Von Zillen, Klöstern und Museen
Gerd Burger versammelt in „Viele Seiten Leben“ Texte aus drei Jahrzehnten zu seiner Heimat
Von Klaus Hübner
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseZum „unrunden Runden“ hat die Schriftstellerin Barbara Krohn, die Lebensgefährtin von Gerd Burger, eine beachtliche Menge von Texten zusammengestellt, die dieser Autor, Lektor, Übersetzer, Reiseleiter, Motorradfahrer und Vielleser seit den 1990er-Jahren in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht hat. Gerd Burger ist ein begeisterter Regensburger, und so ist es kein Wunder, dass sich die meisten seiner Arbeiten mit der Hauptstadt der Oberpfalz, mit Ostbayern von Weiden bis Passau sowie mit Böhmen und Österreich beschäftigen. Natürlich auch mit Künstlern und Literaten, die zu diesen Regionen gehören – mit Eugen Oker zum Beispiel, mit Renate Just oder mit Bernhard Setzwein. Und wenn er einen Ausflug nach Abensberg macht, dann geht das nicht ohne Hinweise auf die berühmten „Söhne der Stadt“, auf Johann Georg Turmair alias Aventinus, auf Wiguläus Xaverius Aloysius Kreittmayr und Joseph von Hazzi. Gerd Burger ist in der Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns daheim, und das merkt man jedem seiner Texte an.
Man freut sich am erfrischenden Stil des Autors, an seinen ungewöhnlichen und manchmal schrägen Blicken auf seine Umwelt und seine Mitmenschen, man wird wundersam angeregt und lernt nebenbei auch eine ganze Menge. Zum Beispiel über Regensburg, die alte Donaustadt, die jeder zu kennen glaubt und die sich in den letzten Jahren stark verändert hat, meistens zum Positiven. „Im eigenen Saft zu schmoren, tut nur dem Braten gut …“. Gerd Burger vergisst nicht zu betonen, dass Regensburg nicht nur aus seiner Weltkulturerbe-Altstadt besteht und dass durchaus nicht alles „bona“ ist im wahrlich viel gerühmten Ratisbona. Und dass die Geschichte der Stadt unvollständig wäre, würde man den Einfluss der im 18. Jahrhundert aus den Salzburger Landen vertriebenen Protestanten, der immer wieder vielfachem Unbill ausgesetzten Juden oder der bunten und internationalen Gesandten des Reichstags unterschlagen. Wo „Bauchstechala“ oder saures Lüngerl auf der Speisekarte stehen und wo es die urigsten Bieroasen oder die schönsten Kaffeehäuser gibt, erfährt man auch. Wer in der weltberühmten Wurstkuchl neben der Steinernen Brücke sitzt, könnte einen Blick auf die gegenüber liegende Hauswand werfen und dabei die Inschrift entdecken:
Ich altes Haus, einst wohlbekannt
War stolz zum Weißen Lamm benannt.
Ich bin auch wirklich zu beneiden,
Hier wohnten / Mozart, Goethe, Haydn.
Und wer die Abtei St. Emmeram besucht und dort das berühmte Grabmal des Aventinus betrachtet, wird dezent darauf hingewiesen, dass dort auch eine Plakette an den Emmeramer Mesner Johann Igl erinnert, der noch im April 1945 wegen hitlerkritischer Äußerungen am Galgen endete. Das sind so Nebenbei-Infos, die man nur bei Gerd Burger erfährt und die einen Regensburg-Besuch noch interessanter machen als er eh schon ist.
Der Autor berichtet von einer Reise auf der Donau, die ihn in einer gottlob motorisierten Zille „aus wasserfest verleimtem Fichtenholz“ von Niederranna in Oberösterreich bis Mariaort an der Mündung der Naab führte, von den letzten Seilfähren an der bayerischen Donau oder von seiner Woche in einer Henry David Thoreaus Behausung am Ufer des Walden Pond nachempfundenen Hütte in der Waldeinsamkeit um den Falkenstein. Ohne Literaturhinweise geht auch das nicht ab, ebenso wenig wie bei Burgers liebevollen Skizzen zu Kallmünz, Straubing und Kloster Niederaltaich oder zum Großen Pfahl unweit von Viechtach. Dass nicht nur das berühmte Kloster St. Florian oder das Stift Klosterneuburg einen Besuch wert sind, sondern auch zahlreiche andere Klöster, im Bayerischen Wald, in Österreich oder in Böhmen, erfährt man hier. Klöster, schon recht – aber auch andere, weniger bekannte Sehens- und Merkwürdigkeiten lernt man kennen, etwa das Maybach-Museum in Neumarkt, das Knopfmuseum Bärnau oder das Wallfahrtsmuseum Neukirchen b. Hl. Blut. Gerd Burgers neue Textsammlung taugt durchaus auch zum Reiseführer. Und sie ist, nur mal so gesagt, ein wunderbares und preiswertes Buchgeschenk – für alle nur denkbaren Anlässe.
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