Neue Perspektiven auf ein altes Bild
Die im Psychosozial-Verlag erschienene „Sigmund-Freud-Gesamtausgabe“ ist mehr als nur ein bibliophiles Schmuckstück
Von Bernd Nitzschke
Es gibt viele Ausgaben der Werke Freuds, doch manche Texte sind bislang kaum bekannt. In der von Christfried Tögel herausgegebenen neuen Sigmund-Freud-Gesamtausgabe (SFG) sind nun alle Texte enthalten, die Freud zu Lebzeiten veröffentlicht hat. Zudem sind Freuds Interviews abgedruckt sowie von fremder Hand zusammengefasste Vorträge (Band 21). Tögel hat diese Texte „trotz aller Unsicherheiten bei den Interviews“ (Freud hatte keinen Einfluss auf deren Endredaktion) „und manchmal nur extrem kurzer Berichte über Vorträge“ berücksichtigt, denn es handelt sich um „Mosaiksteinchen, die unser Bild von Freud vervollständigen“.
Eine der Trouvaillen stellt die Antwort dar, die Freud 1904 der Neuen Freien Presse auf die Frage gab, ob die Behauptung des Physiologen Erich Harnack zutreffe, dass man durch das „Reiben der Glasfläche eines Kompasses die Magnetnadel desselben von der richtenden Kraft des Erdmagnetismus“ ablenken könne. „Die Menschen haben immer die Sehnsucht, alle Geheimnisse mit einem Schlüssel aufsperren zu wollen. Als solch ein Schlüsselwort erschien stets der Magnetismus. Er war und ist ein Wort von großer suggestiver Bedeutung. Und begreiflich erschien es auch, daß die geheimnisvolle, in die Ferne wirkende Kraft des Magnets seine Wirkung auf die Phantasie nicht verfehlt. Von einer faktischen Wirkung des Magnets auf den Menschen oder des Menschen auf den Magnet kann natürlich nicht die Rede sein.“
Dieses kurze Statement mag nebensächlich erscheinen, das ist es aber nicht. Denn hier werden Themen berührt, mit denen sich Freud zeitlebens beschäftigt hat. Die Unterscheidung von innerer (psychischer) Realität (= wunscherfüllende Phantasien) und äußerer (faktischer) Realität ist schließlich der Dreh- und Angelpunkt der Psychoanalyse. So spricht Freud in der Schrift Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) etwa von der „geheimnisvollen Macht“, die man „populär noch oft als tierischer Magnetismus bezeichnet“. Einst habe man sie „Königen und Häuptlingen“ zugeschrieben. Und heute? Heute dient diese Kraft der Suggestion dem Hypnotiseur, der „dem Subjekt den eigenen Willen raubt“. Auf Gläubigkeit beruht schließlich auch „Heilung durch Liebe“ (Freud am 6. Dezember 1906 an C.G. Jung).
Das Editionsprinzip der Sigmund-Freud-Gesamtausgabe
Werfen wir einen Blick auf die Editionsgeschichte der Schriften Freuds zurück. Freuds Gesammelte Schriften (GS) erschienen zwischen 1924 und 1934 in 12 Bänden im Internationalen Psychoanalytischen Verlag. Freuds Gesammelte Werke (GW) wurden zwischen 1940 und 1952 bei Imago Publishing in London in 17 Bänden verlegt. Deren fotomechanischer Nachdruck übernahm der S. Fischer Verlag, der sie durch einen Registerband (1968) und einen Nachtragsband (1987) ergänzte. Damit wurde eine von den Herausgebern der GW zu verantwortende Verstümmelung korrigiert, die in Band 1 die Beiträge Freuds aus dem gemeinsam mit Josef Breuer 1895 veröffentlichten Studien über Hysterie herausgenommen und sie unter eben diesem Titel separat abgedruckt hatten, während sie Breuers Beiträge unterschlugen, die im Ergänzungsband der GW – nebst einigen andernorts erschienenen Texten Freuds – dann aber doch wieder abgedruckt wurden.
Zwischen 1953 und 1974 gab Hogarth Press in London in 24 Bänden die Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud (SE) heraus. Sie enthielt Freuds Schriften in englischer Übersetzung, war aber, wie schon die beiden vorausgegangenen Editionen, nicht vollständig. Das geschah abermals unter der Schirmherrschaft von Anna Freud. Später übernahm die Studienausgabe (SA), die zwischen 1969-1989 in 10 Bänden und einem Ergänzungsband bei S. Fischer verlegt wurde, zwei Drittel der SE, ordnete die Texte diesmal aber nicht chronologisch, sondern thematisch an, also etwa so: Psychologie des Unbewußten (Band III) oder Fragen der Gesellschaft – Ursprünge der Religion (Band IX).
Seit der Freigabe des Copyrights der Schriften Freuds findet man im Internet zudem viele Einzelwerke (https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/freud.html – Aufruf: 01.03.2024). Und es gibt eine CD-ROM mit dem Titel Freud im Kontext, die den Vorteil hat, dass man hier Freuds Werke mit Hilfe einer Suchfunktion nach ausgewählten Stichworten befragen kann (https://www.infosoftware.de/freud.htm – Aufruf: 01.03.2024). Von den zahlreichen Taschenbuchausgaben will ich nur die bei S. Fischer erschienene Reihe hervorheben, weil sie sich durch besondere Sorgfalt auszeichnet: Albrecht Hirschmüller hat hier Freuds Schriften über Kokain ebenso präzis eingeleitet und kommentiert wie Wolfgang Leuschner Freuds Arbeit Zur Auffassung der Aphasien (1891). Und dann gibt es auch noch Ausgaben von Freuds Texten, die – ausschnittsweise wiedergegeben und thematisch in den Kontext seines Gesamtwerks eingereiht – unter wissenschaftshistorischen Gesichtspunkten erläutert werden (zum Beispiel: Bernd Nitzschke, Die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Konzepte und Begriffe, 2011. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-531-92578-3 – Aufruf: 01.03.2024). Eine historisch-textkritische Gesamtausgabe steht hingegen aus. Das wird auch erst einmal so bleiben, denn eine bereits begonnene digitale Edition, die alle Schriften Freuds – einschließlich der von ihm verworfenen Manuskripte, seiner bisher nicht veröffentlichten Notizen (wie zum Beispiel: Ideen u[nd] Entdeckungen, 1911-1913, s. https://www.loc.gov/resource/mss39990.OV0320/?sp=1&st=image – Aufruf: 01.03.2024), sowie seines umfangreichen Brief-Œuvres – enthalten soll, ist aufgrund juristischer Auseinandersetzungen derzeit nicht (mehr) zu erreichen (http://www.freud-edition.net/ – Aufruf 01.03.2024).
Kann die von Christfried Tögel herausgegebene Sigmund-Freud-Gesamtausgabe in dieser komplexen Editionsgeschichte überhaupt noch einen Platz finden? Und wie könnte dieser Platz aussehen, wenn der Herausgeber ausdrücklich erklärt, dass er nicht den Anspruch einer historisch-textkritischen Edition erheben will? Welches Ziel hatte er stattdessen vor Augen?
In der SFG werden alle zu Lebzeiten Freuds veröffentlichten Schriften in ihrer jeweiligen Erstfassung präsentiert. Dieses Editionsprinzip stellt den in früheren Werkausgaben zerrissenen Zusammenhang wieder her. Das ist aus wissenschaftshistorischen Gründen sinnvoll – und das ist auch zeitgemäß. Denn wer sich heute als Neurowissenschaftler mit unbewussten Bedingungen mentaler und affektiver Prozesse beschäftigt, muss auch Freuds so genannte voranalytische Schriften (Band 1-4) berücksichtigen ( Marc Solms & Oliver Turnbull, The brain and the inner world: An introduction to the neuroscience of subjective experience, 2002).
Das Editionsprinzip der SFG widerspricht damit dem Anliegen, das Sigmund Freud mit der GS verwirklichen wollte und Anna Freud für die GW wie für die SE übernommen hat. Durch das Aussparen der zwischen 1877 und 1893/94 erschienenen voranalytischen Schriften sollte die Psychoanalyse als ein vollkommen eigenständiges Werk erscheinen. Dieser Anspruch wurde von Freud zum Beispiel in der XXXV. Vorlesung zur Einführung in die Psychoanalyse (1933) untermauert. Hier kennzeichnete er die Psychoanalyse als „Spezialwissenschaft“. Zugleich stellte er sie aber auch als einen „Zweig der Psychologie“ vor, nämlich als „Tiefenpsychologie oder Psychologie des Unbewußten“. Und im posthum erschienenen Abriss der Psychoanalyse (1940) präzisierte Freud dann noch einmal, dass die Annahme, „das Psychische sei an sich unbewusst, gestattet, die Psychologie zu einer Naturwissenschaft wie jede andere auszugestalten“.
Damit kann man den Gegenstand und die Methode der Psychoanalyse (im Sinne Freuds) kurz wie folgt zusammenfassen: Als Zweig einer (naturwissenschaftlichen) Psychologie ist die Psychoanalyse eine Spezialwissenschaft, die den Anspruch erhebt, die nichtbewusste Bedeutung bewusster Vorstellungsinhalte und beobachtbarer Handlungen mit Hilfe einer spezifischen Methode – der Methode der freien Assoziation und der dadurch möglichen Reinszenierung wiederkehrender Erlebens- und Beziehungsmodi – bewusst zu machen, das heißt, sie zu entschlüsseln und so auf ihre triebhaft-affektiven Bedingungen zurückzuführen.
Vom Leseverein zur Mittwoch-Gesellschaft
Will man den Weg nachvollziehen, den Freud zurückgelegt hat, um zu diesem Ziel zu gelangen, darf man nicht nur die Zeit berücksichtigen, in der er im physiologischen Institut Ernst von Brückes und im hirnanatomischen Institut Theodor Meynerts gearbeitet hat. Die philosophischen Vorlesungen, die er bei Franz Brentano hörte, sowie die Mitgliedschaft im Leseverein der deutschen Studenten Wiens sind auch bedeutsam. In diesem Verein, dem Ernst von Brücke und Franz Brentano ebenso angehörten wie Sigmund Freud und Josef Breuer, wurden die Schriften Schopenhauers und Nietzsches intensiv diskutiert. Geht man dieser Spur weiter nach, dann begegnet man einem Diskurs, in dessen Verlauf der Grund, auf den Descartes das Bewusstsein stellte (cogito ergo sum), Schritt für Schritt brüchiger wird (https://www.academia.edu/47920728/Wie_es_vor_und_nach_Freud_mit_dem_Es_so_zuging – Aufruf: 01.03.2024).
Die Methode, mit der Freud den unbewussten Prozessen auf die Spur zu kommen suchte, nannte er erstmals bei einem französischen Namen. In der Schrift L’hérédité et l’étiologie des névroses (1896) heißt es: „Je dois mes résultats à l’emploi d’une nouvelle méthode de psychoanalyse […]“ (SFG, Band 5). Im selben Jahr erschien Freuds Arbeit Weitere Bemerkungen über die Abwehr-Neuropsychosen (1896), in der er die von ihm praktizierte Forschungs- und Therapiemethode erstmals bei ihrem deutschen Namen nannte. Auf die Studien über Hysterie zurückblickend heißt es, dort „finden sich auch Angaben über die mühselige, aber vollkommen verlässliche Methode der Psychoanalyse, deren ich mich bei diesen Untersuchungen, die gleichzeitig eine Therapie darstellen, bediene“ (SFG, Band 5).
Im Kommentar, den Tögel den Studien über Hysterie vorangestellt hat, werden die Umstände, die zur später ‚Psychoanalyse‘ genannten Behandlungsmethode geführt haben, genauer beschrieben: „Für die Entwicklung der Psychoanalyse war der Fall von ‚Elisabeth von R.‘ (Ilona Weiß) von besonderer Bedeutung: Sie kam vermutlich im Herbst 1891 zu Freud in Behandlung. Freud versuchte, sie in Hypnose zu versetzen. Das gelang ihm aber nicht, und da ihm die Patientin schon bei früheren vergeblichen Versuchen erklärt hatte, sie sei nicht zu hypnotisieren, entschloss sich Freud, bei ihr auf die Hypnose zu verzichten, und ging in Anlehnung an Hippolyte Bernheim zu folgender Prozedur über: Er drückte der Patientin seine Hand leicht auf die Stirn und befahl ihr, alles zu sagen, was ihr einfiele. Das bezeichnete er später als die Methode der ‚freien Assoziation‘“ (SFG, Band 5).
Auf diese Weise wurden die Einfälle der Patientin (aber auch die des Therapeuten) aus dem Korsett des zielgerichteten Denkens befreit. Damit eröffnete Freud den Weg in die wilden Gärten der Phantasie, in denen die aus den Zwängen der Vernunft befreiten Assoziationen Auskunft über all das geben, was das bewusste Denken verwerfen muss, wenn es vernünftig erscheinen will.
Es waren aber nicht nur naturwissenschaftliche und philosophische Interessen, es waren auch bestimmte Lebensumstände, die Freud zur Beschäftigung mit dem Unbewussten drängten. Im Oktober 1885 hatte er – ausgestattet mit einem Reisestipendium der Universität Wien – einen halbjährigen Forschungsaufenthalt in Paris angetreten. Hier wollte er an der Salpêtrière hirnanatomische Studien treiben. Doch die Persönlichkeit Jean-Martin Charcots, Direktor dieser psychiatrischen Klinik, nahm ihn gefangen. Freud erlebte dessen Hysterie-Lehre als Offenbarung. An seine Braut Martha Bernays schrieb er: „Nach manchen Vorlesungen [bei Charcot] gehe ich fort wie aus Notre-Dame, mit neuen Empfindungen von Vollkommenen.“
Angefüllt mit dieser Begeisterung lässt er sich in Wien als ‚Nervenarzt‘ nieder. Im Oktober 1886 hält er dort vor der Gesellschaft der Ärzte seinen – von Charcots Lehren inspirierten – Vortrag Über männliche Hysterie. Der Originaltext wurde nicht veröffentlicht. In der Wiener Medizinischen Wochenschrift erschien aber eine Zusammenfassung (SFG, Band 21).
Darin heißt es: „Bezüglich der Symptome bestehen keine wesentlichen Unterschiede von der Hysterie der Frauen. So findet sich insbesondere bei Männern die grande Hysterie mit allen charakteristischen Details, nur sind die Anfälle viel schreckenerregender […].“Anschließend kam es zu mehreren Wortmeldungen, in denen besonders hervorgehoben wurde, dass die ‚männliche Hysterie‘ an sich keine Neuigkeit sei. „Prof. Rosenthal erwähnt zweier Fälle von Hysterie bei Knaben, die er beobachtet hat […]. Hofrath v. Bamberger meint, dass er in dem interessanten Vortrage bei all seiner Anerkennung für die Verdienste Charcot’s nicht viel Neues anerkennen könne […].“ Professor Meynert, in dessen Klinik ein Fall von Dyschromatopsie bei einem hysterischen Manne (1886) behandelt wurde, bezweifelt, ob alle Fälle ‚männlicher Hysterie‘ „die Regelmässigkeit der Symptomenreihe, wie sie eben von Freud geschildert wurde, darbieten“. Freud wurde aufgefordert, in einem Folgevortrag einen Fall vorzustellen, dessen Genese und Symptomatik seiner Darstellung entsprechen sollten.
Im November 1886 kam Freud diesem Wunsch nach. Er sprach über die Beobachtung einer hochgradigen Hemianästhesie bei einem hysterischen Manne (SFG, Band 2). „Diesmal klatschte man mir Beifall, nahm aber weiter kein Interesse an mir“, schreibt Freud Jahrzehnte später in seiner „Selbstdarstellung“ (1925). In dieser Rückschau behauptet er, seinerzeit habe ihn ein „alter Chirurg“ mit der Frage konfrontiert, ob denn ein Mann überhaupt hysterisch werden könne?
„Der Eindruck, daß die großen Autoritäten meine Neuigkeiten abgelehnt hätten, blieb unerschüttert; ich fand mich mit der männlichen Hysterie und der suggestiven Erzeugung hysterischer Lähmungen in die Opposition gedrängt.“ Er habe sich deshalb „aus dem akademischen und Vereinsleben zurück [gezogen].“ (SFG, Band 18) An anderer Stelle (Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, 1914 – SFG, Band 14) schreibt Freud: „Ich entschloß mich zu glauben, daß mir das Glück zugefallen war, besonders bedeutungsvolle Zusammenhänge aufzudecken, und fand mich bereit, das Schicksal auf mich zu nehmen, das mitunter an solches Finden geknüpft ist“, nämlich in „splendid isolation“ weiterzuarbeiten und darauf zu warten, bis er „Dezennien später“ doch noch Anerkennung finden werde.
Es war also eine narzisstische Kränkung, die Freuds (weitgehenden) Rückzug von der (akademischen) Außenwelt ausgelöst hatte. Hinfort nahmen aktuelle Anlässe und die lebensgeschichtlichen Bedingungen regressiver Prozesse seine wissenschaftliche Aufmerksamkeit in Anspruch.
Dabei wurden die eigene und die Innenwelt seiner Patientinnen (aus dieser Zeit sind vor allem Berichte über die Behandlung von Frauen überliefert) zu Freuds Forschungsobjekten. Im Rückblick auf diese „splendid isolation“ schreibt Freud in der Schrift Die Geschichte der Psychoanalytischen Bewegung (1914), sie „entbehrte nicht ihrer Vorzüge und Reize“.
Das war eine Zeit immer neuer Gewissheiten und wiederkehrender Zweifel, über die er sich in den Briefen an Wilhelm Fließ freimütig äußerte. Als Frucht dieser aufwühlenden Jahre kann Die Traumdeutung (1900) gelten. Freud fand bald nach deren Erscheinen Anhänger, mit denen er sich ab 1902 in den Räumen seiner Praxis traf. Das war die Mittwoch-Gesellschaft, die zur Keimzelle aller psychoanalytischen Gruppierungen wurde.
Es folgten grundlegende Publikationen: Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1904); Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905); Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905); Bruchstücke einer Hysterie-Analyse (1905). Und schon ein Jahr später veröffentlichte Freud eine erste Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre aus den Jahren 1893–1906, die, wie es im Vorwort heißt, „vierzehn kurze Aufsätze“ enthielt. Im Kommentar zu dieser Sammlung (SFG, Band 10) schreibt Tögel: „Selbstverständlich fehlen“ Freuds „neurologische Arbeiten“, „aber auch seine Artikel über die Enuresis nocturna [1893] und die Entstehung hysterischer Symptome durch den ‚Gegenwillen‘ [1893] sind nicht aufgenommen. Und schließlich verwundert es ein wenig, dass auch die Arbeiten ‚Zum psychischen Mechanismus der Vergesslichkeit‘ [1898], ‚Über Deckerinnerungen‘ [1899] und über ‚Psychische Behandlung‘ [1905] nicht abgedruckt wurden.“ Dank dieser Aufzählung weiß der Leser, welche Schriften Freud nicht in die Sammlung aufgenommen hat, doch welche Aufsätze enthalten sind, das weiß er nicht. Diese Information hätte er erhalten, wäre nicht das Faksimile des Titelblatts der Sammlung, sondern das des Inhaltsverzeichnisses abgedruckt worden. Demnach beginnt die Sammlung mit dem Nachruf auf Charcot (1893) und endet mit dem Aufsatz Meine Ansichten über die Rolle der Sexualität in der Ätiologie der Neurosen (1905), in dem Freud die Gesetzmäßigkeit revidierte, die er Jahre zuvor in der Schrift Zur Ätiologie der Hysterie (1896) aufgestellte hatte, wonach jeder Hysterie und Zwangsneurose sexueller Missbrauch in der Kindheit zugrunde liegen sollte.
Ein Stück der angeborenen und nicht zu beseitigenden Ungleichheit der Menschen
Wie eingangs erwähnt, hat Tögel nicht nur die allseits bekannten, sondern auch alle kleineren zu Freuds Lebzeiten erschienenen Schriften, von denen viele in den früheren Werkausgaben fehlten, in die SFG aufgenommen. Das ist ein besonderes Verdienst des Herausgebers, behandeln diese Text doch, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen, keineswegs nur marginale Inhalte:
– 1905 wollte die Tageszeitung Die Zeit von Freud wissen, wie der Fall des homosexuellen Arztes „Prof. Dr. Beer“ einzuschätzen sei, der Minderjährige „unsittlich“ berührt haben sollte und deshalb zu drei Monaten Kerker verurteilt worden war. Freud meinte, er könne sich zum konkreten Fall nicht äußern, da er ihn nur aus der Presse kenne, doch „verfechte“ er „gleich vielen Gelehrten den Standpunkt, daß der Homosexuelle nicht vor das Forum eines Gerichtshofes gehört. […]. Homosexuelle Personen sind nicht krankhaft, sie gehören aber auch nicht vor den Gerichtshof!“ Sollte sich jedoch ein Homosexueller „an Kindern unter 14 Jahren vergriffen“ haben, dann müsse eine „Verurteilung […] aus demselben Grund erfolgen, als ob ein Mädchen unter 14 Jahren geschlechtlich mißbraucht worden wäre, und zwar müßte wegen Notzucht, Verführung oder Schändung die Anklage erhoben werden“ (Hervorhebung i. Orig. – SFG, Band 10). Freud widersprach also bereits frühzeitig sehr deutlich der Pathologisierung der Homosexualität. Das ist umso bemerkenswerter, als Homosexualität noch jahrzehntelang strafrechtlich verfolgt wurde und bis 1968, laut ICD, als neurotische Störung galt. Bewerber mit dieser Diagnose wurden deshalb nicht zur psychoanalytischen Ausbildung zugelassen.
– Um noch ein zweites Beispiel für die Bedeutung einer nur scheinbar marginalen Schrift anzuführen, sei der Aufruf an Männer und Frauen aller Kulturländer (1912) genannt, der in Band 12 der SFG abgedruckt ist. Ursprünglich war dieser Text in der Zeitschrift Die Neue Generation erschienen, die den Deutschen Bund für Mutterschutz und Sexualreform vertrat. In diesem Aufruf, den u. a. Freud unterzeichnet hatte, hieß es, man trete „für eine höhere menschliche Kultur, für edlere und zugleich glücklichere Lebensverhältnisse [ein]. Die erste Vorbedingung aber einer stetigen, aufwärts leitenden Entwicklung ist die Gesunderhaltung der Rasse. Ihr vornehmstes Mittel ist die in der Gattungsfortpflanzung sich vollziehende Auslese. Diese stark, gesund und rein zu erhalten, sie dem Ziele der Vervollkommnung anzupassen und so das Geschlechtsleben des Menschen zugleich dem Wohle des Lebenden und dem Aufstieg der Gattung dienstbar zu machen, ist die höchste Aufgabe der fortschreitenden Zivilisation“ (Hervorhebungen i. Orig.). Solche Formulierungen konnten damals noch unbefangen gelesen werden, aus heutiger Sicht werfen sie jedoch Fragen auf. Etwa diese Frage: Welche Spuren haben derartige Überzeugungen im Werk Freuds hinterlassen? So schreibt er in Warum Krieg? (1933): „Es ist ein Stück der angeborenen und nicht zu beseitigenden Ungleichheit der Menschen, daß sie in Führer und in Abhängige zerfallen. Die letzteren sind die übergroße Mehrheit, sie bedürfen einer Autorität, welche für sie Entscheidungen fällt, denen sie sich meist bedingungslos unterwerfen. Hier wäre anzuknüpfen, man müßte mehr Sorge als bisher aufwenden, um eine Oberschicht selbständig denkender, der Einschüchterung unzugänglicher, nach Wahrheit ringender Menschen zu erziehen, denen die Lenkung der unselbständigen Massen zufallen würde.“ Freuds Ausführungen in Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) ließen sich also nicht nur auf das Heer und die Kirche, sondern auch auf den Kreis seiner Schüler beziehen, dem er als ein ‚nach Wahrheit ringender‘ Führer vorstand. Diese Idealisierung eines Führers ‚unselbständiger Massen‘ bewog Freud 1933, dem Duce ein Exemplar seines Aufsatzes Warum Krieg? mit folgender handschriftlichen Widmung zukommen zu lassen: „Benito Mussolini mit dem ergebenen Gruß eines alten Mannes der im Machthaber den Kultur-Heros erkennt.“
Dass die Texte in der Gestalt ihrer Erstveröffentlichung vorliegen, stellt einen weiteren Vorteil des Editionsprinzips der SFG dar. Am Beispiel der Traumdeutung ist das näher zu erläutern: Sie wurde mehrfach verändert und stark erweitert (mit Ausnahme der siebten Auflage von 1922, die mit der sechsten Auflage von 1921 identisch ist). Erstmals erschien sie 1900 im Umfang von knapp 400 Druckseiten. Tögel hat diese Erstfassung mit einem ausführlichen Kommentar eingeführt. Die meisten Leser kennen den Text aber nicht nach der ersten, vielmehr nach der achten Auflage, die in den GW abgedruckt ist, wo sie knapp 650 Druckseiten umfasst. Den vielzitierten Satz „Die Traumdeutung aber ist die Via regia zur Kenntnis des Unbewußten im Seelenleben“ findet man schließlich auch nicht in der ersten, sondern erst ab der zweiten Auflage (1909). Und in die vierte Auflage (1914) hat Freud zwei Beiträge Otto Ranks eingearbeitet (Traum und Dichtung und Traum und Mythus), die er in der achten Auflage (1930) nach dem Zerwürfnis mit seinem vormaligen Lieblingsschüler wieder entfernte.
Die Vorworte, die Freud der jeweils neuen Auflage der Traumdeutung vorangestellt hat, sind ihrem Erscheinungsjahr entsprechend in verschiedenen Bänden der SFG enthalten. Wollte man alle Auflagen der Traumdeutung untereinander vergleichen, fände man hunderte oder gar weit über tausend Stellen, die sich unterscheiden lassen. Die Links, die zum Text der jeweiligen Auflage im Internet führen, sind in der SFG ebenfalls enthalten. Das ist für Wissenschaftler, die sich mit der Entstehung und Veränderung des Textes beschäftigen, ein wertvolles Hilfsmittel. Das gilt auch für die anderen zu Lebzeiten Freuds in verschiedenen Auflagen erschienen Schriften, darunter Freuds Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Im Vorwort zu deren zweiter Auflage (1910), die im Vergleich zur ersten Auflage nur geringfügig verändert erschienen ist, schreibt Freud: „Der Verfasser, der sich über die Lücken und Dunkelheiten dieser kleinen Schrift nicht täuscht, hat doch der Versuchung widerstanden, die Forschungsergebnisse der letzten fünf Jahre in sie einzutragen […]. Im übrigen ist es sein sehnlicher Wunsch, daß dieses Buch rasch veralten möge, indem das neue, was es einst gebracht, allgemein angenommen und das Unzulängliche, das sich in ihm findet, durch Richtigeres ersetzt wird“ (SFG, Band 12). Solche angekündigten Ersetzungen sollten dann in den späteren Ausgaben der Drei Abhandlungen in einem größeren Umfang erfolgen.
Die Feinde der nüchternen Vernunft werden immer dem Quacksalber Recht geben
Am 11. März 1938 marschiert die deutsche Wehrmacht in Österreich ein. In Freuds Kürzester Chronik (digital verfügbar: https://www.loc.gov/resource/mss39990.OV1006/?st=gallery – Aufruf: 01.03.2024) heißt es lapidar: „Finis Austriae“. Drei Tage später lautet der Eintrag: „Hitler in Wien“. Im Juni 1938 muss Freud die Stadt verlassen, in der er achtzig Jahre lang gelebt hat. Er findet in London Zuflucht. Mitte Juli erhält er dort einen Brief, in dem er gebeten wird, ein Glückwunschschreiben für die Pestalozzi-Schule in Buenos Aires zu verfassen. Den Brief hat Ernesto Alemann, der Herausgeber des Argentinischen Tageblatts, geschrieben, der sich mit seinem Blatt deutlich gegen den Nationalsozialismus richtete. Freud lehnte Alemanns Bitte mit der Begründung ab: Ich „verhandle noch Fragen der Herausgabe meines Hausrats und meiner Bücher, die in Wien geblieben sind, und wehre mich gegen fortgesetzte Erpressungsversuche, nachdem sie [die Nationalsozialisten] mir alles abgenommen haben, was ihnen zugänglich war. Bei der Wachsamkeit der Bande darf ich als sicher annehmen, daß eine solche öffentliche Äußerung von mir ihnen den willkommensten Vorwand zur Konfiskation meiner restlichen Habe geben würde.“ Dieses Zitat steht im Kommentar der SFG (Band 20) zu einem Glückwunschschreiben an das Argentinische Tageblatt vom 24. April 1939, das Freud, einen zweiten Wunsch Alemanns erfüllend, dann doch geschrieben hat, denn jetzt wusste er sich im Londoner Exil endgültig in Sicherheit.
Die letzte Schrift, die Freud zu Lebzeiten veröffentlichte, ist ein Vorwort. Es erschien in dem von Yisrael Doryon 1939 in Jerusalem publizierten Buch Lynkeus‘ New State. A plan fort he establishement of a new sozial order on an improved and humane basis. Freud erinnerte darin an den unter dem Pseudonym ‚Lynkeus‘ publizierenden Wiener Sozialphilosophen Josef Popper (1838-1921), der sich, wie Freud, als Aufklärer im Geiste Voltaires verstanden hat (siehe dazu Poppers 1878 unter den Initialen J*. P.* veröffentlichtes Buch Das Recht zu leben und Die Pflicht zu sterben. Socialphilosophische Betrachtungen, anknüpfend an die Bedeutung Voltaire’s für die neuere Zeit. Zu seinem 100. Todestage (30. Mai 1878) – https://books.google.de/books/about/Das_Recht_zu_leben_und_die_Pflicht_zu_st.html?id=tGIL-EX3jWsC&redir_esc=y – Aufruf: 01.03.2024). Freud hatte sich bereits zuvor mehrfach zu diesem Autor geäußert – nämlich in: Josef Popper-Lynkeus und die Theorie des Traumes (1923, SFG, Band 17); Aufruf für ein Popper-Lynkeus-Denkmal (1926, SFG, Band 18); Meine Berührung mit Josef Popper-Lynkeus (1932, SFG, Band 19).
Das Vorwort, das Freud 1938 zu Doryons Buch geschrieben hat, kann man als Zeitdokument, aber auch als Doppelportrait lesen. Auf der Vorderseite sieht man Popper und im Hintergrund ist Sigmund Freud zu erkennen. Und so lautet der in der SFG (Band 20) abgedruckte Text: „Der Jude Josef Popper-Lynkeus, Forscher, Denker und Menschenfreund, wird von kommenden Geschlechtern sicherlich als einer der grössten Männer seiner Zeit erkannt und geehrt werden. Während der kurzen Periode ihrer Herrschaft in Wien hatte die sozialistische Stadtverwaltung seinem Andenken eine Büste im Wiener Rathauspark geweiht. Als die Deutschen in Wien einfielen, wurde dies Denkmal entfernt, wahrscheinlich zerstört. Das Buch des Herrn Doryon ist ein erster Versuch, es wieder aufzurichten. London, November 1938 – Sigm. Freud.“
Im Anhang zu Band 20 stehen – abweichend vom ansonsten gültigen Editionsprinzip – zwei Schriften, die nicht zu Freuds Lebzeiten, sondern erst posthum erschienen sind: Abriss der Psychoanalyse (1940) und Some Elementary Lessons in Psycho-Analysis (1941). Wie eingangs erwähnt, folgen in Band 21 dann neben Berichten über Vorträge auch noch Interviews, die Freud zwischen 1904 und 1938 gegeben hat. In manchen Fällen sind sie wörtlich erhalten, in anderen sind sie so abgedruckt, wie sie in Zeitungsaufsätzen oder Büchern ausschnittweise wiedergegeben oder paraphrasiert überliefert worden sind. Sie sind in verschiedenen Sprachen abgefasst (Deutsch, Englisch, Französisch, Ungarisch, Polnisch). Die Interviews in ungarischer und in polnischer Sprache sind in der SFG sowohl original wie in deutscher Übersetzung zu lesen. Ich wähle einige Beispiele aus, die Freuds Persönlichkeit besonders akzentuiert erscheinen lassen:
– Die ungarische Journalistin Zsófia Dénes (1885–1987) veröffentlichte im August 1918 in der Zeitung Világ die Zusammenfassung eines mit Freud geführten Interviews: Beszelgetes Freud professzorral (dt. Gespräch mit Professor Freud). Den zwiespältigen Eindruck, den sie von Freuds Gesichtsausdruck gewann, schilderte sie folgendermaßen: „So viel strömt von ihm aus, so viel reges, aber hochgesinntes Leben, so viel Güte und Milde in den Augen, so viel Pessimismus in den zu den Mundwinkeln herablaufenden Furchen, so viel Denken, Urteil und über nichts erstaunte Aufmerksamkeit auf der mächtigen und dominierenden Stirn. Vielleicht wäre dieses Gesicht bitter, wenn man nur auf den Mund sähe. Vielleicht unnahbar überheblich, wenn man nach der Stirn urteilen wollte. Aber es bleiben noch die Augen, dunkel, klug und gütiger als klug, in die Einsamkeit zurückgezogen wie nur die der geistigen Aristokraten und ganz in der Tiefe so rein wie die eines Kindes“ (Band 21).
– Im August 1923 veröffentlichte George Sylvester Viereck in der Zeitung New York American ein Interview, in dem er Freuds Ansichten über die Zwiespältigkeit des Menschen so wiedergab: „[…] we must accept the truth from Freud, that Dr. Jekyll and Mr. Hyde, Frankenstein and the Monster he created, are not separate entities, but two phases of human nature, as existing in one, our own unconscious selves“ (Band 21).
– Und in dem posthum erschienenen Buch My Occult Diary (1951) des in Auschwitz ermordeten Journalisten Cornelius Tabori (1879–1944) wird ein 1935 mit Freud geführtes Gespräch wiedergegeben, in dem er sich über das Kräfteverhältnis von Vernunft und Emotion folgendermaßen äußert: „The French Revolution and its enlightenment renounced the spirits and Mesmer; in the intoxication of its victory, it erected an altar to Reason. But this intoxication did not know that the fall of the Bastille did not mean that the human psyche’s bastions had also fallen. Just as the French Revolution’s ideological leaders did not realize that their enlightenment was the mind’s enlightenment which did not give sufficient ground to the liberation of emotions” (Band 21).
– Schließlich sei auch noch ein Interview angeführt, das Hans Habe (Pseudonym des ungarischen Journalisten János Békessy) 1932 in der Zeitung Magyar Hírlap veröffentlicht hat. Hier wird Freuds Urteil bezüglich der unzureichenden Bereitschaft der Menschen, die Realität objektiv – das heißt: sie unabhängig von der Erfüllung ihrer Wünsche – wahrzunehmen, mit diesen Worten wiedergegeben: „Die Feinde der nüchternen Vernunft werden immer dem Quacksalber […] Recht geben […], wenn er fähig erscheint, die Gesetze und Gegebenheiten der nüchternen Vernunft umzustürzen. Diese Feinde der nüchternen Vernunft verfälschen mit wunderbarem Fleiß die Bemerkungen und die Erfahrungen anderer, nur um auch vor sich selbst beweisen zu können, wie sehr etwas existieren kann, das sich mit der nüchternen Vernunft nicht erklären lässt” (SFG, Band 21).
Das Freud-Diarium und andere Zusatzleistungen der Sigmund-Freud-Gesamtausgabe
Nach Band 21, der die Vorträge und Interviews enthält, folgt (in zwei Teilen) Band 22. Hier findet man in der Rubrik Chroniken und Kalender den Hinweis auf das Verzeichnis der Briefe und Liebeszeichen, die ich [Freud] von meiner teuren Martha erhalten habe (vollständig enthalten in: https://www.loc.gov/resource/mss39990.OV0202/?st=gallery – Aufruf: 01.03.2024). Ein weiterer Hinweis betrifft das Notizbüchlein (1901–1936), das vollständig auf der Homepage des Herausgebers der SFG nachzulesen ist (http://www.freud-biographik.de/Freuds%20Notizbuecher%201901-1936%20-%207.%20Fassung.pdf – Aufruf: 01.03.2024). Auf dieser Homepage war früher auch ein Freud-Diarium zu finden, das inzwischen aber nicht mehr abrufbar ist. Tögel hat es – im Umfang erheblich erweitert – in die SFG integriert (Band 22, Teil 1: 1856-1913; Band 22, Teil 2: 1914-1939). Das ist eine weitere Zusatzleistung, die das Freud-Bild um viele Nuancen bereichert. So lautet etwa der Eintrag für den 22. Juni 1882: „F. besucht Ernst Fleischl; der empfiehlt ihm, sich so viel Geld zu borgen, wie er brauche – und das nicht nur bei Josef Breuer, sondern auch bei ihm, Fleischl.“ Leider werden, von wenigen Ausnahme abgesehen, die Quellen, auf denen die Einträge im Freud-Diarium basieren, in der gedruckten Version der SFG, anders als in der früheren, nicht genannt. Vielleicht lässt sich das in der geplanten digitalen Ausgabe der SFG wieder ändern?
In Band 22 findet man auch noch ein herausnehmbares Faltblatt, auf dem die Stammbäume der Familien Sigmund Freuds und Martha Bernays sowie eine Übersicht ihrer Nachkommen verzeichnet sind. Das ist nur eine kleine Auswahl der Mitglieder beider Familien. Inzwischen konnten mehr als 1.400 Personen ermittelt werden.
Den Abschluss der SFG stellt Band 23 dar, der u.a. eine Freud-Bibliographie und eine Übersicht der bisher ermittelten Korrekturen aller in den Bänden 1-22 entdeckten Fehler enthält. Ein fortlaufend aktualisiertes Korrigendum ist darüber hinaus bereits im Internet zu finden (https://www.psychosozial-verlag.de/download/Korrigenda.pdf – Aufruf: 01.03.2024).
Die SFG kann mit allen 23 Bänden als Gesamtpaket erworben werden, doch jeder Band ist auch einzeln erhältlich. Wie immer man sich entscheiden mag, in jedem Fall hält man ein bibliophiles Schmuckstück in Händen, das überraschende Einblicke in eine scheinbar längst bekannte Geschichte eröffnet.
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