Die vier Elemente des Caspar David Friedrich
Florian Illies zeigt in „Zauber der Stille“ seinen ganz persönlichen Zugang zu dem großen Maler der deutschen Romantik
Von Stefanie Leibetseder
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer anstehende 250. Geburtstag Caspar David Friedrichs führt nicht nur zu einem Reigen an beeindruckenden Ausstellungen in den namhaftesten deutschen Museen in Berlin, Hamburg und Dresden, sondern auch dazu, dass alle, die sich dazu berufen fühlen, ihre Federn spitzen und ihre Sachkenntnis in dickleibigen Ausstellungskatalogen und Monografien darbieten, durch die man sich erst wie durch trockenes Toastbrot durchbeißen muss. So zumindest die heimliche Befürchtung. Gott sei Dank geht es aber auch anders. Florian Illies nimmt uns in einer einfühlsamen Erzählung des Lebensromans von Caspar David Friedrich mit auf die Reise zu dessen Bildern, die er den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser, Luft ein- und unterordnet, womit er der atmosphärischen Darstellung der Naturgewalten als Ausdruck von Friedrichs Pantheismus die übergeordnete Stellung in dessen Werk einräumt.
Hierum ordnet er bekannte biografische Ereignisse wie die protestantisch-pietistische Erziehung, den Ertrinkungstod des Bruders im Eis, die vermutlich daraus resultierende Depression und Melancholie des Malers, die er 1810 in einem Gemälde seiner eigenen Beerdigung verarbeitete, und unbekanntere Details seiner Familienbeziehungen und seiner Ehe zu seiner Frau Caroline Bommer an. Vielleicht noch wichtiger ist aber die spannende und widersprüchliche Rezeptionsgeschichte des lange vergessenen und erst 1906 in der Jahrhundertausstellung deutscher Kunst wiederentdeckten Malers.
Illies schildert Friedrichs langen Findungsweg als Maler, beginnend mit Sepiazeichnungen, die zuletzt in einem hinreißenden Skizzenbuch im Berliner Auktionshaus Grisebach zu bewundern waren, und ihm als Grundlage seiner Gemälde dienten ebenso wie seine Schwierigkeiten mit der Figurenzeichnung, welche ihn dazu bewogen, hauptsächlich Rückenfiguren zu verwenden. Diese fungieren traditionell zur Einführung des Betrachters in das Bildgeschehen, werden aber bei Friedrich zu einem deutungsoffenen Identifikationsangebot, wie es vielleicht am deutlichsten im „Wanderer über dem Nebelmeer“ zu erkennen ist.
Ebenso erläutert er den Aufbau von Friedrichs Malereien aus einer Vielzahl von Naturskizzen unterschiedlicher Orte und ihre Komposition zu symbolisch aufgeladenen Landschaften: So sind auf Friedrichs „Kirchhof im Schnee“ die Kreuze so groß wie die ebenfalls, natürlich als Rückenfiguren, abgebildeten Mönche. Witzig ist dabei die Beobachtung, dass Friedrichs Malerei sich topografisch darauf beschränkt, das Gebiet der ehemaligen DDR von Rügen bis hinunter in die Sächsische Schweiz malerisch abzubilden. Ob er deswegen so sehr geschätzt wurde? In der DDR erlebte er in den 1970er Jahren als Exponent von Freiheit und Ungebundenheit, wie sie namentlich der „Wanderer über dem Nebelmeer“ verkörpert, ein Revival sowohl unter Schriftstellern wie Christa Wolf als auch in der breiten Bevölkerung.
Dass diese inhaltlich breitgefächerten Überlegungen unter steter Einbeziehung des Forschungsstandes und dennoch stets beiläufig und niemals didaktisch vorgetragen werden, ist ebenso wie seine Ausgewogenheit einer der großen Vorzüge dieses Buches, wenn man bereits ist, sich auf den aus vielen Facetten der Zeitgeschichte kontrastierend zusammengesetzten Aufbau einzulassen.
Hierfür hat Illies insbesondere aus der langen Rezeptionsgeschichte von Friedrichs Kunst einige Funken geschlagen. Zunächst einmal ist vielleicht nicht allgemein bekannt, dass der Bestand an Friedrichs Gemälden durch verschiedene Brände inzwischen stark dezimiert ist. Dass Goethe trotz intensiver Aufwartungen Friedrichs mit seinen Bildern nichts anzufangen wusste, verwundert vielleicht nicht allzu sehr angesichts seines Diktums: Klassik ist das Gesunde, die Romantik ist das Kranke. Aber wer hätte schließlich gedacht, dass Walt Disneys Filme von Bambi, dem Reh von einer Naturlandschaft nach Friedrichs Vorbild, umgeben sind? Von der Vorliebe des Führers und verhinderten Kunstmalers Adolf Hitler für Friedrich hat bestimmt der Eine oder die Andere auch nichts geahnt, bevorzugte dieser doch bekanntermaßen die inhaltlich ganz anders gelagerte „Toteninsel“ von Arnold Böcklin. Aber der vorgeblich nordisch-germanische Charakter von Friedrichs Landschaften passte einfach zu gut in sein Weltbild und das seiner Anhänger. Während die Generation der 1968er Friedrichs aus der Zeit der Befreiungskriege resultierenden Patriotismus, abzulesen an „Huttens Grab“, wiederum als Nationalismus ablehnten.
Trockenes Toastbrot? Nein, süßes Honigbrot bietet uns Illies hier an.
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