Dürer, Neumann, Wagner – und Schäufele mit Glees

Wilfried Rogasch widmet sich der Kulturgeschichte Frankens

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine ungewöhnliche „kulturelle Kleinteiligkeit, Dichte und Vielfalt“ sei bis heute „ein wesentlicher Charakterzug Frankens“, betont der Historiker Wilfried Rogasch in seiner mit vielen prächtigen, meist farbigen Fotos ausgestatteten Kulturgeschichte einer Region, die man oft als „Norden von Deutschlands Süden“ bezeichnet hat. Aus heutiger Sicht umfasst Franken die drei nördlichen der sieben Bezirke des Freistaats Bayern, aber auch den Main-Tauber- und den Hohenlohe-Kreis im nordöstlichen Baden-Württemberg sowie kleinere Regionen im Süden Hessens und im Süden Thüringens. Eine politisch und sozial, aber auch kulturell und sprachlich ziemlich heterogene Gegend also, die sich vorschnellen historischen Einordnungen immer wieder entzieht und bis heute ihre recht unterschiedlichen Eigenarten mit Stolz und Selbstbewusstsein pflegt und lebendig hält. 

An fundierten Darstellungen der Geschichte und Kultur Frankens herrscht kein Mangel. Der Autor versucht erst gar nicht, der Fachwissenschaft Konkurrenz zu machen, sondern möchte sein Thema in 24 konzentrierten Kapiteln all denen näher bringen, die in Franken leben und mehr über ihre Heimat wissen wollen – und allen Nicht-Einheimischen, die es näher kennenzulernen wünschen. Professionelle Historiker oder Experten für Architektur, Malerei und Literatur werden in diesem Buch nicht allzu viel Neues finden – alle anderen aber schon. Die 24 Kapitel sind einleuchtend und klug zusammengefügt, und ihre wohlüberlegte Mischung macht’s. Man liest zunächst eine Menge Interessantes über die wichtigsten fränkischen Städte – Nürnberg, Würzburg, Bamberg, Erlangen und Coburg. Wobei man kritisch anmerken darf, dass Aschaffenburg, Ansbach oder Hof zwar nicht ausgeklammert werden, aber doch etwas zu kurz kommen, und dass die oft übersehene Stadt Fürth nur im Kapitel über „Juden in Franken“ größere Beachtung findet. Man erfährt eine Menge Lehrreiches über mit dem Frankenland eng verbundene Künstler wie Albrecht Dürer, Balthasar Neumann, Tilman Riemenschneider, Veit Stoß, Jean Paul oder Richard Wagner, und man wird konzise informiert über zahlreiche andere bedeutende und wirkungsmächtige Persönlichkeiten wie den Minnesänger und politischen Dichter Walther von der Vogelweide, den Schuhmacher und Poeten Hans Sachs, den Nürnberger Patrizier Martin Behaim, die Malerdynastie der Cranach, die Baumeisterfamilie der Dientzenhofer, die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die Schweinfurter Industriellenfamilie Sachs, den Unternehmer und Politiker Philip Rosenthal und einige mehr. Und natürlich über den aus Buttenheim stammenden Erfinder der Jeans – Levi Strauss sei „weltweit der berühmteste Franke überhaupt“, meint der Autor. Wilfried Rogasch beschäftigt sich mit den unübersehbar vielen Burgen, Festungen, Schlössern und Gärten im Lande und erläutert die Hintergründe mancher die Region bis heute prägenden Charakteristika, zum Beispiel der überraschenden Dichte kleinerer früherer Reichsstädte wie Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl, Weißenburg, Windsheim oder Schweinfurt. Wer Franken in 24 Kapiteln liest, weiß einfach mehr.

Weil die anregende Auseinandersetzung mit so viel Kulturgeschichte hungrig und durstig macht, kommt selbstverständlich auch die fränkische Küche zu ihrem Recht. Auch sie ist Kulturgeschichte, und so ist ihr ein eigenes Kapitel gewidmet. Aber auch dem „Frankenbier“ und dem „Frankenwein“ – ganz wesentliche Attraktionen und Besonderheiten dieses Landstrichs, ohne die die Einheimischen nicht leben wollten und mit Sicherheit viel weniger Touristen ins Fränkische kämen. Schon allein die Zahl 290! „Derzeit existieren in Franken noch etwa 290 zumeist kleinere Brauereien … Besonders im Landkreis Bamberg und in der Fränkischen Schweiz haben noch viele Dörfer ihre eigene Brauerei“. Oder die Information: „Beim Bankett anlässlich der Krönung von Königin Elizabeth II. 1953 wurde eine 1950er-Riesling-Auslese vom Iphöfer Julius-Echter-Berg kredenzt“. Eine „fränkische Bratwurst“ gebe es streng genommen gar nicht, sagt der Autor – vielmehr müsse man an der Pegnitz die „Original Nürnberger Rostbratwurst“ probieren, am Coburger Marktplatz jedoch die 31 Zentimeter lange, und anderswo … Ganz abgesehen vom Aischgründer Karpfen, dem Spargel aus dem Knoblauchsland, den köstlichen Küchla, den Elisenlebkuchen und …

Kurzum, in diesem gediegen aufgemachten Kompendium ist alles drin, was man über Franken wissen sollte. Das in jeder Hinsicht gewichtige Buch liegt nicht nur angenehm in der Hand, sondern ist auch flüssig und leserfreundlich geschrieben. Franken in 24 Kapiteln macht großen Appetit auf ein paar Tage Franken – und kann durchaus als ein den Aufenthalt in Franken vertiefender Reiseführer gelesen werden. Wer lieber zu Hause bleibt, kommt ebenfalls auf seine Kosten.

Titelbild

Wilfried Rogasch: Franken in 24 Kapiteln.
Hirmer Verlag, München 2023.
413 Seiten , 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783777442198

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