Über das Dasein auf Erden und sein vorprogrammiertes Ende
Josefine Klougart beschreibt in „New Forest“ das Leben und dessen Endlichkeit in unendlicher Manier
Von Stefanie Steible
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAuch wenn das Buch ankündigt, drei Figuren und deren Handlungsstränge zusammenzuführen, wirkt der Roman von Josefine Klougart erstaunlich handlungsarm und träge. Selten entfaltet er spannende Momente. Anders interpretiert könnte genau das auch den Reiz des Werkes der dänischen Autorin ausmachen, die von ihren Leserinnen und Leser aber viel abverlangt. Denn sie spricht nicht nur die positiven Dinge unserer Zeit an, sondern nimmt sich vor allem dessen und derer an, die hilfsbedürftig sind und eine solche Unterstützung gut brauchen können.
Die Autorin fordert ihre Leserinnen und Leser gleich zu Beginn mit der in endloser Breite beschriebenen Natur, genauso wie es die Handlungsumgebung des Romans wohl verlangt. Doch sind die Verknüpfungen zwischen den Hauptfiguren – einer Frau aus einer gescheiterten Beziehung, die aufs Land zieht, einer jungen Frau, die die Natur liebt und zugleich zu Hause feststellt, wie problembeladen sich die Beziehung ihrer eigenen Eltern zueinander zu entwickeln droht. Und schließlich eine dritte weibliche Person, die den Tod ihres Mannes nicht akzeptieren will und sich mit dessen Leichnam einschließt, um weiter mit ihm zusammenzuleben.
Erst jetzt findet letztere Frau die Ruhe, die sie in ihrer gesamten Beziehung umsonst gesucht hat. Seine Worte fanden jedoch bei ihr keinen Anklang:
Wir dürfen uns nicht bekriegen, sagt er. Und jeden Tag muss man sich mit etwas in sich und im anderen versöhnen. Womit soll ich mich versöhnen, winselt sie. Mit allem, sagt er und nickt in Richtung Meer. Mit dem Zustand der Dinge. Wie es ist. Ich hatte mich auf einen wundervollen Tag mit dir gefreut, sagt er.
Es geht um Trauer, um Peinlichkeiten und Scham, um Ängste und das Abschiednehmen. Diese globalen Themen werden an unterschiedlichen Orten, an den Herkunftsorten der Figuren und deren Wahlheimaten, behandelt. Kindheitserinnerungen werden so immer wieder als das Thema aufgegriffen, welches das Werk umspannt.
Als Plot ist daher am ehesten die Suche nach dem echten Zuhause zu identifizieren. Dies könnte sowohl räumlich als auch emotional gesehen werden, denn Klougart schreibt unter anderem „Wer am wenigsten liebt, hat die Macht“ und resümiert durch diese Aussage die vielen Affären des früheren Geliebten ihrer Hauptfigur, die es ihr unmöglich machten, sich an seiner Seite und am Ort ihres gemeinsamen Daseins heimisch zu fühlen. Ruhe findet sie scheinbar nur im englischen New Forest, Schauplatz ihrer kindlichen Urlaubserinnerungen, die aber genauso gut verfälscht sein könnten. Und so könnte sich auch die Rückschau auf ihre vormals als toxisch identifizierte Beziehung mit größerem zeitlichem Abstand differenziert gestalten. Ob dies aber auf 700 Seiten ausgebreitet werden muss, bleibt als große Frage, mit der die Lesenden zurückgelassen werden.
Typisch für Klougart ist, dass sich ihre Figuren gar nicht weiterentwickeln. Stimmungen, Gefühle und Bilder werden zwischen den Sätzen vermittelt und ausgelöst. Deswegen sind ihre Naturbeschreibungen so minutiös ausgebildet. Sie laufen auch sehr strukturiert ab, was vor Überraschungen schützt, aber dem Buch auch die letzte Aussicht auf Spannung nimmt. Linguistisch ist es hingegen hervorragend aufgearbeitet. Doch kann es mehrere Anläufe benötigen, bis sich Leserinnen und Leser der Autorin hier ggf. annähern.
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