Start ins literarische Jahr 2024

Zwei Reclam-Neuerscheinungen bieten kompaktes Wissen zu Immanuel Kant und Franz Kafka

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Jahr 2024 hält wieder zahlreiche literarische Jubiläen parat. Bereits im Januar ist der 150. Todestag von Hoffmann von Fallersleben (19. Januar). Später folgen der 300. Geburtstag von Friedrich Gottlieb Klopstock (2. Juli), der 50. Todestag von Erich Kästner (29. Juli) oder der 100. Geburtstag von Friederike Mayröcker (20. Dezember). Bekannte Werke haben ebenfalls ihr Jubiläum. So kam Thomas Manns Der Zauberberg vor hundert Jahren in die Buchläden und Goethes Werther erschien sogar vor 250 Jahren und wurde über Nacht zum Bestseller. Auch auf internationaler Ebene hat das literarische Jahr 2024 in den nächsten Monaten einiges zu bieten, z.B. den 150. Geburtstag von Gertrude Stein (3. Februar) oder die 100. Geburtstage von James Baldwin (2. August) und von Ephraim Kishon (23. August).

Die herausragenden deutschsprachigen Literaturjubiläen 2024 sind aber der 300. Geburtstag von Immanuel Kant am 22. April und der 100. Todestag von Franz Kafka am 3. Juni. Zu den beiden bevorstehenden Ereignissen gibt es bereits zahlreiche Neuerscheinungen. Nun hat der Reclam Verlag in seiner beliebten Reihe 100 Seiten zwei neue Titel veröffentlicht, die kompaktes Wissen zu Kant und Kafka vermitteln.

Claudia Blöser, Professorin für Philosophie an der Universität Augsburg versucht auf den 100 Seiten eine Annäherung an Immanuel Kant, den wichtigsten Philosophen der deutschen Aufklärung, dessen Werk das gesamte Spektrum der Philosophie umfasste. Mit ihrem Büchlein möchte die Autorin den Leserinnen und Lesern einen Eindruck von der Vielfalt und Einheit des kantischen Denkens vermitteln. Die Inhalte, mit denen sich Kant im Laufe seines Lebens beschäftigt hat, reichen von naturwissenschaftlichen Themen (Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, 1755) über die Grundlagen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit bis zu den politischen Idealen wie dem ewigen Frieden (1795).

Im Auftaktkapitel gibt Blöser zunächst einen Überblick zu Kants Biografie bis zur Erlangung der langersehnten Professur für Logik und Metaphysik an der Königsberger Universität Albertina im Jahre 1770. In den vier folgenden Kapiteln des Bands werden dann, eingebunden in den weiteren Lebensweg, die wichtigsten Gedanken und Werke Kants vorgestellt. Nach zehn Jahren veröffentlichte er 1781 seine Kritik der reinen Vernunft, mit der er eine neue Sicht auf die Frage nach der Existenz Gottes, der Unsterblichkeit der Seele und der Freiheit des Menschen lieferte. Auch sein Werk Kritik der Urteilskraft (1790) ist ein ungeheuer komplexes Werk, das bis heute die unterschiedlichsten Denker*innen inspiriert hat. Abschließend widmet sich Blöser dem Thema „Aufklärung damals und heute“. Für Kant war Aufklärung die Emanzipation aus der Unmündigkeit. Sein Aufruf zum Selbstdenken hat nichts an Aktualität eingebüßt. Doch wurde Kant selbst diesem Ideal gerecht? Die Autorin setzt sich auch kurz mit seinen Vorurteilen auseinander.

Die Kapitel sind in kleinere Abschnitte unterteilt, die einzelne Werke, Themen oder Fragestellungen erörtern, ohne dass dafür ein spezielles philosophisches Vorwissen vorausgesetzt wird.

Für Oliver Jahraus, Professor für Neuere deutsche Literatur und Medien an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist das Werk von Franz Kafka „das“ Musterbeispiel für moderne Literatur, was auch erklärt, warum er zu den erfolgreichsten Autoren der Weltliteratur gehört. Seine Texte, die häufig absurde, bedrohliche Situationen schildern, irritieren, verstören und provozieren. Anhand von drei Beispielen demonstriert der Autor dieses Kafkaeske: an den beiden Kurzgeschichten Gibs auf! und Von den Gleichnissen sowie an der Türhüterlegende (auch Vor dem Gesetz) aus dem Roman Der Process. Sie fordern die Leser*innen auf, nach einem Verständnis zu suchen, doch gleichzeitig verweigern sie diese Möglichkeit.

Anschließend skizziert Jahraus Kafkas Biografie, die sich vorrangig in seinen Tagebüchern und Briefen erschließt. Im Mittelpunkt steht dabei die Verbindung von juristischem Brotberuf und Schreiben. Kafka hatte zwar viel geschrieben, aber nur wenige Bücher veröffentlicht. Nur ungefähr ein Zehntel seines gesamten Werkes erschien zu seinen Lebzeiten, dabei hatte er sich stets um seine Veröffentlichungen gekümmert.

In dem Kapitel Kafkas Welt beschreibt Jahraus die Welt, die uns in Kafkas Texten begegnet, ein spannungsreicher Gegensatz von Land und der Metropole Prag. In vielen Texten kämpfen die Protagonisten um Anerkennung – „des Sohnes gegenüber dem Vater, des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, des Künstlers gegenüber dem Publikum“. Sie sind Abbilder von Kafkas Kampf um Anerkennung, der vor allem in seinen späten Erzählungen zum Ausdruck kommt. Im abschließenden Kapitel versucht Jahraus eine Antwort auf die Frage zu finden „Wie mit Franz Kafka umgehen?“ Die Antwort ist eine Einladung, die von seinen Texten ausgeht, die voller Faszination und Attraktion stecken.

Beide Neuerscheinungen liefern einen Blick in Leben und Werk von Immanuel Kant und Franz Kafka, unterstützt durch zahlreiche Zitate, historische Abbildungen, Infografiken und Lesetipps. Eine Motivation und Einladung, die beiden „Jubilare“ zu entdecken oder sich ihnen wieder anzunehmen.

Titelbild

Claudia Blöser: Immanuel Kant.
Reihe „Reclam 100 Seiten“.
Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2023.
100 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783150207048

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Titelbild

Oliver Jahraus: Franz Kafka. Wissenswertes über Leben und Werk des großen Literaten.
Reihe „Reclam 100 Seiten“.
Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2023.
100 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783150207062

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