Impulse zu Typographie und Gestaltung
In „Spatium“ teilt der Typograph Klaus Detjen schlaglichtartig seine Gedanken zur Buchgestaltung
Von Elena Hoch
Klaus Detjen ist Buchgestalter mit Leib und Seele, daran lässt sein Band Spatium keinen Zweifel. Ebenso wenig seine Biographie: Nach einem Studium an der Werkkunstschule Wuppertal im Bereich Drucktechnik, Verlagswesen und Gestaltung, arbeitete er zunächst in einer Druckerei, später als Hersteller, Buchgestalter und Typograph für diverse namenhafte Verlage, darunter die Büchergilde Gutenberg, Suhrkamp, Rowohlt und Wallstein. Zusätzlich war er 1988 bis 2009 als Professor für Typographie und Gestaltung an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel tätig.
Spatium – was in der Typographie den leeren Raum bezeichnet, der zum Beispiel zwischen zwei Wörtern gelassen wird – zeugt unfraglich von Detjens Leidenschaft und seiner Expertise. Er wirft darin anekdotisch Schlaglichter auf verschiedene Aspekte der Buchgestaltung, darunter wichtige Gestalter und ihre Leistungen, typographische wie gestalterische Entwicklungen und Kontroversen. Sein Ziel ist es hierbei, wie es im Klappentext heißt, „in Aphorismen und Miniaturen Möglichkeiten und Erkenntnisse zur Buchgestaltung vorzustellen, um so zu einer Würdigung des Mediums Buch zu kommen.“
Dieses Vorhaben wird zumindest konzeptionell erfolgreich umgesetzt, denn die Kapitel sind kurz, manchmal kaum mehr als eine Seite lang. Und dabei wenig zusammenhängend. Zwar verweisen manche auf vorangegangene, eine Kohärenz oder narrative Struktur lässt sich jedoch nicht oder nur sehr schwer ausmachen. Dies gibt Einblicke in verschiedene interessante Themen- und Diskussionsfelder und regt an vielen Stellen zum eigenen Nachdenken an (eine Stärke des Buches), bewirkt aber auch, dass die Erzählungen und persönlichen Gedanken Detjesʼ häufig eher willkürlich daherkommen (eine Schwäche?). Dazu tragen auch die kaum bis nichts sagenden Kapitelüberschriften bei, die zum Beispiel „Palimpseste“, „Angemessen“ oder „Titelblatt“ heißen. In „Gebrannte Siena“ beklagt Detjes das ausgedünnte Vokabular der Gestalter, Setzer und Drucker. Zur Erinnerung listet er einen ganzen Katalog von Farbbeschreibungen und -namen auf, „der dem Verschwinden anheimzufallen droht“. Es reihen sich sortiert nach Farben Bezeichnungen aneinander wie Reinweiß, Perlweiß, Elfenbein, Marmorweiß, Wiener Weiß, Bleiweiß … – und das über zwei ganze Seiten.
Durchbrochen werden die einzelnen Kapitel durch doppeltseitige Graphiken, die die unbedruckten Stege einer Textseite als schwarze Flächen zeigen. Diese künstlerische Auseinandersetzung mit dem Satzspiegel, speziell den Bund- und Außenstegen, wurde eigens für das Buch konzipiert und insgesamt acht Mal in regelmäßigen Abständen eigenstreut. Eine kurze Erläuterung dessen erhalten Lesende erst ganz am Ende des Buches nach dem eigentlichen Buchinhalt, der Bibliographie und den Nachweisen. Bis dahin heißt es rätseln, wundern und irgendwann achselzuckend überblättern. (Der Vorteil schon während der Lektüre: Die fast leeren Seiten eignen sich wunderbar für Notizen.)
Die Lektüre von Detjes 79-Seiten schmalem Bändchen erinnert an ein Glas mit Zettelchen, in das man mit geschlossenen Augen hineingreift und nach und nach Papiere herauszieht. Nur, dass darauf keine Glückskeks-Sprüche oder Marmeladenglas-Momente stehen, sondern Gedanken, Aphorismen, Miniaturen und Anekdoten über Buchgestaltung. Und vielleicht muss man das Buch mit genau diesem Bild vor Augen lesen.
Das bedeutet nicht, dass Detjesʼ Buch eine bloße Spielerei ist, nein. Wer sich für Typographie, die Bedeutung und Geschichte von Schrift interessiert, wird dort auf viel Interessantes und, so macht es jedenfalls den Eindruck, fundiertes Wissen stoßen. Besonders Menschen, die ein Herz für die Materialität des Buches und Materialästhetik haben, finden dort reichlich Impulse. Aber eben auch nur das: Impulse. Tiefer greifende Untersuchungen oder Analysen wie sie etwa Thomas Boyken in Die Medialität des Erzählens vorgenommen hat – das genau wie Spatium zur von Detjen herausgegeben und im Wallstein Verlag publizierten Ästhetik des Buches-Reihe gehört – sind hier nicht vorzufinden. Eine kontinuierliche Lektüre ist demnach nur bedingt zu empfehlen. Sinnvoller erscheint es hingegen das Buch in Etappen zu lesen. Zum Beispiel jeden Tag ein Kapitel. Jeden Tag ein neuer Impuls über Typographie und (Buch-)Gestaltung.
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