Traurigkeiten und Hoffnungsschimmer
Laura Friedrich dichtet in „Kleine schwarze Handschuhe die meine Organe wenden“ über die Vergänglichkeit
Von Thorsten Paprotny
Erwachsenwerden, kann das überhaupt gelingen? Oder Abschied nehmen? Diese Frage stellt sich mit der Lektüre dieser lyrischen Abschiedsgeschichte unmittelbar ein, mit der Laura Friedrich literarisch debütiert. Die junge Dichterin sinniert über Stadien der Adoleszenz und den Tod einer vertrauten Freundin, versucht weniger, im klassischen Sinne, den Verlust zu verstehen und für sich zu verarbeiten, als vielmehr die Momente, die vergangen sind und doch im Gedächtnis bleiben, einfach zu fassen, nicht philosophisch oder gar weltklug zu überformen. Traurigkeit spricht aus diesem epischen Versgedicht und den lyrisch zueinandergefügten Prosafragmenten, dazu ein sinnhaftes Nachdenken, manchmal ein schmerzgesättigtes Stammeln, bisweilen eine ins Weite hinausschauende Souveränität.
Das lyrische Ich spricht von einem Blick, der „beladen“ sei „wie von tausend Seelen“. Die Schwere wird gegenwärtig, Erfahrungen des Schwindels und Schwankens treten hinzu:
Ich würde gern das Schwanken erklären
aber ich habe nur Wörter
und die sind plump und leicht
und reichen nicht
Eine ganz eigene Konstellation der Adjektive wird erkennbar, wenn, wie hier bemerkt, die Sprache nicht zureicht, um zu sagen, was zu sagen ist. Dann werden Wörter, die von ferne vielleicht wie schwebend anmuten, zugleich „plump und leicht“, schlicht unzureichend, ungenügend. Das, was erfahren wird, bleibt jenseits der Sprache. Das lyrische Ich stellt tonlos fest: „bin jung und / liege wach“. Die Gedanken kreisen, so auch die Emotionen, der eigene Körper kann auch als „ungemütliches Zuhause“ erfahren werden. Im Bewusstsein der Endlichkeit schreibt niemand „Trost an die bebenden Wände“, indessen „nur auf die Innenseite ihres Bettes ritze ich eine kleine Notiz“:
du du
warst
eine verschlossene Nuss
in dir
ein fließender Kern
In dem stotternd tönenden „du du“ zeigt sich die ganze innere Bewegung des lyrischen Ichs, das ein Bild wählt, das spannungsvoll anmutet, aber das Geheimnis der Person, die verstorben ist, nicht enthüllt. Mit diesen Worten ist vielleicht alles gesagt und doch Distanz gewahrt. Es treten sodann klassische Trauerredner auf, mit „hübschen Geschichten“, die „ihr elendes garnichts“ vortragen, und was immer sie sagten, „es war: kein Eingang und kein Ausgang“. Was bleibt, ist „keine Ahnung wer wir wirklich sind“ und die Erinnerung an den Schmerz, verbunden mit dem Nachdenken darüber, was mit den Körpern der Verstorbenen geschieht:
weißt du warum sie die Toten salben und schmücken also anderswo
irgendwo anders wo es uns nichts gibt
warum sie sie aufbahren und heiligsprechen
warum sie den Kopf neigen und mit Blüten werfen. Mit herrlichen Blüten.
mit Herrlichkeit werfen sie
oder gemeinsam sitzen und schweigen
warum sie niedriger sitzen wollen als die Toten
ganz nah an der Erde
liebe Sis weil sie kein Ende kennt
Die Verse bleiben im Rätsel, trotz der bildhaften Anschauung, die sie schenken. Sichtbar wird vor allem die unüberwindliche Ratlosigkeit, die der Trauer über den Verlust innewohnt, in der – zumindest hier – keine Spur von Trost eingezeichnet ist, nicht einmal der mitunter tröstliche Gedanke, dass der Abschied von der Welt auch wie eine Erlösung von Leiden erfahren werden kann. Letztlich zeigt sich doch ein Hoffnungsschimmer, eine Ahnung von Liebe, die in kunstvoll gefügten Worten dargeboten ist und zu einem Lächeln einlädt:
geh mal mit einer oder einem in den Wald wenn Wind ist und so
leg dich auf den Boden und schau mal tief in jemand anderen
bis sie dich liebt
bis er dich liebt
und dann liebt ihr euch
langsam
Von Traurigkeit und Abschieden ist in diesen Gedichten die Rede, von der Schwierigkeit, sich von einem geliebten Verstorbenen zu lösen, aber dennoch lässt Laura Friedrich, deren Sprache nicht immer leicht zugänglich ist, Hoffnungsgedanken zu, wie diese Verse zeigen, wenn sie ganz sanft von Liebe spricht, die doch wieder neu entstehen und wachsen kann, ganz langsam. Dieser Lyrikband, ein bemerkenswertes literarisches Debüt, macht nachdenklich. Manche Gedichte darin müssen behutsam tastend erkundet und wieder gelesen werden, ehe sich langsam erschließt, was gesagt ist oder gesagt sein könnte.
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