Schreiben als Prozess
Ralf Rothmanns Notizen-Band „Theorie des Regens“
Von Werner Jung
Besprochene Bücher / Literaturhinweise„Wohl drei Dutzend Notizhefte“, schreibt Ralf Rothmann im Vorspann zum Band Theorie des Regens, der im Untertitel unter Notizen firmiert, habe er „in den letzten fünfzig Jahren gebraucht, und die meisten der darin festgehaltenen Einfälle, Beobachtungen oder Gedanken wurden in Erzählungen und Romane übertragen“. Aus dem überwältigenden Rest hat Rothmann nun dieses Material extrahiert, um in einem eigenen Band den Weg zu seinen LeserINNen zu finden. Und so erfährt man einiges über die biographischen Stationen des Schriftstellers, der in Oberhausen-Osterfeld geboren worden ist und sich in Berlin zum Autor entwickelt hat. Auch wenn er zunächst als Lyriker hervorgetreten ist, entdeckte er bald aber schon die Prosa für sich und erlebt diese als eine Art Befreiung. „Ich lese Gogols ‚Die toten Seelen‘“, notiert Rothmann während eines längeren Aufenthalts in Mexiko,
und beginne, Prosa zu schreiben, zum ersten Mal im Leben, sieht man von Schulaufsätzen, Notizen oder Briefen ab. Wochenlang fülle ich ein Blatt nach dem anderen, Block um Block, und weiß irgendwann nicht mehr, was genau ich eigentlich schreibe, will es auch gar nicht lesen. Es ist weniger das Thema, es ist das Schreiben als Prozess, die von jeder formalen Enge befreite und in der Freiheit spielend zu ihrer Form kommende Sprache; […]
Überhaupt ist dieser Band, der Notizen und Notate, aphoristische Bemerkungen, witzige Einfälle und bisweilen auch Kommentare zum politischen (Alltags-)Geschehen enthält, eine Fundgrube an ästhetisch-poetologischen Äußerungen Rothmanns, die einen Schriftsteller zeigen, der, ohne auf Theorien angewiesen zu sein (ja, Adornos autoritärer Gestus der „Negativen Dialektik“ geht ihm „schnell auf den Senkel“ ebenso wie auch „ihre eitle Hochsprache“), ganz der Notwendigkeit eigener Lebens- wie Schreiberfahrungen vertraut. Außerdem präsentieren sie einen Autor, der dafürhält, dass „Kunst, die den Namen verdient, […] ihren Betrachter in Frage stellt“ und – ähnlich wie Ernst Jünger – der unverrückbaren Ansicht ist, wonach „ein Schriftsteller, der sein Buch erklären oder telegen kommentieren kann“, dieses gar „nicht geschrieben, sondern gebastelt“ habe. Mindestens ganz aus dem Herzen des Rezensenten gesprochen sind auch solche boshaften und klugen Sottisen wie die zum Beispiel über soziale Medien („ein Netzwerk der Asozialen“) oder über die „Neue Rechte“ („Das wollen sie, endlich frei sein von den Mühen der Freiheit.“).
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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