Digitale Zeitenwende? Literatur und KI

Vorbemerkungen zur Juni-Ausgabe von literaturkritik.de

Von Redaktion literaturkritik.deRSS-Newsfeed neuer Artikel von Redaktion literaturkritik.de

Spätestens seit Beginn des Jahres sind die Fähigkeiten Künstlicher Intelligenz in aller Munde. Den Auslöser lieferte die Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT im November 2022, der auf Anfrage die unterschiedlichsten Genres von Text produzieren, Zusammenfassungen liefern und akurate und verständliche Informationen und Erklärungen zu eigentlich jedem Themengebiet geben kann. Die sprachliche Versiertheit seiner Antworten, die nah an menschliche Fähigkeiten der Formulierung reichen, ließen die Welt erstaunen. Inzwischen hat das Programm ein Update erfahren, das es noch leistungsfähiger macht, Google hat eilig mit Bard einen eigenen KI-basierten Chatbot ins Netz geworfen und Software, die nicht nur Texte, sondern auch Bilder oder Musik selbstständig erstellen kann oder aber bei der (wissenschaftlichen) Recherche durch Zusammenfassungen und zielführende Quellenangaben hilft, sprießen nur so aus dem Boden. Anlass genug für uns, einen genaueren Blick auf die aktuellen Entwicklungen und ihre Bedeutung für die Literatur zu werfen.

Denn insbesondere Software, die in der Lage ist, in einer solchen Qualität Texte zu erstellen, dass sie für menschliche Erzeugnisse gehalten werden können, hat nicht nur Auswirkungen für die Produktion von Gebrauchstexten, sondern sehr wahrscheinlich auch für die Literatur und die Literaturkritik. Dort, wo Computer fehlerfreie, zusammenhängende und sinnvolle Texte eigenständig erstellen können, stellt sich die Frage nach der Bedeutung all derjenigen, die sich beruflich mit literarischen Erzeugnissen befassen. Wird Literatur künftig (mit Beteiligung) von KI verfasst? Lassen sich Autorinnen und Autoren literarischer Texte letztlich komplett durch Software ersetzen? Und verändert sich die Literatur grundsätzlich durch diese Entwicklungen? Wird es außerdem in Lektoraten und Redaktionen noch Menschen brauchen? Und werden menschliche Rezensent:innen ebenfalls obsolet? 

Diese und andere Fragen stellen wir uns im Schwerpunkt der Juni-Ausgabe von literaturkritik.de: Literatur und KI. Dafür lassen wir ChatGPT in einem „Interview“ selbst zu Wort kommen und fragen die KI nach der Bedeutung der aktuellen Entwicklungen für Literatur und Literaturkritik. Vanessa Franke hat außerdem mit der französischen Autorin Marie Darrieussecq über Literatur und Technologie gesprochen. Und wir haben versuchsweise eine KI-generierte Rezension sowie deren Stärken und Schwächen genauer unter die Lupe genommen. 

Daneben findet sich wie gewohnt eine breite Auswahl an Rezensionen zu den Bereichen Literatur, Sachbuch und Wissenschaft. Die Redaktion wünscht eine anregende Lektüre an sonnigen Sommertagen.

 

Jonas Heß für die Redaktion