucht des Lebens auseinander

Von Stefanie SteibleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Steible

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

So erwachsen und reflektiert dieser Roman auch wirken mag, dürfte es Joshua Groß dennoch nicht gelingen, jeden Lesenden mit seinem Werk zu erreichen. Ernst geschrieben und intelligent durchdacht ist die Geschichte rund um ein 16-jähriges österreichisches Skisprung-Supertalent und seine ihn trainierende Schwester dennoch. Der Erzählstil und das Voranschreiten innerhalb des Romans bleiben jedoch Geschmackssache.

Der Fantasie sind in diesem Werk keine Grenzen gesetzt, und somit ist auch die Fantasie der Lesenden ständig angesprochen, um sich einzudenken in die Gedankenwelt ihrer Protagonisten. Da ist auf der einen Seite das deutsche Paar Lisa und Joshua, sie mit einem Literaturstipendium versehen und er sie in diesem Zuge nach Hall in Österreich begleitend. In ihre romantische Pärchenwelt stürzt am zweiten Tag ihres Aufenthaltes der junge Skispringer Michael. Trainiert wird er von seiner Schwester Johanna, ehrgeizig, aufstrebend und sich des Talents ihres Bruders bewusst. Sie lädt das deutsche Pärchen ein, bei den Geschwistern zu leben und sie nehmen an.

Es entspannt sich eine Geschichte, in der ihre Figuren der Wahrhaftigkeit des Erlebten auf den Grund zu gehen versuchen. Kraftvoll wird dieses erzählt, oft geschehen die Dinge anders oder schneller als erwartet, oder beides, Anspannung und Entspannung sind stets nah beeinander.

Nicht immer geht es dabei nur ums Skispringen, aber auch als der Durchbruch gelingt und Michael überraschend zum Sieg bei den österreichischen Meisterschaften und damit ins Zentrum der medialen Öffentlichketi springt, geschieht mehr auf einmal als zu erwarten wäre. Den magischen Moment erlebt der Vater des jungen Mannes hingegen ganz anders:

…egal was er tun würde, egal was er veranlassen würde, in deisen Momenten verlor Michaels Vater jeglichen Einfluss auf seinen Sohn. Spöttisch zuckten seine Mundwinkel, er wirkte stolz und feindselig. Er fotografirerte Michael, smalltalkte mit einem anderen Funktionär, trank Cola light, rauchte Zigaretten, schwitzte. Während ein paar Mitarbeiterinnen ein Plastikpodest heranschleppten, schnippte er seine Zigarette weg und verließ das Gelände.

Man muss sich also hineindenken in die Figuren, vieles passt scheinbar nicht zusammen – wie Riesenlibellen und Meteoriten, andere Zusammenhänge lassen sich nur erahnen. Hier versucht sich eine Generation miteinander zu verknüpfen, die sich vor allem in einem einig ist – ihrer Ablehnung gegen die Wertvorstellungen von Eltern und Großeltern.   

Selbstzweifel über das eigene Handeln durchziehen den Roman. So beendet Joshua einen Anruf eines Freundes mit einer diplomatischen Kurznachricht, in der seine Freude über ein baldiges Treffen zum Nachfeiern des eigenen Geburtstages zum Ausdruck bringen will. Er berichtet:

Ich schickte sehr viele Emojis hinterher, damit es lustig und verwirrend für sie sein würde, einen Sinn daraus zu entziffen. Wie Werner Herzog sagt: Ein Gerücht kann man nicht durch Fakten aus der Welt schaffen, nur durch ein noch willderes Gerücht. Ungefähr so ging ich mit Emojis um.

Doch trotz dieser Selbstzweifel werden Anforderungen an die jungen Leute gestellt, so wie an den potenziellen Spitzensportler, und so gehen sie ihren Weg – egal ob richtig oder falsch, jedenfalls mit Leidenschaft. So kommt dieser Roman kraftvoll daher und hinterlässt Eindruck, egal ob das Werk und seine Figuren letztlich gemocht werden oder nicht. Vermutlich war es auch nicht die Intention von Joshua Groß, Figuren zu schaffen, die gemocht werden. Vielmehr wollte er – von sich selbst ausgehend – über Menschen erzählen, die Halt im Leben suchen, sich definieren, Werte entwickeln und diese ausleben, ohne sich hinter falschen Moralvorstellungen zu verstecken. Von daher könnte der Roman durchaus als literarische Popkultur, angehaucht mit österreichischem Charme, vor der Kulisse der Tiroler Alpen, bezeichnet werden.

Titelbild

Joshua Groß: Prana Extrem.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2022.
260 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783751800860

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