Postsowjetische Regime sorgen für weiteren Zufluss zum Genre der Gefängnis- und Lagerliteratur
Der belarussische Anwalt und Oppositionelle Maxim Znak konnte „Zekamerone“ aus der Untersuchungshaft schmuggeln
Von Kai Sammet
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEin Bericht der Tagesschau vom 21. Juli 2023 liefert folgende Informationen und Einschätzungen: Nach UN-Angaben soll es in Belarus ca. 1500 politische Gefangene geben. Die Angehörigen erhalten so gut wie keine Nachrichten über das Befinden der Inhaftierten. Sie selbst sind nicht nur dadurch subtilem (Psycho-)Terror ausgesetzt. Stets könnten auch sie verhaftet werden.
Unklar scheint, inwieweit in belarussischen Gefängnissen und Straflagern gefoltert wird. Möglicherweise werden Gefangene „nur“ durch Vernachlässigung, durch Vorenthalten notwendiger medizinischer Behandlungen mürbe gemacht, wahrscheinlich in einigen Fällen jedoch dadurch zu Tode gebracht. Einschlägig ist der Fall des Künstlers Alex Puschkin, der vor Kurzem auf einer Intensivstation starb, die Umstände sind unklar. Seit Monaten fehlen Informationen über den Zustand des ehemaligen Bankiers Viktor Babariko, der 2020 gegen den belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko um die Präsidentschaft antreten wollte. Babariko wurde aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet und 2021 zu vierzehn Jahren Haft verurteilt. Babarikos Gesundheitszustand soll sich seit April 2023 stark verschlechtert haben.
Verantwortlich für die desolate Lage sind der zunehmend diktatorische und autoritär regierende Präsident Lukaschenko und sein Regime. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit von Belarus 1991 gab es fünf Präsidentschaftswahlen (die erste 1994), die sämtlich, oh Wunder, Lukaschenko gewann. Vor der letzten Wahl im August 2020 wurden Oppositionelle und Mitbewerber ums Präsidentenamt mit fadenscheinigen Begründungen von der Wahl ausgeschlossen und/oder verhaftet. So auch der Blogger Serhej Tichanowski, weshalb seine Frau Swjetlana Tichanowskaja antrat. Lukaschenko ‚siegte‘ mit 80,0% der Wählerstimmen, internationale Beobachter gehen von massiven Wahlfälschungen aus, Beschwerden oppositioneller Bewerber wurden abgewiesen.
Daraufhin gab es massive Proteste, verhaftete Demonstranten berichteten von Misshandlungen. Bei einer Demonstration am 16. August 2023 in Minsk sollen ca. 200.000 Menschen protestiert haben. Auf Vorschlag der bei der Wahl ‚unterlegenen‘ Tichanowskaja wurde am 18. August ein sogenannter Koordinierungsrat gegründet, der eine friedliche Machtübergabe Lukaschenkos vorbereiten sollte. Mitglieder dieses Koordinierungsrates waren oppositionelle PolitikerInnen, Vorsitzende aus betrieblichen Streikkomitees, aber auch Intellektuelle wie die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Wie bekannt wurden die Proteste blutig niedergeschlagen, Tichanowskaja floh nach Litauen. Eine ihrer Mitstreiterinnen war die Musikpädagogin Maria Kalesnikava, die, nachdem Viktor Babariko als Präsidentschaftsbewerber abgelehnt wurde, für ihn in den Wahlkampf einstieg. Kalesnikava wurde am 7. September 2020 festgenommen und erhielt eine Woche später eine Anklage wegen „Gefährdung der staatlichen Sicherheit“ – mitangeklagt war der Anwalt Maxim Znak, Mitglied des Präsidiums des Koordinierungsrats und zeitweise Anwalt Kalesnikavas. Ein Foto zeigt beide in einem Gitterkäfig als wären sie gefährliche wilde Tiere. Kalesnikava erhielt elf Jahre Haft, Znak zehn Jahre in einer Strafkolonie wegen Gründung einer „Terrororganisation“. Vor seiner Verurteilung verbrachte er mehr als ein Jahr in verschiedenen Untersuchungsgefängnissen.
Dort machte er Notizen über die Haft(-Bedingungen), die nach ‚draußen‘ gebracht werden konnten und nun auf Deutsch als Zekamerone vorliegen – eine Anspielung natürlich auf Boccaccios Decamerone, semantisch verschmolzen mit einem russischen Wort – zek – für Gefangener. Vorweg: Znak schreibt keine autobiographische Klage, er kommt als Person Znak, die Ich sagt, nicht vor, vielmehr, so die Aussage der in den USA lebenden belarussischen Lyrikerin Valzhyna Mort (die ein hilfreiches Nachwort beigesteuert hat), baut Znak „das Chaos der Realität zu Geschichten um“.
Znaks Zekamerone ist also Gefängnisliteratur. Mag das ein oder andere literarische Genre mal mehr, mal weniger bedient werden, so kann man bei der ewigen Konjunktur diktatorischer Regime getrost davon ausgehen, dass diese Sparte steten Zufluss erhält. Das 20. Jahrhundert mit den beiden Großdiktaturen Nationalsozialismus und Stalinismus hat ja eine ganze Reihe an bedrückenden, aber auch eindrucksvollen Beispielen von Gefängnis- oder Lagerliteratur hervorgebracht, es sei nur (willkürlich ausgewählt) an Albrecht Haushofers Moabiter Sonette, an die KZ-Lagerliteratur oder an Horst Bieneks Zelle (Bienek war zwischen 1951 und 1955 in einem sowjetischen Arbeitslager interniert), an Warlam Schalamows Erzählungen aus Kolyma, Solschenizyns Archipel Gulag oder Walter Kempowskis posthumen Gedichtband Langmut (über seinen Aufenthalt zwischen 1948 und 1955 ebenfalls in einem sowjetischen Arbeitslager) erinnert.
Nun schicken sich also (nicht nur, aber auch) einige Nachfolgeregime der untergegangenen Sowjetunion an, den oben erwähnten Zufluss nicht abreißen zu lassen. Gemäß einer Einordnung durch Uta Klein und Helmut H. Koch, die 1988 ein Buch zur Gefangenenliteratur veröffentlichten, lassen sich einige typische Schreibimpulse bei Gefangenen oder überhaupt bei Insassen totaler Institutionen erkennen. Man versucht, sich durch das Schreiben zu bewahren, die eigene Identität zu wahren, nicht brechen zu lassen, es soll Zeugnis abgelegt werden, publik gemacht werden, was das Regime ver- oder totschweigen will, damit ist Schreiben in Haft/Lager/totaler Institution auch ein wie auch immer schwacher Protest und Widerstand.
In Maxim Znaks „Sammlung von einhundert mini stories“ (so der Klappentext) lassen sich sämtliche dieser Impulse ablesen, auch wenn die gekonnte literarische Verarbeitung Einiges erst beim zweiten Blick erkennen lässt. Znaks Texte sind in der Regel ein, höchstens zwei Seiten lang und beschreiben das Leben der Insassen in der totalen Institution belarussisches Untersuchungsgefängnis. Und der Existenzgrund totaler Institutionen ist, selbst ohne Folter, Schläge oder Tötung das inhaftierte Individuum zu entwürdigen, seiner Individualität zu berauben, es zu brechen, klein zu machen, zu erniedrigen. Das funktioniert oft gut mit erstaunlich einfachen Mitteln. Es beginnt mit der Belastung durch das Zusammensein einander fremder Menschen (hier: Männer) auf engstem Raum:
Stellen Sie sich vor, Sie sind mit einem Dutzend Unbekannter zusammengepfercht, und jeder hat seine Gewohnheiten. Klingt nicht besonders schlimm. Aber vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche. Die Gewohnheiten nehmen jeden verfügbaren Quadratmeter ein. Üblich sind achtzehn für neun, und von den achtzehn Quadratmetern geht ein Drittel für die „technischen Anlagen“ drauf. Der Rest für den Tisch und die Pritschen. In der Zelle ist deshalb alles Kollektivgut: Geräusche wie Gerüche.
Und selbst nachts hat man nicht seine Ruhe „Um zu verstehen, was Schnarchen bedeutet, muss man fünf bis zwanzig Männer in einen Raum sperren. Es sind definitiv ein paar Schnarcher dabei. Sukzessive geben Sie ihr schwarzes Handwerk an die anderen weiter.“ Was da bei Znak so scheinbar nüchtern oder bestenfalls spröd sarkastisch daherkommt, zeigt, dass er diese subtile Zermürbung in Distanz rücken will – es ist ja nicht bloß ein ‚Problemchen‘, dass man nachts Schnarchen ausgesetzt ist; das macht physiologischen Stress, das ist nicht trivial, damit kann man gesundheitlich angeschlagene Menschen weiter krank machen.
Ist der Existenzgrund totaler Institutionen, Menschen zu entwürdigen, so ist Willkür das geläufigste Mittel. Eine totale Institution ist ein Maßnahmen-, nur scheinbar ein Rechtsstaat. Subtiles oder weniger subtiles Drangsalieren, Beherrschen, systematisches Verunsichern und Ver-Ohnmächtigen. Ein Beispiel unter vielen, das Znak in eine mini story packt. Ein neuer Insasse liest die an der Wand angepinnten Regeln. Er kann nicht finden, dass davon die Rede sei, er dürfe sich tagsüber nicht hinlegen. Weit gefehlt. Die Wärter, Herrscher über die Regeln, Deuter der Regeln, erfinden sie sich zurecht (bei Widerspruch gibt es einen „Tadel“, mehrere führen unweigerlich in den Karzer). Es gibt eine graphische Anleitung, wie die Betten gemacht werden müssen. Der Wärter zum neuen Gefangenen: ob er da ein liegendes Männchen sehe? Nein? Folglich: Liegen verboten.
Der öfter in Znaks Geschichten auftauchende „Schnabel“ ist eine Luke vom Flur in die „Hütte“ (aka Gefängnisgemeinschaftszelle): „um in den Schnabel zu schauen, muss man in die Hocke gehen oder sein Gesicht auf andere Weise unter Hüfthöhe bringen. Dann konnte man sprechen – von unten nach oben.“ Der Wärter vor der Tür ist oben, das ist nun wahrlich Unter-Werfung.
Man exkludiert die Gefangenen aus der (ehedem sozialistischen) Gemeinschaft. So müssen die Mitarbeiter der Gefängnisverwaltung stets „mit graschdanin natschalnik (dt. Bürger Vorgesetzter) angesprochen werden“, diese Anrede, so weiß eine erläuternde Fußnote, stamme „aus sowjetischer Zeit, als mit dem Begriff „Bürger“ (im Gegensatz zu „Genosse“) ein offizielles Distanzverhältnis ausgedrückt wurde“.
Totale Institutionen funktionieren wie protonormalistische Regime. Mit diesem Ausdruck beschrieb Jürgen Link Gesellschaften, die (unter anderem) auf Dressur aufgebaut sind. In ihnen herrscht eine klare dichotome Ordnung – in diesem Fall im Gesicht. Oft wird von den Wärtern bei einem Gefangenen moniert, er sei ja nicht rasiert – was dann zu einem Tadel führen kann. Indem man den Insassen als „unrasiert“ (aka ungepflegt, nicht der Norm entsprechend brandmarkt), lässt sich wieder willkürlich an ihm herumdressieren, kann man ihn entwürdigen, ihm vorschreiben, wie er auszusehen hat. Überdies geht das Gerücht, dass man, wenn man vor Gericht geführt wird, schnell mal ein paar Jahre mehr Straflager erhält, wenn man dort als „unrasiert“ erscheint.
Immerhin gibt es ja Gerichte! Man wird in Belarus nicht einfach totgeschlagen! Aber auch hier weiß das System wieder Schikanierungsgewinn für sich herauszuschlagen. Ein Untersuchungsgefangener muss ja einem Gericht vorgeführt werden! Erfährt ein Gefangener, er werde am nächsten Tag zum Gericht gebracht, wird er nervös, es bleibt unklar, ob das im Morgengrauen sein wird oder ob er den ganzen Tag schmoren muss. Wird er dann zu Gericht gebracht, stehen ihm Passagen und Rituale der Demütigung bevor. Er kommt, so erläutert eine weitere Fußnote, zuerst in den „Stauraum“, eine winzige Kammer, unklar für wie lange, dann wird er in den Schubbus, den Gefangenentransporter, verbracht, da werden die Gefangenen „meist in einen schmalen Verschlag gepfercht, den „Becher“, in dem nur aufrechtes Stehen möglich ist“. Es kann sein, dass ein Gefangener lange unterwegs ist. Ist er endlich beim Gericht, kann es sein, dass er den ganzen Tag auf eine wenige Minuten dauernde ‚Verhandlung‘ warten muss, die also oft nichts anderes ist als eine Farce, die Rechtsstaatlichkeit vortäuscht, wo es um Machtdemonstration geht.
Was tun den ganzen Tag? Znak musste Zwangsarbeit als Gehilfe in der Näherei leisten, ansonsten muss man die Zeit totschlagen. Da ist die Glotze gerade recht, auch wenn da zum Beispiel völlig hirnrissige Astro-Shows laufen. Noch beliebter: der unbestrittene „Spitzenreiter“ war die „türkische Serie „Inside“. Wenn sich auf dem Weg zum Gericht die Bewohner verschiedener Hütten im „Sammelraum“ trafen, hatten sie etwas aus der aktuellen Kunst zu besprechen: „den schrillen Klang des Streichorchesters, die langen Einstellungen in den stummen Szenen, die unfassbare und hoffnungslose Dummheit der Figuren und ihre lächerlichen Namen“. Aber nicht einmal Verdummung wird den Insassen gegönnt – die Institution schlägt wieder zu. Das Licht wird um 22 Uhr ausgemacht, dann wird einfach der Strom abgestellt: aus die spannende Serie.
Der Hofgang bringt wenig Abwechslung, oft will die „Hütte“ gar nicht gehen. Auch die Höfe sind eng, zeigen jedem Gefangenen sein Gefangensein: „Jeder Hof war anders: unverwechselbare Zement- und Putzmuster an den Wänden, eine einzigartige Tier – und Pflanzenwelt“. Allerdings maß der größte Hof nur sieben mal vier Meter, viele umfassten nur zwei auf zwei Meter.
Dass die Willkür gegenüber ‚Verbrechern‘ (politische Gefangene werden mit ‚normalen‘ Kriminellen zusammengesperrt) selbstverständlich auch das Vorenthalten oder willkürliche Gewähren des Kontakts zu Angehörigen umfasst, zeigt der Zensurio:
Im Reich des Zensurio gab es eine Raum-Zeit-Anomalie: Manchmal kamen die Briefe, die man an die Nächsten schickte oder von ihnen erhielt, innerhalb von zwei Tagen an, manchmal innerhalb von zwei Monaten und manchmal überhaupt nicht.
Znak hat aber auch einen guten Blick für die Mitgefangenen (die, nebenbei bemerkt, Znaks erstes Publikum waren, ihnen las er seine „Geschichten“ vor, die wahrscheinlich allemal interessanter waren als Liebesglück verheißender astrologischer Humbug aus der Glotze). Nicht zuletzt hier zeigt Znak seine präzise Beobachtungsgabe und seine literarischen Fähigkeiten. Oft handelt es sich um skurrile Geschichten über skurrile Zeitgenossen. Da ist der Hypochonder, der fast täglich an sich neue Krankheitssymptome entdeckt, sich beklagt, niemand kümmere sich um ihn, er erhalte keine Medikamente – doch siehe da: Nach seiner Verlegung finden die anderen Gefangenen „unter seiner Pritsche ein kleines Medikamentenlager“.
Eine scheinbar nur lustige Episode ist die vom Haareschneiden, denn viele der Gefangenen – Znak zum Beispiel saß über ein Jahr in Untersuchungshaft – sind lange weggesperrt. Ein ‚Frisör‘ verspricht einem Mitgefangenen, er mache ihm einen Haarschnitt wie Brad Pitt. Doch so arg sind seine Stylisten-Fähigkeiten nicht. Am Ende wird es ein Kurzhaarschnitt. Kommentar des Coiffeurs: „‚Mein lieber! Ich hab dir eine Hollywoodfrisur gemacht! Leider nicht ganz wie Brad Pitt… Aber was soll´s! Dafür wie Bruce Willis!‘“ Aber auch hier geht es natürlich um Würde, um das eigene Aussehen als Teil der Identität und um die Unmöglichkeit wie ein freier Mensch darüber selber befinden zu können.
Auch nur scheinbar witzig-skurril ist die Pfiffigkeit eines anderen Mitgefangenen. Als er ankommt, ist er schlank. Im Untersuchungsgefängnis isst er alles, was er kriegen kann und wird dick: „Er klopfte sich auf den Bauch und teilte seine Weisheit: „Wir kommen alle ins Lager. Was nehmt ihr dahin mit? Richtig: Kippen, Tee …. Und alles, was ihr hier ansammelt. Je mehr, desto besser. Ein Lager ist ein Lager, da kommt einmal im halben Jahr etwas an“, er bereite sich „auch aufs Lager vor! Ihr sammelt in euren Taschen – ich in meinem Bauch!“ Und dann ließ er sich auf den Bauch tätowieren: „OMNIA MEA MECUM PORTO“. Wie gesagt, das ist doch lustig, oder? Aber zeigt diese Episode nicht etwa, dass hier einer das 20. Jahrhundert mit seinen abgemagerten, ausgemergelten Lagerinsassen im Kopf hat? Wer weiß, wohin sich Belarus entwickelt.
„Der Einzug in eine neue Zelle, insbesondere wenn es die erste im Leben war, war beängstigender als ein Flug ins offene All.“ Ein Neuankömmling trifft auf Häftlinge, die teils schon eine arge kriminelle Karriere hinter sich haben, sie gucken finster, fragen nach seinem Paragraphen. Antwort: „drei-zwo-acht“, was für Drogenvergehen steht. Und schon geht es los. Einer der Finsterlinge macht ihn zur Sau. So einer wie er sei schuld, dass seine Tochter an der Nadel hänge. Er will auf ihn losgehen, die anderen können ihn grade so zurückhalten – doch Friede kehrt erst ein, wenn der Neue einen Finger lässt: „‚Bist du bereit, deinen Finger auf den Panzer zu legen und zu schwören, dass du nie wieder mit Drogen handeln wirst?‘“ – Ja! Die anderen halten den angstgepeinigten Neuling fest, einer nimmt eine Schaufel: „Er zuckte zusammen, als der Kerl „nnnnaa!!!“ brüllte und die Schaufel nach unten sauste […], die Schaufel krachte mit einem Klirren auf die Mauer neben den kleinen Finger.“ Glück gehabt? Schon, jedenfalls geht es im Gefängnis rau zu: „Die Männer lachten, klopften ihm auf die Schulter und zeigten mit den Daumen nach oben. Sie waren alle wegen Paragraph 328 in dieser Hütte.“
Diese wenigen Beispiele sollten einen Eindruck von Znaks Kunst vermitteln, mit knappen Mitteln eine Lebenswelt unter Entwürdigungsbedingungen zu beschreiben. Sicher leben, so Valzhyna Mort im schon erwähnten Nachwort eigentlich „alle Belarussen in einem Gefängnis“, doch in dieses Gefängnis sind weitere Gefängnisse und Straflager eingeschachtelt. Nach seiner Untersuchungshaft und seiner Verurteilung sitzt Maxim Znak in einer Strafkolonie in Witebsk im Nordosten von Belarus. Wie geht es ihm jetzt? Es finden sich nur einige wenige Informationen in einem taz-Interview vom 19. Mai 2023, das mit dem Übersetzer des Zekamerone, Volker Weichsel, geführt wurde. Das Regime, so Weichsel, tue „alles, um Maxim Znak das Leben zur Hölle zu machen“. Er werde aus „nichtigen Gründen ständig in Einzelhaft verlegt“, erhalte keine Post, die „ohnehin seltenen Besuchszeiten werden gestrichen“, Kontakt sei nur über seinen Anwalt möglich, doch auch die Anwälte politischer Gefangener werden in Belarus schikaniert.
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