Eindrucksvoll eindrücklich

Eine Rezension einer Rezension von ChatGPT

Von Jonas HeßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jonas Heß

Als generatives Sprachmodell, das auf Künstlicher Intelligenz beruht, kann das Programm ChatGPT verschiedenste Textsorten selbst produzieren. Ob Gedichte, Reden, Anschreiben oder Essays: Auf Grundlage einer sehr großen Datenmenge aus unterschiedlichsten Texten ist es der Software möglich, einen bestimmten gattungsspezifischen Duktus auf verschiedenen Sprachen zu imitieren und Informationen aus dieser Datenmenge sinnvoll in einen textlichen Zusammenhang zu bringen.

Auch Rezensionen sind dem Chatbot nicht fremd. Wie in Bezug auf alle anderen Informationen auch, operiert das Programm jedoch auf einem Wissensstand von 2021. Während jüngere Publikationen ihm also nicht bekannt sind, kann die Software aber sehr wohl Informationen und Texte zu älteren Veröffentlichungen liefern.

Wenn man ChatGPT zum Beispiel bittet, eine Rezension zu Christian Barons Roman Ein Mann seiner Klasse zu verfassen, erhält man folgende Antwort:

Eine kraftvolle Reflexion über soziale Klassen:
„Ein Mann seiner Klasse“ von Christian Baron

Christian Barons Roman „Ein Mann seiner Klasse“ entführt die Leserinnen und Leser auf eine tiefgründige Reise durch die Landschaft sozialer Klassen und individueller Identitätsfindung. Mit einer außergewöhnlichen Mischung aus persönlicher Erzählung und gesellschaftlicher Analyse schafft es Baron, den Leser mit seiner packenden Geschichte und seiner ehrlichen Stimme zu fesseln.

Der Roman basiert auf Barons eigenen Erfahrungen und erzählt die Geschichte seines Aufstiegs von den einfachen Verhältnissen seiner Herkunft zu einem Studium an einer Eliteuniversität. Dabei thematisiert er die komplexen sozialen Strukturen, die ihn sowohl anziehen als auch abstoßen. Baron gelingt es meisterhaft, die Kluft zwischen den verschiedenen Klassen und den damit verbundenen Spannungen darzustellen.

Barons Schreibstil ist unverblümt und mitreißend. Er scheut sich nicht davor, die Widersprüche und Konflikte in seinem eigenen Inneren sowie in der Gesellschaft zu erforschen. Dabei schafft er es, seine Gedanken und Gefühle auf eine Weise zu vermitteln, die den Leser emotional berührt und zum Nachdenken anregt. Seine ehrliche Darstellung ermöglicht es uns, uns in seine Lage zu versetzen und die Komplexität sozialer Klassen zu verstehen.

Besonders beeindruckend ist Barons Fähigkeit, weit über seine persönliche Geschichte hinauszugehen und eine breitere Diskussion über soziale Gerechtigkeit und die Auswirkungen von sozialer Herkunft anzustoßen. Er reflektiert über die Hindernisse, mit denen Menschen aus benachteiligten Schichten konfrontiert sind, und hinterfragt kritisch die Strukturen, die diese Ungleichheit aufrechterhalten.

„Ein Mann seiner Klasse“ ist ein Roman, der einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Er fordert uns auf, unsere eigene Rolle in der Gesellschaft zu hinterfragen und Empathie für diejenigen zu entwickeln, die mit sozialer Benachteiligung konfrontiert sind. Barons aufrichtige Erzählweise und sein Blick für soziale Dynamiken machen diesen Roman zu einem bedeutenden Werk, das über die bloße Unterhaltung hinausgeht.

Abschließend lässt sich sagen, dass „Ein Mann seiner Klasse“ ein kraftvoller Roman ist, der uns dazu anregt, über soziale Klassen und individuelle Identität nachzudenken. Christian Baron liefert eine aufrichtige Erzählung, die den Leser mitnimmt, berührt und zum Nachdenken anregt. Dieses Buch ist ein absolutes Muss für alle, die sich für soziale Gerechtigkeit und die Auswirkungen sozialer Klassen interessieren.

In der Tat ein eindrucksvolles Ergebnis. Der Text weist auf den ersten Blick keine Möglichkeiten auf, ihn als software-generiert zu erkennen. Die Sätze sind vollständig, grammatikalisch nicht fehlerhaft und ergeben darüber hinaus ein stimmiges Ganzes. Selbst die Satzzeichen werden korrekt (und nicht etwa englischsprachigen Standards entsprechend) gesetzt. Auch stilistische Nachlässigkeiten wie häufig aufeinander folgende Wortwiederholungen finden sich nicht, stattdessen wartet die Rezension hie und da sogar mit etwas ausgefalleneren, metaphorischen Wendungen („die Landschaft sozialer Klassen“) auf. Der Text strukturiert sich durchaus entlang dem rezensionstypischen Aufbau. Es gibt eine einführende Passage, die klarmacht, um welchen Text es sich handelt und was zum Autor zu wissen ist. Das rezensierte Werk wird kurz skizziert und sowohl inhaltlich wie auch sprachlich bewertet. Am Ende findet sich ein resümierendes Fazit mit abschließender Empfehlung. Die Informationen zu Inhalt, Hintergrund und Autor sind dabei größtenteils korrekt.

Interessant ist jedoch, dass sich bei genauerem Hinsehen durchaus einige Auffälligkeiten bzw. Mängel zeigen. So finden sich zum einen verschiedene stilistische bzw. kompositorische Redundanzen („die den Leser emotional berührt und zum Nachdenken anregt“, „die den Leser mitnimmt, berührt und zum Nachdenken anregt“; „Komplexität sozialer Klassen“, „komplexe[] soziale[] Strukturen“; „aufrichtige Erzählweise“, „aufrichte Erzählung“). Das dürfte allerdings nur scheinbar auf beschränkte sprachliche Fähigkeiten hindeuten (das zugrundeliegende Korpus an Texten, an denen das Programm trainiert wurde, ist schlicht viel zu groß). Wahrscheinlicher ist, dass die Redundanzen systemische Gründe haben, da das Programm auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten von Wortfolgen arbeitet.

Zum anderen erscheinen viele Formulierungen eigentümlich oberflächlich und vage. Was beispielsweise mit der „Komplexität sozialer Klassen“ gemeint sein soll, wird nicht expliziert und klingt hohl und phrasenartig. Ähnlich verhält es sich mit der Rede von den „Auswirkungen sozialer Klassen“. Sind hier die Klassen selbst gemeint oder ist es nicht vielmehr die Zugehörigkeit zu einer solchen, deren Auswirkungen thematisiert wird?

In diesem Zusammenhang fällt außerdem die Fülle der verbrauchten und gleichsam leeren Adjektive auf: Die Geschichte ist „packend“, die Stimme „ehrlich“, die literarische Reise also „tiefgründig“. Baron erzählt „meisterhaft“, „unverblümt“ und „mitreißend“. Der Text ist „aufrichtig“, „kraftvoll“, ja „bedeutend“ und hinterlässt selbstredend einen „nachhaltigen Eindruck“. Natürlich „fesselt“ das Ganze dann und regt „zum Nachdenken“ an.

Vereinzelt sind des Weiteren ganze Sätze inhaltlich krumm. Etwa, wenn es Baron gemäß Rezension gelingt, „die Kluft zwischen den verschiedenen Klassen und den damit verbundenen Spannungen darzustellen.“ Nimmt man diesen Satz beim Wort, so geht es im Roman sowohl um die Kluft zwischen den Klassen als auch um die Kluft zwischen den Spannungen (die mit ersterem verbunden sind). Was mit einer Kluft zwischen den Spannungen allerdings gemeint sein soll und zwischen welchen Elementen diese herrscht, ist fraglich. Gemeint ist wahrscheinlich eher, dass es Baron gelinge, die Kluft zwischen den verschiedenen Klassen und die damit verbundenen Spannungen darzustellen. Die Spannungen zwischen den Klassen also werden dargestellt, nicht aber eine Kluft zwischen den Spannungen.

Außerdem stutzt man über einen Satz wie diesen: „Besonders beeindruckend ist Barons Fähigkeit, weit über seine persönliche Geschichte hinauszugehen und eine breitere Diskussion über soziale Gerechtigkeit und die Auswirkungen von sozialer Herkunft anzustoßen.“ Ob Baron eine ‚breitere Diskussion‘ anregt bzw. angeregt hat, ist eine Frage, die erst mit einiger Zeit Abstand beantwortet werden kann. Für eine Rezension, die gemeinhin in zeitlichem Zusammenhang zur Veröffentlichung steht, ist dies zumindest eine eigenartige Aussage. Darüber hinaus lässt sich fragen, ob eine tatsächlich ausgelöste breite Diskussion als eine Fähigkeit des Autors anzusehen ist.

Hinzu kommen schlichtweg falsche Aussagen, die jedoch ohne Hintergrundrecherche nicht zwangsläufig von den anderen, richtigen Informationen unterschieden werden können. So liest man im Text, dass der Roman Barons eigenen Erfahrungen vom Aufstieg aus einfachen Verhältnissen zum Studium an einer „Eliteuniversität“ folge. Es ist zwar richtig, dass der Text – der aufgrund seiner stark biographischen Machart übrigens oft gar nicht als Roman betitelt wird – den Lebensweg des Autors nachzeichnet. Jedoch studierte dieser an der Universität Trier, die (gemäß gängiger Rankings und Exzellenzcluster) nicht im engeren Sinn als (deutsche) Eliteuniversität bezeichnet werden kann. Ein ähnlicher Fall ergab sich im Übrigen bei der ChatGPT vorab gestellten Frage, ob das Buch dem Programm bekannt sei. Die KI antwortete bejahend, mit einer kurzen Inhaltsangabe und der Information, dass der Band von der Kritik „gelobt“ worden sei und „positive Kritiken“ erhalten habe. Dass es durchaus kritische Stimmen (z. B. in der Zeit und der taz) gab, blieb schlichtweg unerwähnt. Damit wurde zumindest nicht die ganze Wahrheit präsentiert.

Interessant ist außerdem, dass die KI an vielen Stellen Menschlichkeit bzw. einen humanen Rezensenten vortäuscht. Dass Barons Darstellung beispielsweise einen „nachhaltigen Eindruck“ erzeuge und es „uns“ ermögliche, „uns in seine Lage zu versetzen“, suggeriert nicht nur eine Gemeinsamkeit zwischen Rezensent (Software) und Leser:innen (Menschen), sondern auch die beidseitige Fähigkeit empathischer Einfühlung, die ChatGPT nicht besitzt und sich auch selbst explizit nicht zuschreibt.[1] Auch die Tatsache, dass in der Rezension an verschiedenen Stellen ästhetische Wertungen vorgenommen werden („meisterhaft“, „kraftvoll“, „absolutes Muss“ etc.), wiederspricht der von dem Programm selbst angeführten Argumentation, dass sich KI insbesondere mit Wertungen (und der Darstellung von Emotionen) schwer tue. Allerdings dürfte die Existenz solcher Wendungen im Rezensionstext auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass ChatGPT die Textsorte ‚Rezension‘, welche solche Formulierungen typischerweise enthält, einfach imitiert. Wenn die entsprechenden Wertungen bezogen auf den spezifischen Roman also tatsächlich sinnvoll oder auch nur nachvollziehbar sind, dürfte das schlichtweg Zufall sein (sofern nicht bestehende Rezensionen zu Barons Buch in den generierten Text einfließen).

Ein ähnliches Textbild – reich an Redundanzen, Floskeln und Unpräzisem – ergibt sich übrigens, wenn man das Programm eine Kurzgeschichte (oder auch andere literarische Texte) verfassen lässt. Heraus kommt in der Regel eine uninspirierte Retortenerzählung, die spürbar aus bereits Vorhandenem schöpft. Nichtsdestoweniger sind die grundsätzlichen sprachlichen, interaktiven und auch informationsbezogenen Ergebnisse (das Programm kann beispielsweise Quantencomputer oder Schwarze Löcher erklären – auf Mandarin, Hebräisch, Portugiesisch …) aber in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Und dies sind noch immer die ersten Schritte neuer KI-Generationen. ChatGPT hat zwischenzeitlich sein erstes Update von dem zugrundeliegenden GPT-3 auf das wesentlich leistungsfähigere GPT-4 erfahren, Google und andere große Tech-Konzerne entwickeln ihrerseits auf Hochtouren KI. Es bleibt abzuwarten, wie lange die beschriebenen textuellen Mängel noch bestehen werden.

Bis dahin allerdings lässt sich zumindest mit Blick auf das hier besprochene Beispiel sagen: Eine solche Rezension ist durchaus kein „absolutes Muss für alle.“ 

 

[1] Spricht man die KI hierauf an, macht sie zwar klar, dass sie sich nicht für menschlich halte, entsprechende Pronomina aber aufgrund einer stilistischen Entscheidung verwende, um eine allgemeine, kollektive menschliche Perspektive zum Ausdruck zu bringen. Das Programm sieht darin nichts Manipulatives, da entsprechende Formulierungen gängig seien und Manipulation nur mit entsprechender Intention möglich sei, welche die Software als KI ja grundsätzlich nicht habe.