Beziehungsstatus: kompliziert, aber vergnügt
Line Hoven und Jochen Schmidt denken sich humorvolle „Paargespräche“ aus
Von Thorsten Paprotny
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie deutsch-amerikanische Illustratorin Line Hoven zeichnet höchst eigenwillig ihre kunstvollen Bilder, denn sie „kratzt ihre Motive mit einem Messer in Schabkartons“, während ihr kongenialer Partner bei diesem Buch, Jochen Schmidt, Romancier und Humorist, Dialoge schreibt, die weder je geführt wurden noch je auf diese Weise hätten geführt werden können. Kunterbunte Beziehungsgeschichten entstehen: zwischen dem nicht allzu furchteinflößenden Yeti und der Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Die Beziehung von Karl Marx und Friedrich Engels wird ebenso beleuchtet wie das Konversationsglück, das Günter Netzer und Franz Beckenbauer hätte verbinden können. Die italienischen Musiker Al Bano und Romina Power treten auf, ebenso natürlich Miss Moneypenny und James Bond. Am Beispiel des britischen Geheimagenten wird einiges deutlich.
Die Texte sind mitunter kurzweilig, teilweise fast politisch. Der zu früheren Zeiten gefällige Austausch zwischen 007 und der Chefsekretärin von MI 6 zeigt uns: Die Bond-Jahre sind vorbei. Moneypenny fragt: „Hast du eigentlich für den Brexit gestimmt?“ Bond antwortet: „Ich hab keine Zeit für Politik, ich muß schließlich die Welt retten.“ Die lebenspraktisch orientierte Miss Moneypenny hat ihre filmisch öfter inszenierte Verliebtheit für den Agenten verloren, fragt ihn nach Eheschließung und Nachwuchs – und führt moralisch gestimmt aus: „Man muß ja nicht immer gleich die Welt retten, man kann auch kleinere Brötchen backen.“ Aber die Chefin des Geheimdienstes möchte mit ihm über „irgendwelche Atombomben“ reden. James Bond, noch immer ein Kind seiner längst vergangenen Zeit, antwortet: „Siehst du! Und da soll ich Elternzeit nehmen …“ So sehen wir, wie hoffnungslos altmodisch die Filmreihe heute anmutet. Was früher als gefällige ironische Replik des Agenten gegolten hätte, wirkt heute nur noch wie der angestaubte Spruch eines Mannes aus der Welt von gestern. Was bleibt, ist: Auch das Paar Moneypenny & Bond hatte nie eine Gegenwart und nie eine Zukunft. Dasselbe gilt wahrscheinlich für das außergewöhnliche Duo Bud Spencer & Terrence Hill, Komödienstars anderer Zeiten, die ebenfalls zum Plausch hier zusammenkommen, sowie für Schiller und Goethe oder Brecht und Helene Weigel.
Putzig wirkt der Austausch zwischen der Maid Marian und dem wenig tatendurstigen Robin Hood, die darüber beraten, ob Tochter Gwyn in den Waldkindergarten kommt. Robin zeigt sich politisch kundig und meint: „Wir können froh sein, wenn wir überhaupt irgendwo einen Platz kriegen.“ Marian favorisiert den Kindergarten in freier Natur. Zu viele Kinder litten an „Ökophobie“, hätten Angst um den Regenwald, seien aber noch nie im Wald spaziert. Robin fragt: „Darf Gwyn dann auch mit Pfeil und Bogen auf Eichhörnchen schießen?“ Diese politisch nicht ganz korrekte Frage erwidert Marian souverän: „In der Stadt dürfte sie nicht mal einen Baum hochklettern, damit kein Ast abbricht.“
Passagenweise – ähnlich wie bei James Bond – wird eine humoristisch getönte, satirische Kritik der Gegenwart sichtbar, die nachklingt und präzise wie pointiert Verhaltensweisen aus dem Alltag dieser Zeit zum Ausdruck bringt. Maid Marians Klugheit verdient weithin Aufmerksamkeit und Beachtung, nicht weniger die Aussprüche von Ginger Rogers, die gemeinsam mit Fred Astaire über Seniorentanz nachdenkt. Fred ist eher abgeneigt und meint: „Wahrscheinlich wäre ich der einzige Mann.“ Ginger erwidert: „Geschlecht ist nur eine soziale Konstruktion, gerade beim Tanz.“ Die Perspektive Gender wird nicht weiter erörtert, stattdessen tritt bald der Yeti auf, über den dieser Reinhold Messner sagt, er sei die „wichtigste Begegnung meines Lebens“, nachdem zuvor noch Weisheiten über die dünne Luft in den Bergen mitgeteilt wurden: „Nirgends fühlte ich mich Gott so nah.“ Von allen sei er für „verrückt erklärt“ worden, doch bis heute scheue er gemeinsame Auftritte mit dem Yeti, der sofort als „Marketingtrick“ gelten würde. Der legendäre Schneemensch aus dem Himalaya, liebevoll gezeichnet von Line Hoven, sagt von sich, er sei „nicht so furchteinflößend groß“ und fragt seinen desillusionierten Weggefährten aus eisigen Höhen: „Glaubst du eigentlich wirklich, daß es uns gibt?“ Messners Antwort darauf scheint nicht überliefert zu sein.
Dieses Buch bietet literarische Unterhaltungskost, verbunden mit sehr hübsch und akkurat gestalteten, sinnreichen Illustrationen. Zwei Nachworte sorgen für literarische Momente, denn Line Hoven erzählt amüsant aus ihrem Leben, über schwierige, scheiternde Paarbeziehungen:
Als Jugendliche versuchte ich mich an einem Bund mit Gott und nahm an Kirchenfreizeiten teil. Doch im Stockbett der Jugendherberge waren blasphemische Witze lustiger als alles andere, und so verriet ich Gott für den guten Gag. Meine religiöse Illoyalität bewegte mich vom Pfad der Tugend hin zur Raucherecke des Schulhofs, wo ich mit meinem Bad-Religion-Parka einige Pausen durchknutschte und mich trotzdem nicht festlegen wollte.
Festgelegt hat sie sich auf die fruchtbare künstlerische Partnerschaft mit Jochen Schmidt, immerhin, aber ein „richtiges Paar“ sind sie nie gewesen und wollen dies auch nicht mehr werden. Die „faire Aufgabenverteilung“ sei zudem utopisch. Hoven fragt sich: „Hatte er zu dem jeweiligen Paar überhaupt recherchiert? Während ich also an einer Illustration herumkratzte, fragte ich mich, wie lange er wohl fürs Schreiben gebraucht haben könnte. Ich brauche 30 Stunden für die Anfertigung eines Bildes.“ Schließlich schreibt sie auch: „Der Mann ist die Zuverlässigkeit in Person.“ Ihre Worte sind fast eine literarische Liebeserklärung, die Jochen Schmidt herzlich erwidert. Er schreibt, das „anstrengendste“ an ihr sei ihre „unheilbare Selbstunterschätzung und Unsicherheit“, dabei sei sie ein „graphisches Genie“: „In Wirklichkeit ist die Arbeit mit Line Hoven fast meine einzige ungeteilt beglückende Erfahrung als Autor, und ich glaube, jetzt schon sagen zu können, daß, wenn etwas von meinem Werk bleiben sollte, es ihre Bilder sind.“
Manche Dialoge in diesem Band laden zum Schmunzeln ein, andere zum Nachdenken – und manche auch zum Überblättern. Die Illustrationen der „Paargespräche“ sind indessen große Kunst, das Zusammenspiel mit den Schriftstücken gelingt nicht immer perfekt, aber es ist durchweg lohnend, die fiktiven Abenteuer dieses Buches lesend zu erkunden und sich genüsslich wie versonnen anzuschauen.
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