Schieres Schicksal? Unschick!
Über moderne Coping-Strategien in Katastrophen und was Sprache mit ihnen zu tun hat
Von Dirk Kaesler und Stefanie von Wietersheim
Rätsel des Lebens. Wie – um Himmel willen – konnte es nur passieren, dass bei Schlaganfällen, Erdbeben, Hochwasser und anderen Dramen des Lebens derartige persönlichen Tragödien nicht mehr als „Schicksal“ eingeordnet werden? Sondern Menschen sofort überlegen, wen sie wegen emotionalen, materiellen und körperlichen Schicksalsschlägen auf Schadensersatz verklagen können?
Klar: Die Klugheit gebietet uns, Ursachen für solche Schäden zu suchen, sei es unter der Erdkruste, beim Klima, der Gesundheit oder – und vor allem – bei anderen Menschen.
Das Problem dabei ist nur, dass wir uns selbst bei genauester Kenntnis der Katastrophengründe danach immer noch katastrophal fühlen können und Traumata verarbeiten müssen. Früher fanden Menschen in solchen Situationen in der Religion Halt. Heute ist dies anders. Und so lohnt es sich, über den Begriff des Schicksals nachzudenken – ohne dass man sich als Schreibende gleich in vorauseilendem Gehorsam einem möglichen Schicksal fügen möchte.
Die Frage ist, wie sich Menschen früher und heute mit Schicksalsschlägen auseinandergesetzt haben. Welche Begriffe sie darauf gesetzt haben, wie sie sie hingenommen haben oder wie sie sie in den Wahnsinn trieben?
Wir nennen nur drei komplexe Ereigniszusammenhänge, um die Schwere solcher Fragen anzudeuten:
Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 zerstörte zusammen mit einem Großbrand und einem Tsunami die portugiesische Hauptstadt fast vollständig. Mit 30.000 bis 100.000 Todesopfern gilt dieses Erdbeben als eine der verheerendsten Naturkatastrophen der europäischen Geschichte.
Beim Absturz der Germanwings-Maschine 4U 9225 am 24. März 2015, die der unter Depressionen leidende Co-Pilot absichtlich gegen ein Bergmassiv lenkte, kamen 150 Menschen ums Leben.
Die Überschwemmungen durch Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 forderten allein an der Ahr mindestens 135 Menschenleben.
War das alles das sogenannte Schicksal? Oder menschengemachtes Geschehen? Muss man das achselzuckend, schicksalsergeben, wütend hinnehmen? Wo kann man auf Schadensersatz klagen? Hilft die Rechtsschutzversicherung? Die Ankündigung in den Medien: „Psychologische Hilfsteams und die Notfallseelsorger sind am Unfallort“ hilft auch nicht weiter. Als ob das die Lösung des Problems sei, so wie Wasser auf Feuer. Wer löscht die verbrannte Seele? Wer richtet Hoffnungslose auf?
Was heißt schon „Schicksal“?
Das Konzept „Schicksal“ bezieht sich im Allgemeinen auf die Idee, dass die Ereignisse im Leben einer Person von einer höheren Macht oder einem vorbestimmten Plan gelenkt werden. Es ist ein Konzept, das in vielen Kulturen und Religionen existiert und oft mit dem Glauben an Vorsehung, Bestimmung oder göttliche Fügung verbunden ist.
In der Philosophie wird Schicksal zumeist als eine Art unveränderliches Geschehen betrachtet, das den Verlauf des Lebens einer Person bestimmt. In der Literatur und Kunst wird Schicksal häufig als zentrales Thema behandelt, insbesondere in Tragödien und epischen Werken.
Dabei gibt es höchst unterschiedliche Ansichten über das Schicksal. Einige glauben an ein determiniertes Schicksal, während andere an den freien Willen der handelnden Menschen und die Möglichkeit zur Veränderung des eigenen Lebenswegs glauben. Letztendlich ist das Konzept des Schicksals ein komplexes und vielschichtiges Thema, das in verschiedenen Kontexten diskutiert wird.
Unsere bewährten Freunde, die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm in ihrem wundervollen „Deutschen Wörterbuch“ von 1893, scheinen noch an ein vorbestimmtes Schicksal zu glauben, wenn sie notieren: „das, was dem Menschen durch Fügung bestimmt ist, ihm begegnet: schweres, trübes, grausiges Schicksal“. Und sie zitieren dabei gleich zweimal Friedrich Schiller: Zum einen, als der seinen Don Carlos rufen lässt: „Mein Schicksal – es sey Leben oder Tod.“ Zum anderen die Jungfrau von Orleans, der es in ihrem berühmten Prolog nicht nur um das Schicksal einzelner Menschen geht, sondern gleich um das Schicksal ihres ganzen Landes:
Denn wenn im Kampf die Mutigsten verzagen,
Wenn Frankreichs letztes Schicksal nun sich naht,
Dann wirst du meine Oriflamme tragen
Und wie die rasche Schnitterin die Saat,
Den stolzen Überwinder niederschlagen,
Umwälzen wirst du seines Glückes Rad,
Errettung bringen Frankreichs Heldensöhnen,
Und Reims befrein und deinen König krönen!
Wer würde heute noch vom Schicksal eines ganzen Landes sprechen? Ja auch nur vom Schicksal eines einzelnen Menschen? So etwas hat sofort einen Churchill`schen Beigeschmack nach Blut, Schweiß und Tränen. Was ist passiert, dass wir Heutige mehrheitlich nicht mehr an das Schicksal, das Los einzelner Menschen oder ganzer Länder glauben?
Es fing so einfach an. Schicksal, fatum, Kismet: Diese Worte meinen die Vorstellung, dass der Ablauf von Ereignissen im Leben von Menschen und Gesellschaften von „höheren Mächten“ vorbestimmt oder geschickt werden. Es können aber auch reine Zufälle sein, die diese Ereignisse bestimmen. Jedenfalls sind sie der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogen.
Wer 1755 in Lissabon lebte, befand sich eben am falschen Ort. Wer am 24. März 2015 in einem Flugzeug von Barcelona nach Düsseldorf saß, hatte den falschen Flieger gewählt. Wer sich im Juli 2021 in seinem Haus aufhielt, das zu nah am Ufer der Ahr gebaut war, war seinem falschen Bauplatz zum Opfer gefallen. „Das Schicksal“ hatte es nicht gut gemeint mit diesen betroffenen Menschen, es hatte seinen Lauf genommen, dem man nicht hatte entfliehen können. In diesem Verständnis sind es immer höhere, unpersönliche Mächte, die es so haben kommen lassen. In manchen Situationen, so die gängige Vorstellung, können Menschen ihrem Schicksal nicht entfliehen, auch wenn sie versuchen mögen, es doch noch „zu meistern“, in die eigene Hand zu nehmen. Wer sein Schicksal nicht herausfordern möchte, besteigt kein Flugzeug und baut nicht zu nah am fließenden Gewässer. Vom Paragliding, Bungeespringen und Besteigungen des Mount Everest ganz zu schweigen.
Interessant in diesem Zusammenhang sind die Verben, die den Umgang mit dem Schicksal beschreiben: es geht um einen Kampf, eine Kampfsituation. Herausfordern – wie einen Duellpartner. Enfliehen – wie einem Feind. Seinen Lauf lassen – sich als Opfer ergeben. Das „in die eigene Hand Nehmen“ ist dabei noch die zuversichtlichste Coping-Strategie.
Wie also mit dem Schicksal umgehen: Völlige Ergebung im Fatalismus? Sich ihm „entgegenstellen“? Auf den freien Willen vertrauen?
Kann man seinem Schicksal entgehen?
In der Vergangenheit vieler Gesellschaften galt Schicksal als Synonym für eine unausweichliche Bestimmung. Wer diese Unausweichlichkeit bestimmte, da schieden sich die Geister. Die Schicksalsgöttinnen Fortuna, die Nornen, die Parzen und viele andere solcher Figuren beherrschten sowohl die individuellen Leben als auch die Weltläufe im Allgemeinen. Sie waren es, die die Ereignisse schickten, an denen die Menschen sich entweder bewährten oder daran scheiterten. Je stärker die Vorstellungen einer Vorbestimmtheit herrschten, umso größer war das Verlangen, wenigstens Andeutungen darüber zu erlangen, wohin die Reise gehen würde. Die Stunde der Wahrsager, der Orakel, der Knöchelchenwerfer, der Kaffeesatzleser, der Kartenleger war gekommen. Es ging nicht darum, dem Schicksal zu entkommen, sondern eher darum, zu wissen, was und wann auf einen zukommen würde.
Mit der Ausformung religiöser Systeme und den darin enthaltenen Vorstellungen, dass es ein übermächtiges göttliches Wesen, die Hand Gottes sei, die die Geschehnisse auf Erden bestimme, schieden sich die Vorstellungen vom jeweiligen individuellen oder kollektiven Entscheidungsspielraum: Vorbestimmtes Schicksal (Prädestination) oder freier Wille? Niemand musste über den tektonischen Platten unter Lissabon leben, niemand musste von Barcelona nach Düsseldorf fliegen, niemand musste am Ufer der Ahr wohnen.
Hatten Ödipus oder Odysseus je eine freie Wahl? Haben sie nicht gerade durch die Versuche, ihrem prophezeiten Schicksal zu entgehen, dieses erfüllt? Determinismus oder freie Willensentscheidung? Die Menschen, die am 11. September nicht zu ihrem Arbeitsplatz im World Trade Center gegangen waren, leben heute noch. Auch diejenigen, die im Juli 2021 nicht zu Hause in Rheinland-Pfalz, sondern im Urlaub auf Mallorca weilten, leben noch.
Bei der Lektüre des Kleingedruckten einer Versicherungspolice tauchte völlig unvermutet Gott auf! Unter der Überschrift „Force Majeure“ war zu lesen:
You agree that we are not responsible to you for anything that we may otherwise be responsible for, if it is the result of events beyond our control, including, but not limited to, acts of God, war, insurrection, riots, terrorism, crime, labor shortages (including lawful and unlawful strikes), embargoes, postal disruption, communication disruption, unavailability of payment processors, failure or shortage of infrastructure, shortage of materials, or any other event beyond our control.
Hat Gott es so gewollt?
Es nicht bekannt, dass Überlebende des Erdbebens von Lissabon auf Schadensersatz geklagt haben. Wen hätten sie auch nach dem 1. November 1755 verklagen sollen? Erst im Anschluss entwickelte sich eine systematische Erdbebenforschung in Europa. Neben dieser naturwissenschaftlichen Reaktion führte dieses Großereignis des 18. Jahrhunderts zu einer enormen Fülle von philosophischen, theologischen und literarischen Auseinandersetzungen, die bis heute ihre anhaltenden Wirkungen zeigen.
Basierend auf der zunächst noch nicht vorhandenen Trennung zwischen theologischen und naturwissenschaftlichen Diskursen kam es im Zuge der gesellschaftlichen und literarischen Aufarbeitung des Erdbebens zu einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dem sogenannten Theodizee-Problem. Die darin thematisierte Frage, wie sich die Existenz eines allmächtigen und allgütigen Gottes angesichts der herrschenden Leiden und menschlichen Katastrophen rechtfertigen lässt, hat eine lange Tradition. Vor allem im religiösen und philosophischen Kontext provozierte gerade das Lissaboner Beben intensive Auseinandersetzungen, die zu sehr unterschiedlichen Antworten auf den vermeintlichen Widerspruch führten. Die wohl bekannteste Auseinandersetzung mit der sogenannten Theodizee-Thematik verfasste Gottfried Wilhelm Leibniz. In seinen Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal aus dem Jahr 1710 postuliert er unter anderem die These von der „besten aller möglichen Welten“.
Ohne an dieser Stelle auf die entscheidenden philosophischen und literarischen europäischen Nachbeben des Lissaboner Erdbebens einzugehen – es seien neben Leibniz nur genannt die Namen Voltaire, Kleist, Goethe, Rousseau – möchten wir unser Augenmerk auf die Tatsache lenken, dass das Konzept Schicksal durch das Konzept „Schadensersatz“ ersetzt worden zu sein scheint. Und das hängt zusammen mit jenen Entwicklungen, die der deutsche Sozialwissenschaftler Max Weber mit der Überschrift „Die Entzauberung der Welt“ zu erfassen suchte.
So, wie das Lissaboner Erdbeben durch seine breite Rezeption zu einem weltweiten Medienereignis wurde und den aufklärerischen Optimismus des 18. Jahrhunderts erschütterte, so prägten die wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Umbrüchen und Reformen, die zu einer steigenden Rationalität aller Bereiche des menschlichen Lebens führte.
Schlag` nach bei Max Weber: Die Entzauberung der Welt
In seinem berühmten Vortrag über „Wissenschaft als Beruf“, den Max Weber im November 1917 in München hielt, führte er aus:
Der wissenschaftliche Fortschritt ist ein Bruchteil, und zwar der wichtigste Bruchteil, jenes Intellektualisierungsprozesses, dem wir seit Jahrtausenden unterliegen, und zu dem heute üblicherweise in so außerordentlich negativer Art Stellung genommen wird.
Machen wir uns zunächst klar, was denn eigentlich diese intellektualistische Rationalisierung durch Wissenschaft und wissenschaftlich orientierte Technik praktisch bedeutet. Etwa, dass wir heute, jeder z.B., der hier im Saale sitzt, eine größere Kenntnis der Lebensbedingungen hat, unter denen er existiert, als ein Indianer oder ein Hottentotte? Schwerlich. Wer von uns auf der Straßenbahn fährt, hat – wenn er nicht Fachphysiker ist – keine Ahnung, wie sie das macht, sich in Bewegung zu setzen. Er braucht auch nichts davon zu wissen. Es genügt ihm, dass er auf das Verhalten des Straßenbahnwagens „rechnen“ kann, er orientiert sein Verhalten daran; aber wie man eine Trambahn so herstellt, dass sie sich bewegt, davon weiß er nichts. Der Wilde weiß das von seinen Werkzeugen ungleich besser. Wenn wir heute Geld ausgeben, so wette ich, dass, sogar wenn nationalökonomische Fachkollegen im Saale sind, fast jeder eine andere Antwort bereit halten wird auf die Frage: Wie macht das Geld es, dass man dafür etwas – bald viel, bald wenig – kaufen kann? Wie der Wilde es macht, um zu seiner täglichen Nahrung zu kommen, und welche Institutionen ihm dabei dienen, das weiß er. Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge — im Prinzip — durch Berechnen beherrschen könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt. Nicht mehr, wie der Wilde, für den es solche Mächte gab, muss man zu magischen Mitteln greifen, um die Geister zu beherrschen oder zu erbitten. Sondern technische Mittel und Berechnung leisten das. Dies vor allem bedeutet die Intellektualisierung als solche.
Wer sich jetzt über die rassistischen Begriffe „Indianer“, „Hottentotten“ und „Wilde“ aus dem Jahr 1917 aufregen möchte, möge das tun. Wer nur ein wenig mehr über diesen deutschen Universalgelehrten weiß, wird wissen, welche Hochachtung gerade dieser Amerika-Reisende den dortigen Ureinwohnern gegenüber empfand. Und welche Abneigung er den ordinären Yankees gegenüber sehr deutlich zeigte.
Konzentrieren wir uns auf den Kern des Weberschen Arguments: Durch die wissenschaftliche Intellektualisierung und die dadurch bewirkte „Entzauberung der Welt“ glauben wir heute mehrheitlich nicht mehr daran, dass es Geister und höhere Mächte sind, die unser Leben bestimmen. Die Prozesse der universalen Rationalisierung aller Lebensbereiche lässt uns die Frage nach den Ursachen von Ereignissen stellen. Und damit die Frage nach dem Verschulden. Und aus dieser Frage ergibt sich geradezu zwangsläufig die Frage nach dem materiellen Ersatz des entstandenen Schadens. Aus einer metaphysischen und religiösen Frage wurde eine juristische: Wer ist schuld? Wer muss für den entstandenen Schaden aufkommen?
Die Lufthansa ist schuld und soll zahlen
Als der Airbus A320 des Germanwings Fluges 9525 in den südfranzösischen Alpen zerschellte, kamen 150 Menschen ums Leben, darunter 72 Deutsche und 50 Spanier, insgesamt Menschen aus 17 Ländern. Der amtliche Untersuchungsbericht der französischen Behörden befand, der unter Depressionen leidende Co-Pilot habe den Flugkapitän, der das Cockpit für einen Moment verlassen hatte, nicht wieder hineingelassen und dann das Flugzeug absichtlich gegen ein Bergmassiv gelenkt.
Zum fünften Jahrestag des schrecklichen Geschehens im Jahr 2020 mussten alle geplanten Gedenkstunden in Frankreich wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Die Erwartungen der Angehörigen der Opfer an die Feierlichkeiten seien groß gewesen, sagte die deutsche Generalkonsulin in Marseille, Clarissa Duvigneau, der Zeitung Le Monde. In Frankreich herrschte eine allgemeine Ausgangssperre, Versammlungen waren verboten – auch ein großes, öffentliches Gedenken konnte nicht stattfinden. Doch den Angehörigen der Opfer ging es nicht so sehr um Trauerfeiern. Sie warteten auf Entschädigungszahlungen des Lufthansa-Konzerns.
Einige Opfer-Anwälte werfen dem Unternehmen taktisches Verhalten vor und beklagen zu niedrige Angebote. Der Konzern wehrt sich. Ein Sprecher der Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Entscheidung der französischen Behörden und der Lufthansa, die Gedenkzeremonie abzusagen, sei sehr schwergefallen, aber einvernehmlich getroffen worden, auch die Angehörigen der Opfer hätten diese „unvermeidliche Entscheidung verstanden und akzeptiert“. Gänzlich abgeschlossen seien die Untersuchungen bis heute nicht – weder bei der Staatsanwaltschaft von Marseille noch der von Düsseldorf. Vor den Landgerichten von Essen und Frankfurt am Main laufen zudem Verfahren, mit denen Angehörige der Opfer von der Lufthansa ein höheres Schmerzensgeld erstreiten wollen. Abgesehen davon, dass es mehr als verständlich ist, wenn Angehörige für den Verlust ihrer Familienmitglieder materiell entschädigt werden wollen, stellt sich die Frage: Können wir sogenannte Schicksalsschläge nicht mehr ertragen? Kennen wir Schicksal nicht mehr? Suchen wir immer nur Schuldige? Wer ist schuld an der Krebserkrankung eines geliebten Menschen? Wer ist schuld am Sterben des Kindes bei der Geburt? Wer muss dafür Schadensersatz leisten?
Warum denken wir bei Schicksal immer nur an Schreckliches, Katastrophales, Unglückliches? Kann nicht die Begegnung mit großer Liebe auch als schicksalshaft wahrgenommen werden? Ist die Online Partnersuche auf Parship wirklich die bessere Antwort auf den Schicksalsblitz einer großen Liebe? In beiden Fällen gibt es keine Ansprüche auf Schadensersatz.
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag gehört zur monatlich erscheinenden Kolumne „Rätsel des Lebens“ von Dirk Kaesler und Stefanie von Wietersheim.