Kein Fun ohne Fight
In Antti Tuomainens Roman „Die Biber-Methode“, dem letzten Band seiner Henri-Koskinen-Trilogie, steht die Existenz von Henris Abenteuerpark auf dem Spiel
Von Dietmar Jacobsen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseHenri Koskinen, gekündigter Versicherungsmathematiker und Inhaber des von seinem Bruder geerbten Abenteuerspielparks „DeinMeinFun“, hat sich gerade wieder aus einem persönlichen Tief herausgearbeitet. Die Zukunft mit der Künstlerin Laura Helanto und ihrer kleinen Tochter Tuuli scheint, nachdem Henri bei den beiden eingezogen ist, einer Art von paradiesischem Familienidyll immer ähnlicher zu werden. Und Henri ist fest entschlossen, alles dafür zu tun, dass das auch so bleibt. Also geht er zu Elternabenden, stellt seine finanzielle Expertise für die Planung von Klassenfahrten zur Verfügung und verspricht, auch seine Freundin Laura, die gerade mit einem neuen Projekt beschäftigt ist, nach Kräften zu unterstützen.
Allein: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, wie es in Schillers Wilhelm Tell so treffend heißt. Und dieser böse Nachbar ist in Henris Fall dieses Mal ein aggressiv um Kunden bemühtes Konkurrenzunternehmen, das am anderen Ende von Helsinki die „Purzelbaumwelt“ betreibt. Auch hier können Kinder in überlebensgroßen Tierfiguren herumklettern, rutschen, schaukeln und sich auf vielerlei Art amüsieren, während es sich ihre Eltern in einem Café, aus dem heraus man die bunten Schauplätze gut im Blick hat, wohl sein lassen. Der Unterschied ist nur: In der „Purzelbaumwelt“ ist das meiste umsonst. Eintritt frei, Hotdogs gratis und obendrein Auftritte von landesweit bekannten Comedians und Popsternchen. Kein Wunder deshalb, dass die Parkplätze am „DeinMeinFun“ langsam verwaisen und Henri Koskinen und seinem kleinen Team plötzlich die Pleite droht.
Antti Tuomainen ist in Finnland einer der angesehensten und erfolgreichsten Schriftsteller. Der 1971 in Helsinki geborene frühere Werbetexter, der sich inzwischen als freier Journalist und Autor skurriler Romane, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, durchschlägt, hat sich mit seinen aktuell elf Büchern auch international einen Ruf als einer der besten Vertreter des „Nordic Noir“ erschrieben. Übersetzungen seiner Werke erschienen bisher in mehr als 25 Sprachen, Verfilmungen sind geplant. Mit Die Biber-Methode, dem letzten Band der Henri-Koskinen-Trilogie, setzt er nun fort, was mit Der Kaninchen-Faktor (2020, deutsch 2021) und Das Elch-Paradoxon (2021, deutsch 2022) begann. Und erneut haben Niina Katariina und Jan Costin Wagner für eine gut lesbare deutsche Übersetzung gesorgt.
In der es, wie aus den beiden vorangegangenen Bänden schon gewohnt, wieder darum geht, dass Tuomainens Held sich mit List, mathematischem Kalkül und unter Einsatz der höchst unterschiedlich ausgeprägten Talente seiner fünf Team-Mitglieder gegen das in seine kleine Welt einbrechende Verbrechen wehren muss. Dass das nicht immer einfach ist und gelegentlich der eine oder andere seiner Widersacher Henris Interventionen nicht überlebt, ist für die Leserinnen und Leser des finnischen Autors, der geschickt auf der Grenze zwischen Kriminalroman und Groteske balanciert, ebenfalls nichts Neues.
Allein welches Motiv sich dieses Mal hinter dem seltsamen Geschäftsgebaren seiner Gegner von der „Purzelbaumwelt“ verbirgt, bleibt Koskinen lange ein Rätsel. Legt es das Triumphirat um den in der Kluft eines „Berufsjugendlichen“ auftretenden Kraftprotz Nico Adler tatsächlich darauf an, den „DeinMeinFun“-Park in den Ruin zu treiben, indem es selbst auf jeglichen Profit verzichtet und, so lange das Konkurrenzunternehmen noch existiert, das eigene Publikum mit Gratis-Angeboten verwöhnt? Nutzt man die „Purzelbaumwelt“ lediglich, um schmutziges Geld zu waschen? Oder haben die Herren mit den schlechten Manieren, die auch vor mordsgefährlichen Anschlägen auf die Konkurrenz nicht zurückschrecken vorerst nicht einsehbare Gründe für ihr rabiates Verhalten?
In Die Biber-Methode dominieren Humor sowie Figuren mit Herz und Verstand in einer Welt, in der das Verbrechen gesellschaftsfähig geworden und Anstand und Ehrlichkeit auf dem Rückzug begriffen sind. Doch die Mannschaft des „DeinMeinFun“-Abenteuerparks weiß, wie man sich gegen Gegner, die scheinbar nichts Verbotenes tun und dennoch Unheil anrichten, zur Wehr setzen kann: durch Zusammenhalt und Solidarität. Die erlebt Henri auch zunehmend in seiner neuen Familie und in der Gemeinschaft mit den Vätern der Mitschüler und Mitschülerinnen der kleinen Tuuli. Hat er dem Idealismus der Kuchen backenden, Marmelade kochenden, strickenden und häkelnden Männer, die über Basare das Geld zusammenbekommen wollen, das ihren Kindern eine unvergessliche Klassenfahrt nach Paris ermöglichen soll, anfangs seine konsequent realistische Sicht des „So wird das nie was“ entgegengesetzt, überzeugt ihn schließlich der erhebende Enthusiasmus der Männer, der sie alle Hindernisse ignorieren lässt, die ihrem Plan im Weg stehen könnten.
Natürlich wird am Ende alles gut bei einem Autor, der das deutsche Pendant seiner letzten Romane am ehesten noch in den beim breiten Publikum höchst erfolgreichen Büchern der oberbayerischen Autorin Rita Falk finden könnte. Doch während deren Held, der eigenwillige Provinzpolizist Franz Eberhofer, schon genug Stress mit einer einzigen Familie hat, fühlt sich Henri Koskinen am Ende von Die Biber-Methode angekommen in gleich drei familiären bzw. familienähnlichen Kreisen: seinem neuen Zuhause mit Laura und Tuuli, der „Familie“ der Mitarbeiter des geretteten Abenteuerparks und dem „Papa-Club“ der emsig für das Wohlergehen ihrer Kinder schuftenden Väter. Und ab sofort gilt: „Wo Mathematik und Liebe zueinanderfinden, wohnt das Glück.“
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