Rüdiger Scholz stellt die umfangreiche Geschichte der Forschung zu Goethes Faust-Dramen dar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie schon 1847 beklagte Unermesslichkeit der Faust-Literatur – in ihrer über 200-jährigen Geschichte auf weit über 10.000 Bücher und Aufsätze angeschwollen – repräsentiert die wechselvolle Geschichte der deutschen und internationalen Literaturwissenschaft, ihrer verschiedenen Auffassungen von Literatur, ihrer Zielsetzungen und Methoden. Sie ist aber auch die Geschichte der gesellschaftspolitischen Kämpfe, vor allem in Deutschland. Bereits von Schelling und Hegel wurde Goethes Faust zum Nationalkunstwerk der Deutschen erhoben und seither mit Superlativen als größte deutsche Dichtung und als monumentales Spitzenwerk der Weltliteratur überschüttet, das den Status einer Bibel hat, in deren Exegese die jeweilige eigene Gegenwart der Interpreten und Interpretinnen erklärt wird.
Die Geschichte der Faust-Interpretation ist auch die Geschichte über die Ethik von Literatur. Dass Faust nicht den Tragödientod erleidet, sondern trotz seiner schweren Schuld am Tod von sieben Menschen infolge seines nimmermüden Strebens erlöst wird und in die oberen Regionen des Himmels gelangt, hat zu einer nicht endenden Diskussion über diese Erlösung geführt, die sich im neuen Jahrtausend radikalisiert.
Rüdiger Scholz präsentiert eine Gesamtgeschichte der Faust-Literatur und geht dabei auf die verschiedenen Ansätze und die Resultate ein und lässt die Haupt- und Nebenakteure durch Zitate zu Wort kommen. Das Werk verfährt chronologisch, gliedert nach Interpretationsrichtungen und akzentuiert deren Aussagen über die Beziehung des Dramas zur Realität. Es beschränkt sich nicht auf die wissenschaftliche Forschung, sondern bezieht die weltanschauliche Faust-Publizistik mit ein und skizziert den künstlerischen Umgang mit der Faust-Figur.
Scholz stellt die Geschichte der Faust-Publizistik bis zum Jahr 2021 dar und belegt die Aktualisierung von Goethes Faust-Drama in der Öffentlichkeit sowie die Fortschritte in der historischen Wertung des Dramas und seines Autors. Die Ergänzung in der 2. Auflage umfasst die Jahre 2011 bis 2021. 45 Monographien und 180 Aufsätze wurden neu aufgenommen und dargestellt.
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