Refugium und Wallfahrtsort
25 Jahre Ernst-Jünger-Stiftung
Von Lutz Hagestedt
Literatur ist schwer auszustellen, doch vor einigen Jahren gelang Marbach eine sehenswerte Jünger-Schau: „Arbeiter am Abgrund“. Die Ausstellung wurde dadurch begünstigt, dass das letzte Wohnhaus Ernst Jüngers in Wilflingen, die ehemalige Oberförsterei, saniert werden musste, sodass wunderbare Exponate ausgelagert und ins Literaturmuseum der Moderne verbracht werden konnten.
Heute fungiert das „Wohnhaus letzter Hand“ (Hubert Spiegel) als Gedenkstätte und Dichtermuseum – die wertvolle Bibliothek, die „fragile Käfersammlung“, eine eigens konzipierte Ausstellung im Erdgeschoss (einst das Reich des „Stierleins“, der zweiten Ehefrau Ernst Jüngers) sind wichtige Komponenten dieser „Reinszenierung der Lebens- und Arbeitswelt“ dieses Jahrhundertschriftstellers. Kurator Thomas Schmidt betont in dem von ihm zum Jubiläum der Ernst-Jünger-Stiftung und 25 Jahre nach dem Tod des Autors herausgegebenen Band 25 verweht. Ernst Jünger in Oberschwaben und in der Welt zurecht den Aspekt der „Transformation“ des authentischen Substrats des Jüngerʼschen Nachlasses, denn schon zu Lebzeiten des Dichters war die Oberförsterei ein inszenierter Raum, den man nicht einfach „naiv“ eins-zu-eins rekonstruieren konnte, sondern den man fachlich begleiten und von „Intimitätsspuren“ befreien musste. Das ist hier mustergültig gelungen, zumal es schwerfällt, gerade diesem Autor gerecht zu werden.
Jeder Kurator hat vermutlich sein Lieblingsobjekt, und hinsichtlich Thomas Schmidts Liebling darf man auf den in dem Band abgebildeten „rosa Vorhang“ tippen, der Jüngers Badewanne abschirmt. Hier werden die fünfziger Jahre sinnlich erfahrbar, wie auch angesichts des ebenfalls abgebildeten schmalen Feldbettes, auf dem Jünger augenscheinlich geschlafen hat. Man fühlt sich direkt an den Frauenplan erinnert – als habe sich der Dichter als zweiten Goethe inszenieren wollen.
Franz Schwarzbauer vertritt in seinem Aufsatz die These, dass Jünger in Wilflingen die ihm „angemessene Lebensform“ gesucht und gefunden habe. Er bezieht die nähere und weitere Umgebung dieses Genius loci mit ein, die horazische „Abgeschiedenheit“ und gleichzeitige Weltläufigkeit dieses Refugiums, das mehr und mehr zum Wallfahrtsort von „Geltungsbedürftigen“ (Armin Mohler) und Staatsgästen wurde – was mitunter dasselbe war.
Detlev Schöttker schließlich erzählt exemplarisch von zwei Besuchern, die Jünger in Wilflingen heimsuchten: Jorge Luis Borges und Heiner Müller.
Ein Zeitstrahl, der 25 Jahre Museums- und Stiftungsgeschichte chronikalisch abbildet, rundet diesen Band nebst diversen Grußworten ab.
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