Der Traum von einem besseren Leben
Stephen Bouro erzählt in „Andy Africa“ auf packende Weise und mit viel Lokalkolorit von einem jungen Protagonisten im Norden Nigerias
Von Karsten Herrmann
Der titelgebende Romanheld „Andy Africa“ ist ein fünfzehnjähriger Ministrant, der sich für einen genialen Dichter hält und nachts von weißen blonden Mädchen träumt. Seine alleinerziehende Mutter hält sich und ihren Sohn in dem von Christen und Muslimen bevölkerten Örtchen Kantagora als selbständige Fotografin über Wasser. Zusammen mit seinen Kumpels, den „Droogs“ Slim und Moracca, beschließen sie „Afrikas erste Superhelden zu werden“ und gegen die „HXVX“-Verschwörung anzutreten – den Fluch Afrikas, der aus Sklaverei, Kolonialismus und Gewaltherrschaft besteht. Theoretisches Unterfutter bekommt Andy dabei von seiner selbstbewussten intellektuellen Tante Zarah, die sich der Theorie der „Permutation“ und des „Anti-Futurismus“ verschrieben hat.
Als die junge hübsche blonde Eileen aus England ihren Onkel, den Pfarrer vor Ort, besucht, verliebt sich Andy Hals über Kopf in sie. Die beiden kommen schnell ins Gespräch über Literatur, Philosophie, Glauben und Gott. Andy erläutert der sich als Atheistin verstehenden Eileen, dass „bei uns jeder lernt an Gott zu glauben. Dass das die einzige Möglichkeit ist zu überleben. […].“ Noch am gleichen Tage ihres Kennenlernens kommt es zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems, bei denen Andys Mutter schwer verletzt wird.
Der gebürtige Nigerianer Stephen Buoro erzählt Andys Geschichte in einer locker und sinnlich dahinströmenden und zuweilen auch augenzwinkernden Prosa. Plastisch scheint hier das Leben in einem afrikanischen Örtchen mit seinen auf Kohlefeuern köchelnden Gerichten, seinen vielfältigen Gerüchen und Geräuschkulissen sowie der sengenden Hitze auf. Er verbindet dabei auch auf packende Weise das Leben eines gerade erwachsen werdenden Jungen mit seinen (pubertären) Träumen, seiner Begeisterung für die Literatur und das Dichten und mit dem düsteren Schicksal eines Landes und eines Kontinents: Die Armut der vielen und der unermessliche Reichtum von wenigen, die Korruption, die Gewalt und staatliche Repression, die Ohnmacht des Einzelnen dienen als Folie für diesen Coming of Age-Roman.
„Das Leben in Afrika ist wie ein langes Gebet“, schreibt Buoro und seine Protagonisten träumen davon, aus dieser Spirale der Hoffnungslosigkeit auszubrechen. Schließlich macht sich Andy mit seinen Freunden wie schon so viele andere zuvor auf den gefährlichen Weg in den verheißungsvollen Westen und liefert sich zwielichtigen Schleusern aus – und es kommt zu einem bösen Erwachen aus den Träumen vom glücklichen Leben in Wohlstand und Sicherheit.
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