Mit schwarzem Humor gegen den Rassismus
Percival Everett legt mit „Die Bäume“ einen rasanten schwarz-humorigen Thriller rund um den gegenwärtigen Rassismus und die lange Geschichte von Lynchmorden in den USA vor.
Von Karsten Herrmann
Percival Everett, der als Professor für Englisch an der University of Southern California lehrt, hat bereits mehr als 20 Romane geschrieben. Doch der deutschen Öffentlichkeit ist der Schwarze Schriftsteller erst mit seinem vorletzten Roman Erschütterung stärker ins Bewusstsein getreten – ein sehr eigenwilliges, stilles und melancholisches Buch, das einen persönlichen Schicksalsschlag des Protagonisten mit dem Schicksal von mexikanischen Migrantinnen in den USA verbindet und beim Leser lange nachhallt.
Die Bäume ist nun das glatte Gegenteil dieses Vorgängers – der neue Roman ist rasant, ein wenig schrill, grotesk und prall gefüllt mit ultraschwarzem Humor, der sich um keine politische Korrektheit oder ‚Cancel Culture’ schert. Everett führt uns in seinem neuen Roman nach Money in Mississippi, in das frappierend hautnah beschriebene Land des Ku- Klux-Klans und der Rednecks, der rauchenden, Falstaff-Bier trinkenden und Fastfood verschlingenden übergewichtigen Weißen.
Money wird aufgeschreckt durch den bestialischen Mord an einem Redneck namens Junior Junior Wheat. Neben ihm liegt ein toter Schwarzer, dessen Leiche kurz darauf aus der Pathologie verschwindet und bei einem weiteren Mordfall nach gleichem Muster wieder auftaucht – Markenzeichen sind dabei jeweils Stacheldraht um den Hals, viel Blut und abgeschnittene Hoden.
Neben dem örtlichen Sheriff Jetty, der ein überraschendes Familiengeheimnis verbirgt, steigen auch die Schwarzen Special Detectives Ed Morgan und Jim Davis in die Ermittlungen ein. Als sich die Mordserie über Money hinaus in Mississippi und auch auf andere Bundesstaaten ausdehnt, stößt des Weiteren die FBI-Ermittlerin Herberta Hind hinzu.
Die Ermittlungen führen zurück zu einem Lynchmord an einem Schwarzen Jungen im Jahr 1955, an dem die Wheat-Sippe aus Money beteiligt war. Sie führen aber auch zu der über 100-jährigen Mama Z, die ein riesiges Archiv über Lynchmorde in den USA aufgebaut hat und dessen eigener Vater kurz nach ihrer Geburt gelyncht wurde.
Everetts Roman ist durch Spannung, das blutige Grauen, einen unwiderstehlichen schwarzen Humor sowie einem Schuss Südstaaten-Mystik getragen. Der Autor treibt seinen Roman in Kurz-Kapiteln und mit staubtrockenen Dialogen zwischen den rassistischen Rednecks und den Schwarzen Ermittlern voran. Es wimmelt dabei von politisch alles andere als korrekten Begriffen wie „Neger“, „Nigger“ oder „Furchenscheißer“. Neben den tumben Rednecks glänzen seine Schwarzen Ermittler in diesen Dialogen mit einer souveränen Ironie, mit der jedes Ressentiment an ihnen abperlt und dem Absender zurück ins Gesicht schlägt.
Der Roman Die Bäume ist extrem starker Tobak und zugleich brillant: Mit einer lakonischen Treffsicherheit führt Everett mit wenigen Worten die Mechanismen des Rassismus ad absurdum, dreht die Geschichte um und macht aus den Opfern Täter – eine radikale Selbstermächtigung und die Tilgung von jahrhundertelanger Verfolgung und Erniedrigung.
Zum Schluss schießt Everett allerdings ein wenig über das Ziel hinaus, als er Schwarze Lynchmobs durch das Land ziehen lässt und eine bittere Trump-Parodie in seinen Roman einflechtet. Alles in allem ist das Buch aber ein echter Pageturner mit Tiefgang.
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