Wo verläuft die Grenze zwischen Chance und Gefahr?

Karl Olsberg zeichnet in „Virtua“ ein real vorstellbares Zukunftsszenario nicht-kontrollierter künstlicher Intelligenz

Von Stefanie SteibleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Steible

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Virtua spielt zwar in der Zukunft, aber ist der Realität doch vom ersten Moment an näher, als der Leser vielleicht erwartet. Der gescheiterte Psychologe Daniel heuert bei einem Konzern an, der sich mit Künstlicher Intelligenz und deren mentaler Anwendung beschäftigt. Weil sich ihm hier eine neue Chance bietet, bemerkt er die Gefahren der neuen Welt zunächst gar nicht, und hält die KI für jederzeit kontrollierbar.

Erst als er bereits mitten in die Anwendung eingestiegen ist und durch den Entwicklerkollegen Chen neue und nähere Einblicke erhält, erkennt er, dass die Grenze des tatsächlich Steuerbaren längst überschritten ist. Chen macht sich zunehmend durch seine innerhalb der Firma ausgesprochenen Warnungen unbeliebt und verschwindet schließlich bei einem Hackerangriff spurlos. Spätestens hier versteht Daniel die Gefahr, in der die Menschheit schwebt.

Karl Olsberg schafft es vom ersten Moment an, als Daniel seinen neuen Arbeitsplatz betritt, diesen als faszinierend und verlockend und auch als große Chance für den jungen Mann darzustellen. Während sich sehr schnell Spannung aufbaut, bleibt Daniel dennoch greifbar, authentisch und der Leser kann sich leicht mit ihm identifizieren. Er zeigt menschliche Emotionen und verbindet diese zugleich mit der technologischen Entwicklung, für die Daniel mit verantwortlich ist und deren Einsatz er aktiv vorantreibt, ohne sich deren Gefahren bewusst zu sein.

Spannend und beklemmend zugleich, euphorisierend und einschüchternd, so lässt sich das Werk von Karl Olsberg, einem Meister seines Faches, bezeichnen. Ohne Scheuklappen und Vorwarnungen begegnet der Leser seinem energiegeladenen Text. Dadurch vermag er zu erreichen, dass die Rezipienten zum Nachdenken angeregt werden und sich auch nach dem Lesen noch weiter inhaltlich mit einer Entwicklung wie der von Virtua auseinandersetzen dürften. Hierzu trägt auch die feine Zeichnung der Nebenfiguren bei, die die Realität des Thrillers befördern, während der Leser zugleich eine Vielzahl an Informationen rund um die KI erhält.

Ein sehr gut recherchiertes und aufgrund seiner fachlichen Expertise überzeugendes Buch ist dem Autor gelungen. Obwohl er es als Thriller verpackt hat, ist die reale Gefahr deutlich spürbar, die von der KI ausgehen kann. Ein Plädoyer für Regulierung und staatliche Kontrolle, aber auch dafür, dass die Menschen letztlich über die KI und deren Einsatz zu bestimmen in der Lage sind, und nicht die KI über uns.

Titelbild

Karl Olsberg: Virtua. KI – Kontrolle ist Illusion.
Thriller.
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2023.
384 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783746640600

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