Luftkrieg und Philatelie
Blicke ins Briefmarkenalbum mit Sebald
Von Uwe Schütte
Aby Warburg
Zur Vorrede nur so viel: Die Philatelie ist mittlerweile erledigt, ein weiterer Eintrag auf den kulturellen Verlustlisten des 21. Jahrhunderts. Doch Philatelisten besaßen ohnehin keinen guten Leumund mehr. Sie galten als Langweiler und Stubenhocker, die einem tendenziell kleinbürgerlichen, wenn nicht gar reaktionären Hobby nachgingen, galt ihre Passion doch einem durch und durch konservativen Medium. Kein Wunder: Ich erinnere mich noch daran, wie während meiner Kindheit die Schaufenster nicht weniger Briefmarkengeschäfte sich durch eine demonstrative Dekoration mit Postwertzeichen des Dritten Reiches in ein veritables Meer aus Hakenkreuzen verwandelten. Warum, habe ich erst später begriffen.
Briefmarken sind oft unsympathisch, prangen darauf doch staatliche Hoheitszeichen oder Herrscherprofile, etwa von Friedrich Wilhelm IV. über Hindenburg und Hitler bis zu Adenauer und Ulbricht. Als Bildträger spiegelt das Medium die Zeitläufte, denen die Postwertzeichen entsprungen sind: Feierte eine 1959 erschienene Sondermarke der Bundesrepublik die Ausstellung des Heiligen Rocks in der Domkirche zu Trier,[1] so forderte die psychedelische Darstellung eines „unzufriedenen“ Jugendlichen auf einer im August 1975 herausgegebenen Briefmarke „Kampf dem Drogenmissbrauch“,[2] während in den 1990ern kaum ein Postwertzeichen ohne Schwarz-Rot-Gold auskam. Im Februar 2021 galt eine Emission dem „Digitalen Wandel“,[3] die diesen zugleich in dezidierter Hässlichkeit vorführte in Form des neueingeführten Matrix-Codes, der seitdem alle deutschen Postwertzeichen verunstaltet, während eine unlängst, im März 2024, erschienene Playmobil-Briefmarke erst gar keinen Hehl mehr daraus macht, reine Werbung als perfides product placement zu sein.
Briefmarken sind mithin mobile Propagandabildchen der jeweils herrschenden Ideologien, sozialen Denkweisen und gesellschaftlichen Diskurse. Aus just diesem Grund versuchte man gegen Ende der 1960er Jahre durch subversive Manöver das massenmediale Potential der Postwertzeichen für progressive Zwecke nutzbar zu machen. Genannt sei paradigmatisch der Künstler und Grafiker H.P. Brehmer mit seinem Konzept der Sichtagitation, wobei er etwa freierfundene Briefmarken mit linkspolitischen Aussagen als Grafiken im Großformat schuf,[4] oder der Verleger Jörg Schröder, der 1970 eine Lenin-Briefmarke anlässlich des 100. Geburtstags des Bolschwiken illegal drucken ließ und in den Postumlauf brachte, was ihm strafrechtliche Verfolgung wegen Urkundenfälschung einbrachte.[5]
Doch dergleichen Ansätze blieben Ausnahmen. Philatelisten der Nachkriegszeit waren mehrheitlich in der Tat das, was man abfällig als Spießer bezeichnen könnte. Gertrud Aebischer, die ältere Schwester von W.G. Sebald erinnert sich, dass „das schlimmste Schimpfwort meines Bruders, in seinen Flegeljahren und auch später, ‚Sie ekelhafter Briefmarkensammler‘ war.“[6] Ob der Student Sebald diese Beschimpfung beibehielt, als er bei der Lektüre von Einbahnstraße entdeckte, dass Walter Benjamin ein passionierter Briefmarkensammler war? „Briefmarkenalben sind magische Nachschlagewerke”,[7] so Benjamin, und Briefmarken exemplarische Gegenstände für eine materialistisch fundierte „Andacht zum Unbedeutenden“, in welcher er den „Geist wahrer Philologie“[8] ausmachte.
Verweilen wir noch beim Philatelisten Benjamin. Als er im Winter 1926 nach Moskau reist um Asja Lācis zu besuchen, entdeckt er dort die Freimarkenserie Kräfte der Revolution, die ab 1922 mehrere Jahre lang in neuen Variationen ausgegeben wurde. Die Briefmarken zeigen exemplarische Kopfbilder des neuen Sowjetmenschen, welche auf Skulpturen des Bildhauers Iwan Dmitrijewitsch Schadr zurückgehen: Kolchosenbauern, Rotarmisten und Arbeiter. Die im Stil des sozialistischen Realismus gearbeiteten Portraits besaßen daher eine Formensprache, die in ihrer Ästhetik wie politischen Aussage radikal abwich von sowohl den Postwertzeichen des Kaiserreichs wie der Weimarer Republik. Für Benjamin hielten die sowjetischen Briefmarken daher eine welthistorischen Bildwandel fest: „Verwundert schlägt ein stiernackiger Prolet die Augen in dieser Feenwelt auf, in welche Lenin ihn hineingezaubert hat. Das hatte er, als er den Zaren stürzte, nicht gedacht.“[9]
Was hier aufblitzt, muss zusammengedacht werden mit Benjamins späteren Überlegungen im Essay zum Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, liefert die Alltagsästhetik der sowjetischen Postwertzeichen doch ein Paradebeispiel für die massenhaft verbreiteten Bildträger einer politisierten Kunst. Allerdings gilt ebenso nicht zu vergessen, was Benjamin in seiner an Kinder gerichteten Radiosendung Briefmarkenschwindel voraussagte, nämlich „daß im Zeitalter der Mechanisierung und Technisierung die Briefmarke kein sehr langes Leben mehr hat”.[10] Er behielt recht. Digitale Kommunikation macht den Brief, und damit kollateral, die Briefmarke, zunehmend überflüssig.
Die ab 2023 ausgegebenen Kryptobriefmarken, so zumindest stellt sich die Deutsche Post vor, sollen als NFTs in einer digitalen Wallet auf dem Handy gesammelt werden, was doch den schlagenden Beweis für Benjamins kulturkritische These liefert, dass die Philatelie „das zwanzigste Jahrhundert nicht überleben“[11] wird. In der Tat: Die Philatelie liegt heute in ihren letzten Zügen, geht unaufhaltsam der Obsoleszenz entgegen. Schuld ist, natürlich, die Jugend: Das Fehlen eines briefmarkensammelnden Nachwuchses sorgt dafür, dass mit ihren Mitgliedern auch die Sammlervereine aussterben. Händler sind mit ihren Ladengeschäften bereits weitgehend verschwunden aus dem Stadtbild, ein Versandriese Hermann E. Sieger musste Ende 2023 in Liquidation gehen.[12] Der Marktwert von Briefmarken ab 1945 tendiert inzwischen gegen null, der Preisverfall betrifft selbst rare Stücke aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, da der Markt überschwemmt ist mit Sammlungen verstorbener Philatelisten. Die vermeintliche „Aktie des kleinen Mannes“ hat sich als totaler Flop erwiesen.[13]
Umso auffälliger, dass sich in den Kulturwissenschaften bzw. der Historiografie derzeit so etwas wie ein philatelic turn vollzieht. Im Rahmen postgeschichtlicher wie bildästhetischer Untersuchungen wird die Briefmarke als Gegenstand akademischer Aufmerksamkeit rehabilitiert. Während Numismatik wie Heraldik von jeher als Hilfswissenschaften an den Universitäten gelehrt wurden, zog die Philatelie bislang keine wirkliche akademische Aufmerksamkeit auf sich. Das änderte sich erst mit dem bahnbrechenden 2019er Sammelband von Smolarski und Vetter-Schultheiß,[14] auf den weitere (post)historiografisch ausgerichtete Studien aus diesem Umfeld folgten.[15] Die rezente kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Briefmarken, die insbesondere von Aby Warburgs Interesse für das postalische „Bilderfahrzeug“ empfangen hat,[16] vollzieht sich verstreuter, aber keineswegs weniger intensiv;[17] hinzukommen noch eher der philatelistischen Fachliteratur zurechenbare Publikationen aus der Feder hauptberuflicher Akademiker, wie etwa dem Stuttgarter Romanisten Reinhard Krüger.[18]
Luftkrieg und Philatelie?
Vor dem Hintergrund des unverhofft erwachten akademischen Interesses an der Philatelie zu Zeiten ihres Niedergangs entstand meine Idee, W.G. Sebalds Thesen in Luftkrieg und Literatur am Korpus deutscher Briefmarken seit 1943 zu überprüfen. Ich erspare mir, Sebalds Kritik an der (mangelnden) literarischen Darstellung der alliierten Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung und die Totalzerstörung mehrerer deutscher Großstädte, will sagen: die „Unfähigkeit einer ganzen Generation deutscher Autoren, das, was sie gesehen hatten, aufzuzeichnen und einzubringen in unser Gedächtnis“,[19] hier detailliert aufzurollen. Angesichts des Umfangs der Debatte setze ich eine basale Vertrautheit mit Sebalds erinnerungspolitischer Kernthese voraus, dass die Zerstörung der deutschen Städte eine Leerstelle im kollektiven Gedächtnis der Deutschen geblieben ist. „Der wahre Zustand der materiellen wie moralischen Vernichtung, in welchem sich das ganze Land befand, durfte aufgrund einer stillschweigend eingegangenen und für alle gleichermaßen gültigen Vereinbarung nicht beschrieben werden.“ (18)[20]
Der kriegsverbrecherische Charakter der totalen, strategisch zumeist sinnlosen Zerstörung ganzer Städte – bei der man neben dem Tod politisch unschuldiger Deutscher die Auslöschung von Kindern, Flüchtlingen, Gefangenen und Zwangsarbeitern in Kauf nahm – hat es rechten Propagandisten leicht gemacht, in perfider Logik Dresden gegen Auschwitz aufzurechnen. Dies wiederum machte es überaus schwierig, an die Zerstörungen des Krieges zu erinnern. Sebald erlebte am eigenen Leibe, dass man sich dem pauschalen Verdacht aussetzte, ein Revisionist zu sein. Dass die grauenhafte Realität des Bombenterrors nie wirklich in der Nachkriegsliteratur beschrieben wurde, hat jedenfalls nicht geholfen, die traumatisierenden Grenzerfahrungen infolge der rücksichtslosen Flächenbombardements ins kollektive Gedächtnis der Deutschen zu heben.
Das betraf zumal das monströse Extremphänomen der noch nie zuvor beobachteten Feuerstürme, die Großstädte wie Hamburg oder Köln in gigantische Brandstätten verwandelten. Das von Sebald vielfach kritisierte Schweigen über die entsetzlichen Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus betraf ebenso den in Worten kaum zu fassenden Horror des extremen Luftkriegs. „Die finstersten Aspekte des von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung miterlebten Schlußaktes der Zerstörung blieben so ein schandbares, mit einer Art Tabu behaftetes Familiengeheimnis, das man vielleicht nicht einmal sich selber eingestehen konnte.” (18)
Die konkrete Anregung für diesen Essay nun lieferte eine Beobachtung bei der Durchsicht der Briefmarkenemissionen der 1990er Jahre, die ich im Zusammenhang mit einem philatelistischen Buchprojekt unternahm.[21] Anlässlich der Privatisierung der Deutschen Bundespost zum 2. Januar 1995 ging es mir um einen komparativen Blick auf die Dekade, um herauszufinden, ob es erkennbare Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Hälfte des Jahrzehnts gibt. Just im postalischen Wendejahr 1995 stieß ich auf ein, neudeutsch gesprochen: Cluster von Briefmarken, die eine augenfällige Verbindung zu den Kernthemen aufwiesen, die im Zentrum der erinnerungspolitischen Debatten der Berliner Republik standen.
Fünf Postwertzeichen insgesamt, allesamt zu Anfang Mai 1995 erschienen und entworfen von dem Münchner Grafiker Ernst Jünger, die ausgabebezogen wie gestalterisch zusammengehören. Den Beginn machen zwei Europa-Marken zum Thema „Frieden und Freiheit“, die neben der Europafahne eine Fotografie von Soldaten zeigte.[22] Flankierend dazu zwei Blockausgaben: Zunächst der anlässlich des „50. Jahrestag der Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrationslagern“ erschienene Block, der in angemessen zurückhaltender visueller Sprache ein in grau gehaltenes Postwertzeichen enthält, in dessen Zentrum eine Fläche mit den charakteristischen grau-blauen Streifen der Häftlingskleidung samt Stacheldraht zu sehen ist, während auf der umrandeten Fläche die Ortsnamen von über zwanzig Lagern aufgelistet sind.[23] Die zweite Blockausgabe würdigte den „50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs“.[24] Diese enthält zwei Postwertzeichen zum Nennwert von je 100 Pfennig, von denen eine, in dunklem Blau gehaltene Marke zerstörte Gebäude zeigt; die korrespondierende, in dunklem Grün gehaltene Marke zeigt eine Gruppe Heimatvertriebener.
Zwischen Emissionen, die den mir nicht weiter bekannten Hl. Vinzenz von Paul[25] und deutsche Hunderassen wie Mittelschnauzer, Rauhaardackel, Münsterländer und, nicht zu vergessen, den Schäferhund würdigen,[26] war damit alles versammelt, was in den 1990er Jahren die gesellschaftlichen wie akademischen Debatten zur Erinnerungskultur bestimmte. Das galt zumal für die zusammenhängenden Blockausgaben: zum einen der Holocaust, das große Verbrechen der Deutschen, zum anderen kriegszerstörte Städte und Vertreibung. Vorgeführt wird hier mithin das, was Heiner Müller in DER HORATIER „die unreine Wahrheit“[27] nennt. Er bezieht sich mit dieser Fügung auf den Kommunismus, dessen emanzipatorisches Potential nicht zu bergen ist ohne Eingedenken an die von Stalin Ermordeten. Die beiden Briefmarkenblöcke hingegen zeigen die unreine Wahrheit von der Doppelrolle der Deutschen als Täter und Opfer, Seite an Seite.
Im Nachfolgenden geht es mir also darum, angeregt von dem Postwertzeichen mit dem Foto einer raucherfüllten Ruinenstadt,[28] der Spur nachzugehen, die der Luftkrieg hinterlassen hat im Korpus der deutschen Briefmarken, hier also verstanden als einem Medium gesellschaftlicher Selbstverständigung über Themen, die einer nationalen Gemeinschaft, wie man so sinnig sagt, auf der Seele brennen.
Propaganda
Um Luftkrieg und Briefmarke in den Blick zu bekommen, gilt es anzufangen mit den während der vierziger Jahre im Deutschen Reich herausgegebenen Postwertzeichen. An der Ausgabepolitik des Reichspostministeriums während der schrecklichen Jahre, in denen der Holocaust verübt wurde und der totale Krieg herrschte, fällt auf, dass ausgerechnet gegen Kriegsende altehrwürdige Städte erstmals zu briefmarkenwürdigen Themen im Dritten Reich werden. Anlass der Emissionen sind jeweils runde Städtejubiläen. Bezeichnenderweise hatten aber weder Aalen 1939 eine Marke zum 600. Jahrestag der Erstnennung, noch die Hansestadt Stralsund 1934 bzw. Hannover 1941 zum jeweils 700. Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte eine Sondermarke erhalten. Ab 1943 jedoch erschien plötzlich wie in einem Countdown zum Untergang des Dritten Reiches und der Zerstörung der deutschen Städte in jedem Jahr eine Marke zu markanten Städtegeburtstagen: 1943 Lübeck,[29] 1944 Fulda,[30] 1945 Oldenburg.[31]
Das vom Grafiker Alfred Mahlau gestaltete Postwertzeichen zu Lübecks 800 Jahr-Feier griff als Bildidee die bekannten sieben Türme der Stadt auf, die ebenfalls stilisiert zu sehen sind bis heute im ebenso von ihm gestalteten Logo auf den Marmeladengläsern der Firma Schwartau. Die Stadt erscheint auf der Zuschlagsmarke – die übrigens als erste Ausgabe der Reichspost die Aufschrift „Großdeutsches Reich“ trägt – dank der Koggen im Bildvordergrund als mittelalterliche Trutzburg, deren ökonomische, militärische und politische Macht sie unangreifbar macht. Doch dergleichen Ikonografie der Stärke hatte mit der Realität wenig zu tun: Die Royal Air Force hatte ein gutes Jahr zuvor fünf der sieben Türme und weite Teile der Stadt zerstört. Zur Propaganda wird diese Marke für jene Postkunden, die im Süden des Reichs womöglich nichts wussten vom Schicksal der Hansestadt, indem man ihnen eine intakte Stadt vorgaukelte; den Einwohnern von Lübeck und allen anderen, die um die Bombardierung wussten, muss die Briefmarke wie Hohn vorgekommen sein. Der Luftkrieg und die Wunden, die er zunehmend in die Städte riss, war durch deren Ausblendung präsent in absentia.
Als Fuldas 1.200 Jahr-Feier anstand, erreichte das Postministerium in Berlin im März 1944 der Brief einer Volksgenossin, die dagegen protestierte, dass dieses Jubiläum durch eine Briefmarke gewürdigt wird. Ihre Begründung zeigt, wie im Kontext des Luftkrieg die nationalsozialistische Ausgabenpolitik in der Bevölkerung als problematisch wahrgenommen wurde: „Ich spreche im Sinne vieler, die überzeugt sind, daß Fulda angegriffen wird, sobald seine 1200-Jahr-Feier beim Feind bekannt wird“, warnt sie die Verantwortlichen, und weiter: „Warum lässt man eine Gedenk-Freimarke drucken, die jetzt in alle Welt hinausgehen soll und so auch ins feindliche Lager gelangt und klar und deutlich den Anreiz gibt: ‚Willst du, Feind, denn nicht auch mal hier noch deine Bomben abwerfen?‘“[32]
Verbunden mit der sich als Fürsorge um die Stadt tarnende Kritik war zudem die Implikation, dass die Briefschreiberin die historische Stadt kaum mehr als geschützt durch die deutsche Luftabwehr zu betrachten schien. Womit sie Recht behielt: bei amerikanischen Luftangriffen im Herbst 1944 wurde Fulda zu einem Viertel zerstört. Geschuldet war das allerdings der geografische Lage der Stadt als Ausweichziel für die US-Luftflotte auf ihrem Weg ins mitteldeutsche Industriegebiet und keineswegs der im März 1944 erschienenen Briefmarke. Das ausdruckslose braune Postwertzeichen, eine Zuschlagsmarke von 12 plus 38 Pfennig, zeigte zentral die Skulptur der Flora im Schlossgarten, während im Hintergrund eher schwer der Dom, die Michaelskirche und die Orangerie auszumachen sind.[33] Auch hier wurde gelogen: die Flora-Statue war zum Zeitpunkt der Emission längst hinter einem Splitterschutz verschwunden.
Im Januar 1945 stand schließlich die Würdigung des 600. Jahrestags der Verleihung der Stadtrechte an Oldenburg an, wozu das Postministerium die einzige Briefmarke dieses halben Jahrgangs herausgab, die nicht direkt mit den Anstrengungen des totalen Kriegs zusammenhing. Die in einem hässlichen schwarzlila gehaltene Zuschlagsmarke zeigt raumgreifend den Grafen Anton Günther von Oldenburg und Delmenhorst aus dem 17. Jahrhundert auf seinem legendären Apfelschimmel Kranich.[34] Die, wie die Zuschlagsmarke von 6 plus 14 Pfennig sie bezeichnet, „Gauhauptstadt“ Oldenburg ist auf Miniaturmaße geschrumpft am unteren Rand der Marke hinter und zwischen den Hufen des Pferdes zu sehen als eine Art Skyline von Kirchtürmen. Diese visuelle Rückstufung wirkt fast ironisch, war Oldenburg doch bis zum Erscheinungsdatum der Marke von Luftangriffen weitgehend verschont worden. 1944 blieb sie gar völlig frei von Attacken; erst im April 1945 kam es zu drei Bombardierungen, gefolgt von einem letzten Luftangriff im Mai 1945.
Was die Nationalsozialisten dezidiert zu vermeiden suchten, nämlich die Realität des Krieges auf Briefmarken zu zeigen, wurde vielmehr von einzelnen Volksgenossen gefordert. So regte ein Unteroffizier im Juli 1943 eine Briefmarkenserie an, „die links auf dem Markenbilde das Kulturdenkmal vor, und rechts dieses nach seiner Zerstörung durch die Terrorangriffe zeigen sollte.“[35] Bezeichnenderweise erwog das das Propagandaministerium tatsächlich zu Beginn der Bombardierungen eine Briefmarkenserie mit zerstörten Kulturdenkmälern, doch als sich dieser Plan hinzog, wurde die Serie im November 1944 gestoppt, da, so schrieb Goebbels am 29. November 1944, „diese Bilder damals zwar noch Zorn und Rachegefühle erwecken konnten, heute aber nur noch Resignation hervorrufen werden.“[36]
Franz Tröger, auf dessen Forschungen ich mich in diesem Abschnitt wesentlich stütze, resümiert: „In dieser existenziellen Frage versagte der Propagandadialog ganz. Die Chance, dem Erleben des Bombenkriegs ein Ventil zu schaffen, wurde vertan.“[37] Das von Sebald inkriminierte Schweigen der Deutschen in der Nachkriegszeit, so ließe sich ausgehend von diesen Beobachtungen festhalten, konstituiert gleichsam dialektisch eine dritte Form des sozialpsychologischen Umgangs mit dem Bombenkrieg: auf anfängliche Wut und anschließende Resignation folgte nach Kriegsende die kollektive Scham.
Ein Nachtrag noch: Die die Zerstörung von Kulturdenkmälern anklagende Briefmarkenserie materialisierte sich dennoch, allerdings als deutsche Propagandafälschungen: Auf 1944 angefertigten Fälschungen britischer Freimarken mit dem Konterfei von George VI. brachte man neben einem Davidsstern auf der Krone des Monarchen noch Überdrucke an, die – zwischen zwei Fliegerbomben – in etwas unbeholfenem Englisch den Aufdruck „MURDER RUIN“ aufwiesen, um darunter Orte zerstörerischer Bombardierungen zu benennen: neben „San Marino“, „Schaffhausen (Switzerland)“, „Cathedral of Rouen“ oder „Castelle Gandolfo“ allerdings nur ein Bauwerk in Deutschland, nämlich „Cathedral of Cologne“.
Obsession Wiederaufbau
Das Kapitel der Zerstörung, so konstatiert Sebald zu Beginn von Luftkrieg und Literatur, wurde durchaus in den Annalen fast jeder größeren Stadt gewissenhaft verzeichnet. Kennzeichnend für die in den Nachkriegszeit hergestellten Broschüren und Postkarten ist die zwanghafte Paarung der Dokumentation von totaler Kriegszerstörung und umgehender Instandsetzung. „Nicht als das grauenvolle Ende einer kollektiven Aberration erscheint also die totale Zerstörung, sondern, sozusagen, als die erste Stufe des erfolgreichen Wiederaufbaus” (14), so Sebald. Diese Strategie einer Verdrängung der Erinnerung an vergangene Zerstörung durch Überlagerung mit Bildern erfolgreichen Aufbaus findet sich in derselben Form in Briefmarkenausgaben der unmittelbaren Nachkriegszeit, wie an ein paar Beispielen gezeigt werden soll.
So, wie es „Kriegs- und Heimathistoriker [waren, die] den Untergang der deutschen Städte zu dokumentieren begannen“ (19), so sind es insbesondere in der Interimsperiode vor der Gründung der zwei deutschen Staaten erschienene Lokalausgaben, die es erstmals wagen, Kriegszerstörung zeigen. Den vorsichtigen Anfang dazu macht im Dezember 1945 eine siebenteiliger Satz mit Zuschlagsmarken zugunsten der Volkshilfe aus der vogtländischen Stadt Plauen. Darauf zu sehen sind das Stadtwappen und die berühmten Plauener Spitzen sowie Ansichten von Rathaus, Stadttheater oder dem Denkmal für den hl. Georg. Eher versteckt wirkt so die Zuschlagsmarke im Wert von 6 plus 4 Pfennig, welche die beschädigte Brücke über den Fluss Elster zeigt,[38] eine der ältesten Steinbogenbrücken Mitteleuropas. Diese aber war keineswegs einem feindlichen Luftangriff zum Opfer gefallen, vielmehr hatte ein deutsches Sprengkommando sie zerstört, um den Vormarsch amerikanischer Panzer aufzuhalten.
Dem Thema Brücken gewidmet ist die im März 1946 erschienene Zuschlagsserie zum „Wiederaufbau zerstörter Brücken in Thüringen“.[39] Während die ersten beiden Briefmarken kriegszerstörte Brücken ins Bild setzen (nämlich die Brücke über den Stausee bei Saalburg und die Camsdorfer Brücke über die Saale in Jena), zeigen die beiden anderen Marken die Wiederherstellung der Infrastruktur als bereits vollendetes Werk anhand der Saaletalbrücke im Jenaer Stadtteil Göschwitz und der Autobahnbrücke über die Ilm in Mellingen. Die Brücke bei Saalburg, heute in Brücke des Friedens umbenannt, wurde Mitte April 1945 von Pionieren der Wehrmacht gesprengt, genau wie die Camsdorfer Brücke. Insoweit also Kriegszerstörungen auf Postwertzeichen dargestellt werden, dokumentieren diese in einer perfiden Wendung selbstverursachte Destruktionen, die nach Kriegsende übrigens mit ausgerechnet sowjetischer Hilfe repariert wurden.
Der Luftkrieg bleibt komplett ausgeblendet. Anders in Berlin. In den Ruinen des Stadtbildes gehen Bombenschäden und Häuserkämpfe als Ursachen der Zerstörung ineinander über. Die ab August 1945 veröffentlichte Freimarkenserie[40] konzentriert sich auf stilisierte Darstellungen des Berliner Bären, zeigt Wappentier als Wiederaufbauarbeiter mit Schaufel in der Hand, als Maurer mit einem Ziegel und einen Holzbohlen tragend. Nur der höchste, und also am wenigsten benutzte Wert zu 30 Pfennig fällt aus der Reihe, indem er eine reale Stadtansicht zeigt, nämlich die Kriegsruinen am Kreuzberger Belle Alliance Platz (heute: Mehring Platz).[41] Zu sehen sind darauf Ruinen ausgehöhlter, mehrstöckiger Wohnhäuser mit zerborstenem Dach, wobei die Form der Beschädigung nahelegt, dass es sich um Bombenschäden handelt.
„So ungefähr muss es ausgesehen haben, das Vaterland, im Jahr 1945.“ (48) Die sieben Werte umfassende Serie zeigt die Luftkriegszerstörung nicht als bereits überwundene Stufe, sondern gibt teleologisch dem konzertierten Wiederaufbaubemühungen ein nicht leicht zu erreichendes Ziel vor. Optimistisch jedoch wirkt der im Vordergrund der Briefmarke übergroß zu sehende Setzling eines Eichenbäumchens als Symbol für die anstehende Neubelebung der zerstörten Stadtlandschaft. Man darf die in den Trümmerlandschaften der Städte wuchernde Flora mit Sebald dem in Luftkrieg und Literatur unsystematisch skizzierten Konzept einer „Naturgeschichte der Zerstörung“ (49) annähern. Die Briefmarke zeigt insofern eine Ruderalfläche, in der „das Trümmergelände schon verwandelt [ist] durch das dicht auf ihm wuchernde Grün“, war doch selbst nach Feuerstürmen „die Regenerationsfähigkeit der Natur […] nicht beeinträchtigt worden.“ (50f.)
Diese Eroberung der Ruinenlandschaften durch die Natur bildet die Kulisse, vor der die Zivilisation wiederum auf einen früheren Stand zurückgefallen ist. Sebald resümiert die Beobachtungen des RAF-Offiziers Edgar Kingston-McCloughry, der „das anscheinend ziellose Herumstreichen von Millionen obdachlosen Menschen inmitten dieser ungeheuren Verwüstungen“ im bombardierten Köln inspiziert hatte, mit den Worten, sie beschwöre das Gefühl, „sich in der Nekropole eines fremden, unbegreiflichen Volks [zu befinden], herausgerissen aus seiner zivilen Existenz und Geschichte, zurückgeworfen auf die Entwicklungsstufe unbehauster Sammler.“ (46f.)
Die Berliner Marken der 1950er Jahre zielen dann darauf ab, den aus politischen Konkurrenzgründen forcierten Wiederaufbau in den westlichen Zonen stolz ins Bild zu setzen, anstatt Kriegszerstörungen und bestehende Ruinen zu zeigen. Neben der Freiheitsglocke im Turm des Schöneberger Rathauses,[42] sieht man im Rahmen der Freimarkenserie „Berliner Bauten“ etwa die Ausstellungshallen am Funkturm, das Kontrollratsgebäude im ehemaligen Kammergericht, die Amerikagedenkbibliothek oder das Rathaus Neukölln.[43] Eine bezeichnende Ausnahme ist der im August 1953 erschienene Zuschlagssatz für den Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.[44] Darauf ist kontrastierend eine 1891 entstandene Ansicht der Kirchen zu sehen im Vergleich zur Nachkriegsruine. Diese gezielt zu erhalten als Mahnmal gegen den Krieg ergab sich zwangsläufig aus der Weigerung der Besatzungsmächte, das von ihnen als Symbol des wilhelminischen Nationalstolzes verstandene Gebäude wieder instand setzen zu lassen. Die Markenserien darf insofern verstanden werden als Protest gegen die Alliierten, welche die Deutschen daran hinderten, die Erinnerung an den Krieg nicht nur aus ihrem Gedächtnis sondern zugleich aus der Stadtlandschaft zu tilgen.
Rückten also bei den Briefmarken der unmittelbaren Nachkriegszeit der Wiederaufbau von Brücken in den Fokus, so schien es unter den Auspizien zu Mitte der 1950er Jahre eher um eine Art geistig-moralischen Wiederaufbau zu gehen, galt doch auch die im November 1955 in Berlin herausgegebene Zuschlagsserie anlässlich des 25jährigen Bestehens des Bistums Berlin dem Wiederaufbau zerstörter Kirchen. Kriegszerstörungen aber gab es darauf nicht zu sehen, die drei Werte zeigten vielmehr Skulpturen dreier Heiliger: neben Petrus als erstem Bischof von Rom sind noch der Hl. Otto als Apostel der Pommern und die Hl. Hedwig als Patronin von Schlesien abgebildet.[45] Man darf neben der Verdrängung von Bildern der Zerstörung ein gutes Maß an revisionistischer Trauer über den Verlust der Ostgebiete in diese Emission interpretieren.
Bau auf, bau auf…
Der Imperativ des Wiederaufbaus prägte beide Deutschlands, naturgemäß jedoch unter unterschiedlichen ideologischen Vorzeichen. In der DDR verband sich damit die Idee der Errichtung von etwas Neuem auf den Trümmern des Alten: auferstanden aus den Ruinen des Faschismus und einer vom Sozialismus bestimmten Zukunft zugewandt. Dieses Neue wird dabei gemäß kommunistischer Dogmatik verkürzt als Frieden kodiert (im Gegensatz zum mit dem Kapitalismus assoziierten Krieg). So erschien im Dezember 1950 eine Serie von vier Sondermarken zum Thema „Frieden“:[46] hinter einer abwehrenden Hand und einer Friedenstaube im Vordergrund, ist neben einem Panzer und einer Atombombenexplosion (sowie eines Soldatenfriedhofes) ein Bombenangriff zu sehen. Die Darstellung ist arg stilisiert, Explosion und Flammen lassen das dadurch zerstörte, schmale Gebäude kaum erkennen. Der Bombenkrieg, so erscheint mir diese Briefmarke paradigmatisch zu illustrieren, war ein Schrecken, der nicht zu leugnen aber zugleich nicht zu konfrontieren war, ein, wie Sebald es im Hinblick auf die deutsche Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fasste, „Hinsehen und Wegschauen zugleich.“ (7)
Die erste Emission der Bundesrepublik vom September 1949 anlässlich der „Eröffnung des ersten deutschen Bundestags“[47] zeigt das Richtfest des Gebäudes und markiert auf diese Weise die Bedeutung des Imperativs Wiederaufbau für die innere Verfasstheit der neuen Bundesrepublik: Selbst wenn die Briefmarke lediglich den Umbau der Pädagogischen Akademie Bonn zum Bundeshaus darstellt, so feiert das Postwertzeichen ideell die Wiedererrichtung der Demokratie. Ansonsten darf für die Briefmarken der BRD während der 1950er Jahre das Axiom eines gefestigten business as usual gelten: Quasi in Fortsetzung der NS-Postwertzeichen zu Städtejubiläen wurde im Mai 1956 eine Marke anlässlich „1.000 Jahre Lüneburg“[48] bzw. im Juni 1959 anlässlich „1.000 Jahre Buxtehude“ herausgegeben, womit man womöglich nicht von ungefähr zwei Städte auswählte, die von Bombenangriffen weitgehend verschont geblieben waren.
Die Nachwirkungen des Vernichtungskrieges im Osten und seines Pendants an der Heimatfront in Form des Bombenterrors scheinen während der Adenauer-Ära zwischen all den Ausgaben, die Kulturhelden wie Beethoven und Schubert, Goethe und Thomas Mann, Leonardo da Vinci und Gutenberg würdigen bzw. in schier endlosen Variationen christliche Veranstaltungen, diakonische Organisationen, Jubiläen von Kirchengebäuden, Theologen und Heilige aller Art, geradezu unterzugehen. Man muss dergleichen Marken nachgerade suchen: So erinnert im Mai 1953 eine eindringliche Sondermarke an das Los der unverändert in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Wehrmachtsangehörigen,[49] im August 1955 würdigt eine Sondermarke das Leid der Vertriebenen[50] und im November 1956 wird den Verdiensten der Kriegsgräberfürsorge[51] gedacht. Vielleicht mehr noch als in der Literatur gilt für die Bildwelt der Briefmarken, dass „die Schuttberge und die Ruinen in kurzer Frist verschwanden aus dem Gedächtnis der aus ihnen erstandenen neuen Nation.”[52]
Auffällig erscheint mir allerdings, dass ein Ton nicht recht verklingen wollte, der gerade anklang: die mit der Sondermarke von 1955 einsetzende Erinnerung an das Trauma der Vertreibung. Eine Dekade später, im Juli 1965 folgt eine Ausgabe zu „20 Jahre Vertreibung“,[53] nach einem längeren Zeitraum erschien dann im Juni 1990 eine Sondermarke zu „40 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“[54] sowie 1995 schließlich der eingangs erwähnte Block anlässlich „50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs“ mit einer Vertriebenengruppe. Die fortdauernde philatelistische Präsenz des Themas ist sicherlich zu erklären durch die politische Einflussnahme der Vertriebenenverbände – die Opfer des Luftkriegs besaßen ja nie eine Lobby.
Denn jene, die überlebten, kamen überein, ob bewusst oder unausgesprochen, dass Schweigen und Verdrängung der eingedenkenden Erinnerung an den Horror vorzuziehen war. Die, so Sebald, „in den letzten Kriegsjahren von Millionen gemachte Erfahrung einer nationalen Erniedrigung sondergleichen [wurde daher] nie wirklich in Worte gefaßt und von den unmittelbar Betroffenen weder untereinander geteilt noch an die später Geborenen weitergegeben“ (6). Selbst wenn die Zeit nicht alle Wunden heilt, zumal sofern diese derartig tief waren wie die vom Luftkrieg aufgerissenen, kamen den traumatisierten Überlebenden des Bombenterrors die Zeitläufe entgegen, denn mit Beginn der sechziger Jahre war das Kapitel Krieg und Wiederaufbau abgehakt. Der Bombenterror samt seiner Folgen spielte in beiden deutschen Staaten keine Rolle mehr in der Ausgabenpolitik beider Postverwaltungen. Ein getrennt einiges Beschweigen.
Fehlende Schmerzensspur
Dass der Luftkrieg „keine Schmerzensspur hinterlassen zu haben [scheint] im kollektiven Bewußtsein“ (12) bestätigt sonach ein Blick ins Briefmarkenalbum der Deutschen. Die von politischen Vorgaben geprägte Ausgabepolitik in der BRD wie der DDR sorgte bis heute dafür, „daß die Bilder dieses grauenvollen Kapitels unserer Geschichte nie richtig über die Schwelle des nationalen Bewußtseins getreten sind.“ (19) Seit der 1995 erfolgten Privatisierung der Bundespost hätte eine Chance bestanden, im Rahmen der Neuadjustierung des deutschen Geschichtsbewusstseins und der Erinnerungspolitik der Berliner Republik das Thema aufzugreifen. Doch nichts dergleichen geschah. Jene „die Physiognomie Deutschlands bis heute bestimmende Tatsache der Zerstörung fast all seiner größeren und kleineren Städte konstituierte sich“, so darf man mit Sebald sagen, nicht nur in der Nachkriegsliteratur, sondern ebenso im Briefmarkenalbum „als ein Sich-Ausschweigen, als eine Absenz.“ (82)
Doch wie kann das sein? An dieser Stelle angezeigt ist wohl ein Hinweis darauf, wie Briefmarken überhaupt zustande kommen: Ein mittlerweile beim Bundesfinanzministerium beheimateter Programmbeirat nimmt thematische Anregungen aus der Bevölkerung für neue Briefmarken entgegen und stellt eine Vorschlagsliste für die Neuerscheinungen jedes Jahres zusammen. Es wäre daher der Nachforschung wert, ob die Luftkriegsthematik, die doch beispielsweise im Gefolge der von Sebalds Luftkrieg und Literatur (1999) sowie Jörg Friedrichs Büchern Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945 (2002) und Brandstätten. Der Anblick des Bombenkriegs (2003) angestoßenen Kontroversen eine medial breit geführte Debatte auslösten, nicht zu entsprechenden Vorschlägen führten. Oder ob diese Anregungen vom Programmbeirat schlichtweg ignoriert wurden.
Blicken wir aber auch auf die Arbeit des Kunstbeirats, der die ästhetische Qualität der Entwürfe beurteilt, die von Grafikern auf der Basis der vom Programmbeirat erstellten Themenliste eingereicht werden. Kehren wir also zum eingangs erwähnten Block anlässlich des 50. Jahrestags des Kriegsendes von 1995 zurück. An dem in einer Auflage von über acht Millionen aufgelegten Blockausgabe sticht doch geradezu ins Auge, dass der gekürte Entwurf die fotografische Darstellung der Ruinenlandschaft auf das sozusagen kleinstmögliche Maß zusammenschmelzen ließ. Nix genaues sieht man darauf nicht – der weiße Rauch deutet an, dass es sich um Schäden infolge des Luftkriegs handelt, es könnte aber auch Zerstörung nach intensiven Straßenkämpfen infolge von Artilleriebeschuss handeln. Meine Nachfrage beim Gestalter, Ernst Jünger, führte zu keinem klaren Ergebnis.[55]
Der Eindruck, dass man die unangenehme Tatsache der Zerstörung der Städte – kann man dem Thema ausnahmsweise nicht ausweichen aufgrund des Jubiläums – so weit wie möglich ins Ferne, Undeutliche, Distanzierte entrückt, bestätigt sich anhand der Emission zu „50 Jahre Marshallplan“[56] vom Juni 1997. Auf der von Corinna Dintheer-Rogger gestalteten Marke zu sehen ist der namensgebende US-General und Politiker nebst stars and stripes linkerhand und kriegsbeschädigten Häusern rechterhand. Erneut lässt sich nur ein behinderter Blick auf die Zerstörung werfen: Obgleich die Fotografie an sich die halbe Fläche des Postwertzeichens einnimmt, wird sie von der Silhouette des Politikers und der Titelaufschrift verdeckt. Während die amerikanische Flagge in intensiv-hellen Farben erstrahlt, figuriert die Fotografie der Destruktion wie eine schlechte Erinnerung: verblasst, unwirklich, gespensterhaft. Die unheimliche Wiederkehr des Verdrängten – ist das nicht der tatsächliche Gegenstand dieser Briefmarke, die gleichsam das kollektive Unbewusste der Deutschen sichtbar macht, versteckt hinter der Fahne einer jener Nationen, deren Bomben die deutschen Städte so zugerichtet haben?
Vordergründig jedenfalls verbindet sich mit dem Marshallplan der Begriff des Wiederaufbaus auf der Basis des ja gar nicht so wundersamen Wirtschaftswunders, mit dem die Bundesrepublik in kürzester Zeit zu ökonomischer Blüte gelangte und zu dessen mentalgeschichtlichen Voraussetzungen Sebald „die erstaunliche Fähigkeit der Selbstanästhesierung eines aus dem Vernichtungskrieg anscheinend ohne nennenswerten psychischen Schaden hervorgegangenen Gemeinwesens“ (20) rechnet. Ich möchte daher erneut zum Stichwort Wiederaufbau zurückkehren. Sebald erinnert sich in einer der autobiografischen Abschnitte von Luftkrieg und Literatur an eine durch die Bombardierungen Sonthofens zu einer Ruine gewordenen Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende samt verwildertem Garten, einer „durch den Krieg mitten im Ort entstandenen Wildernis“, wo er als Kind oftmals gespielt hat:
Ich entsinne mich, daß es mir nie recht geheuer war, über die Treppe in die Kellerräume hinabzusteigen. Es roch dort faulig und feucht, und ich fürchtete immer, auf einen Tierkadaver zu stoßen oder auf eine Menschenleiche. Ein paar Jahre später ist auf dem Grundstück dann ein Selbstbedienungsladen eröffnet worden, in einem ebenerdigen, fensterlosen, scheußlichen Bau, und der einstmals schöne Garten der Villa verschwand endgültig unter einem geteerten Parkplatz. Das ist, auf den niedrigsten Nenner gebracht, das Hauptkapitel in der Geschichte der deutschen Nachkriegszeit. (89)
An dieser als exemplarische „Assanierung der Vergangenheit“ erscheinenden Erinnerung an das kollektive Projekt Wiederaufbau fällt die kindliche Angst vor einer unvorbereiteten Begegnung mit Menschenleichen auf. Dieses Phantasma steht für den zugleich grauenhaft realen wie unheimlich metaphorischen Kern der Nachkriegszeit, die dunkle Kehrseite des allenthalben bewunderten Wiederaufbaus der deutschen Städte und des westdeutschen Staatswesens. Sebald spricht daher in Luftkrieg und Literatur mit Blick auf die Aufbauanstrengungen von dem nie „zum Versiegen gekommenen Strom psychischer Energie, dessen Quelle das von allen gehütete Geheimnis der in die Grundfesten unseres Staatswesens eingemauerten Leichen ist, ein Geheimnis, das die Deutschen in den Jahren nach dem Krieg fester aneinanderband und heute noch bindet, als jede positive Zielsetzung, im Sinne etwa der Verwirklichung von Demokratie, es jemals vermochte.“ (21)
Im übertragenen wie im konkreten Sinne entpuppt sich aus dieser Sichtweise der Wiederaufbau als eine Versiegelung der Luftschutzkeller, in denen die Toten unter einer Decke von Beton begraben wurden, damit sie uns nicht länger vor Augen stehen, damit der Dialog mit ihnen abreißt – ein perfider Abwehrreflex gegen die Gespenster der Vergangenheit. „Diese Beseitigung der Vergangenheit“, so erläuterte Sebald im Gespräch mit Uwe Pralle, „scheint mir als sozialpsychologisches Konstituens der deutschen Bevölkerung eine entscheidende Rolle gespielt zu haben in diesen Nachkriegsjahrzehnten.“
Im Land der Skipetaren
Sebald bekennt gegen Ende von Luftkrieg und Literatur, er habe eigentlich gehofft, „daß meine Behauptung, die Zerstörung der deutschen Städte in den letzten Jahren des zweiten Weltkriegs habe im Bewußtsein der neu sich formierenden Nation keinen Platz gefunden, widerlegt werden würde durch Verweise auf Exempel, die mir entgangen waren.“ (81) So kam es in der Tat, vor allem indem der Name von Gert Ledig dem Vergessen entrissen wurde. Dessen Roman Vergeltung charakterisiert Sebald als „ein gegen die letzten Illusionen gerichtetes Buch, mit dem sich Ledig ins literarische Abseits manövrieren musste“ (109); auch ein etwas beleidigter Dieter Forte meldete sich zu Wort und verwies auf autobiografische Passagen in seinen Romanen. Aber insgesamt behielt Sebald recht, eine der schrecklichen Vorkommnisse irgendwie angemessene Darstellung der Luftkriegsschrecken findet sich in der deutschen Literatur genauso wenig wie auf den von 1943 bis heute erschienenen Postwertzeichen. Insofern bewahrheitet sich, mit gewisser Ironie, Benjamins Wort von den Briefmarken als „Visitenkarten“[57] eines Landes.
Und doch ist auf eine Ausnahme zu verweisen, auf die ich zufällig im Michel-Katalog Deutschland-Spezial stieß. Während der deutschen Besetzung Albaniens vom September 1943 bis November 1944 gab die dortige Landespost im September 1944 eine sieben Briefmarken umfassende Zuschlagsserie zugunsten der „Opfer der Luftangriffe“ heraus.[58] Die Werte zeigen dasselbe Motiv in unterschiedlichen Farben: eine Frau in ländlicher Szenerie, die ein Kind in den Armen hält, dahinter ein totes Pferd, auf dem bereits ein Aasvogel sitzt, sowie ganz im Hintergrund ein durch Bombardierung zerstörtes Haus. Darunter in Majuskeln die Inschrift: „NDIHMË PËR TË MJE – RUARËT NGA LUFTA“, was man als „Hilfe für die Kriegsopfer“ übersetzen darf.
Nirgends auf deutschen Briefmarken wird Not und Elend, Horror und Zerstörung des Bombenkriegs derartig gezeigt. Eine wahrlich exzentrische Briefmarke. Keine Großstadt geht auf ihr in Flammen auf, lediglich ein einfaches Haus, kaum mehr als eine Hütte. Das Pferd ist nicht allein ein totes Haustier, im Lande der Skipetaren steht es für einen ungleich bedeutsameren Verlust. Um von dem wohl toten Kind erst gar nicht zu sprechen. Dessen Präsenz auf der Marke verweist auf die im dritten Teil von Luftkrieg und Literatur referierten Berichte von Müttern, die ihre toten Babys und Kleinkinder auf der Flucht aus der Flammenhölle der von Feuerstürmen zugrunde gerichteten Städte mit sich führten.
In Sheffield, so erzählt Sebald, besuchte er einen älteren Herren, der ebenso aus Sonthofen nach England emigriert war. Dessen Frau, gebürtig aus Stralsund, war 16 Jahre alt im Sommer 1943, als dort nach dem Feuersturm in Hamburg ein Sonderzug mit Flüchtlingen ankam,
von denen die meisten noch vollkommen außer sich waren, unfähig irgendeine Auskunft zu geben, mit Stummheit geschlagen oder schluchzend und heulend vor Verzweiflung. Und mehrere der mit diesem Transport aus Hamburg angelangten Frauen, so erfuhr ich unlängst in Sheffield, hatten tatsächlich in ihren Gepäckstücken ihre toten, im Qualm erstickten oder auf andere Weise während des Angriffs ums Leben gekommenen Kinder dabei. Was aus den mit solcher Fracht geflohenen Müttern geworden ist, ob und wie sie sich wieder in das normale Leben eingewöhnen konnten, wissen wir nicht. (103)
Dem auf Seite 39 von Luftkrieg und Literatur gegebenen Hinweis auf Friedrich Recks Tagebuch eines Verzweifelten folgend, lese ich darin den Eintrag vom 20. August 1943 nach, in dem der damals (so wie ich vierzig Jahre später) im Chiemgau lebende Arzt und Autor berichtet, wie er ein US-Geschwader im Anflug sieht, aus dessen Mitte ein Bomber abgeschossen wurde. Dieser stürzte ab in das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin: „Ich fahre nach Seebruck, wo das abgestürzte Wrack liegt“, so Reck, „Ringsum verstreute Leichenteile – ein abgerissener Fuß, ein versengter Finger, ein Arm. Man trägt die Toten in einem Kartoffelsack von dannen.“[59] Selbst dort also, in Seebruck, mir kaum vorstellbar, reichten die Schrecken des Luftkriegs.
Reck berichtet in dem Tagebucheintrag zudem von einer entsetzlichen Szene, die sich ereignete am nahegelegenen Bahnhof, von dem aus ich mich wann immer möglich aus der Dorfeinsamkeit nach München flüchtete. Dort also, am Bahnsteig von Bad Aibling, versuchte 1943 eine Gruppe von vierzig bis fünfzig Flüchtlingen einen Zug zu erstürmen, wie Reck beobachtete. Dabei sah er, wie der ramponierte Pappkoffer einer Frau „auf den Perron zerschellt und seinen Inhalt entleert. Spielzeug, ein Nagelnecessaire, angesengte Wäsche. Zum Schluss ein gebratener, zur Mumie geschrumpfter Kinderleichnam, den das halbirre Weib mit sich geschleppt hat als Überbleibsel einer vor wenigen Tagen noch intakten Vergangenheit.“[60] Das war vor sechzig Jahren. Ähnliche Szenen, die sich unserem Verstand entziehen, müssen sich überall abgespielt haben.
Signatur der Moderne
Die durch Feuerstürme samt ihrer Einwohner eingeäscherten Städte sind nur ein Teil von Sebalds Interesse an doppelgesichtigen Phänomen des Feuers, das er betrachtete als Signatur der Moderne, wenn nicht gar der Zivilisation an sich. Dazu habe ich anderer Stelle bereits einiges gesagt.[61] Seine Böll-Preis-Rede von 1997, in der er sich ausführlich der Zerstörung Kölns zu Ende Mai 1942 widmet, beschließt Sebald so:
Blicken wir heute, im Bewußtsein dessen, was uns in den letzten zwei Jahrzehnten allmählich aufgegangen ist, zurück auf die in den Nachthimmel hinauflodernden deutschen Städte, so können wir erkennen, […] daß dieses Aufflackern nur eine besonders intensive Phase dessen war, was fortwährend und in immer zunehmendem Maße geschieht. Vielleicht müssen wir endlich wirklich begreifen lernen, daß der Stoff unserer Zivilisation selber gewoben ist aus Feuer und Rauch.[62]
Die Feuerstürme in den Städten und die Tag wie Nacht betriebenen Krematorien der Vernichtungslager gehören für Sebald ursächlich zusammen, aber eben anders als sich Revisionisten das vorstellen. Lodernde Zerstörung ist das dunkel pochende Herz der Zivilisation, von Beginn an, als unsere Vorfahren per Brandrodung die Wälder zerstörten, aus denen sie entstammten. Mit der Industrialisierung etablierte sich dann, so Sebald, eine andere Form kontrollierter Nutzbarmachung der Verbrennung, die im Verlauf der letzten anderthalb Jahrhunderte die fossilen Brennvorräte aufgezehrt und zu jenem ökologischen Desaster geführt hat, in dem wir nun stecken. Der Planet heizt sich zusehends auf, er verbrennt quasi auf niedriger Flamme. Unsere hilflose Antwort darauf ist der Fehlschluss, die eskalierende Katastrophe mit der Technik wieder ins Lot zu bringen.
Sebald hingegen plädiert auf kreatürliche Solidarität, ein universelles, ökologisches „Mit-Leiden“,[63] das politisch kodiert ist. Über die Waldbrände auf Korsika etwa schreibt er:
Wir können zwar das Ausmaß der verbrannten Flächen berechnen, wie lange es dauert, bis das Niederholz wieder nachwächst, wie oft es in welcher Gegend durchschnittlich brennt & wann die halbe Insel verbrannt sein wird, aber die Panik der Zeisige, deren Nester, noch bevor sie die Flammen erreichen, zu Asche verfallen, die Angst der unter den Blättern verborgenen Nachtfalter, der Nattern, Mäuse & Eidechsen, denen selbst, wenn sie sich ausruhen, das Blut in der Kehle klopft, diese Angst können wir mit keiner Statistik erfassen; sie ist uns so unbegreiflich wie nur unsere eigene es ist, wenn wir in unseren Städten verbrennen.[64]
Unter den Auspizien einer Naturgeschichte der Zerstörung fordert Sebald auf, zumindest einmal zu erwägen, inwieweit unser Krieg gegen die Natur mit unseren Kriegen gegeneinander zusammenhängen, inwieweit die Geschichte der Zivilisation als Prozess einer Selbstzerstörung gedacht werden muss, welche Verdrängungsmechanismen es uns als Spezies erlauben, alltäglich einfach so weiterzumachen, als würde der Tod aus der Luft nicht unverändert unschuldiges Leben kosten, in der Ukraine und anderswo, kurzum: wie wir diesen Wahnsinn aushalten ohne den Verstand zu verlieren.
Hinweis: Aus urheberrechtlichen Gründen ist bei einer Nutzung der Abbildungen der beiden Blockausgaben zum 50. Jahrestag des Kriegsendes sowie der Befreiung der Konzentrationslager und der Sondermarke zu 50 Jahre Marshallplan zwingend eine Abbildungserlaubnis einzuholen. Bitte richten Sie alle Fragen zur Nutzung der Bilder an: LB5@bmf.bund.de.
Anmerkungen
[1] Bund Michel Nr. 313. Gemeint ist eine (vermeintliche) Reliquie, die angeblich Fragmente der Tunika von Jesus enthalten soll.
[2] Die Legende zu den drei Gestalten auf Bund Michel Nr. 864 lautet „Unzufriedener, Gelegenheitskonsument, Süchtiger“.
[3] Bund Michel Nr. 3590.
[4] Vgl. Hubertus Butin: KP Brehmer. Briefmarken 1966–1972. Frankfurt 1994.
[5] Vgl. Jan-Frederik Bandel / Barbara Kalender / Jörg Schröder: Immer radikal, niemals konsequent. Der MÄRZ-Verlag. Hamburg 2011, S. 41–44.
[6] E-Mail vom 5. Mai 2024.
[7] Walter Benjamin: Einbahnstraße. In: Gesammelte Werke. Bd. IV/1. Frankfurt/M. 1991, S. 135f.
[8] Walter Benjamin: Strenge Kunstwissenschaft. In: Gesammelte Werke. Bd. III. Frankfurt/M. 1991, S. 366.
[9] Walter Benjamin: Einbahnstraße. In: Werke und Nachlass. Kritische Gesamtausgabe. Bd. 8. Frankfurt/M. 2009, S. 190.
[10] Walter Benjamin: Briefmarkenschwindel. In: Gesammelte Werke. Bd. VII/1. Frankfurt/M. 1991, S. 200.
[11] Walter Benjamin: Einbahnstraße: In: Gesammelte Werke. Bd. IV/1. Frankfurt/M. 1991, S. 137.
[12] Der 1954 gestorbene Begründer des Versandhandels, aus dem ich in früheren Sammlerjahren meine Briefmarken bezog, war ein Nationalsozialist der ersten Stunde. Als Lokalpolitiker war er in Lorch u.a. für Zwangssterilisierungen und die Ermordung von Kindern im Rahmen der sogenannten Vernichtung lebensunwerten Lebens beteiligt. Als Philatelist war Sieger ein Experte für Zeppelinpost und leitete seine 1922 gegründete Firma. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_E._Sieger.
[13] Meine Sammlung, in die rund zwei Jahrzehnte das Geld meiner Eltern und nahezu mein gesamtes Taschengeld geflossen ist, besitzt heute einen Marktwert von unter €100 – sofern ich jemanden finden könnte, der sie mir abkauft.
[14] Pierre Smolarski / René Smolarski / Silke Vetter-Schultheiß (Hg.): Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle. Göttingen 2018. Dieser Band begründetet die von den Gebrüdern Smolarski bei V&R Unipress herausgegebene Reihe Post–Wert–Zeichen, in der bereits zwei weitere Bände erschienen sind.
[15] Vgl. die Studie Silke Vetter-Schultheiß: Natur- und Umweltschutz als ästhetische Praxis. Eine philatelistische Annäherung in der Zeit der Bonner Republik. Zürich 2023.
[16] Vgl. Michael Glasmeier: Sichtagitation Briefmarke. KP Brehmer – Aby Warburg. Hamburg 2020.
[17] Zu besichtigen ist dies beispielsweise im Sammelband Dirk Naguschewski / Detlev Schöttker (Hg.): Philatelie als Kulturwissenschaft. Weltaneignung im Miniaturformat. Berlin 2019.
[18] Reinhard Krüger: Postgeschichte und Politik. Studie zur Postgeschichte und zur Sozialhistorischen Philatelie II. Berlin 2017.
[19] W.G. Sebald: Luftkrieg und Literatur. München 1999, S. 8. Weitere Zitate werden in Klammern nachgewiesen.
[20] Ausführlich kommentiere ich den Essay wie die davon ausgelöste Debatte in Uwe Schütte: Interventionen. Literaturkritik als Widerspruch bei W.G. Sebald. München 2014, S. 476–527.
[21] Vgl. Uwe Schütte: Obsolet. Deutschland in 50 Briefmarken. Berlin 2024.
[22] Bund Michel Nr. 1790 & 1791.
[23] Bund Michel Block Nr. 32.
[24] Bund Michel Block Nr. 31.
[25] Bund Michel Nr. 1793.
[26] Bund Michel Nr. 1797–1801.
[27] Heiner Müller: Werke 4. Frankfurt/M. 2001, S. 84.
[28] Bund Michel Nr. 1794.
[29] Deutsches Reich Michel Nr. 862.
[30] Deutsches Reich Michel Nr. 886.
[31] Deutsches Reich Michel Nr. 907.
[32] Zitiert nach: Franz Tröger: Die Propaganda und die Vielen. Briefmarken in der politischen Kommunikation des NS-Staates. In: Smolarski / Smolarski / Vetter-Schultheiß (Hg.): Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle. Göttingen 2018. S. 399–422, hier: S. 413.
[33] Deutsches Reich Michel Nr. 886.
[34] Deutsches Reich Michel Nr. 907.
[35] Zitiert nach: Tröger, Die Propaganda und die Vielen, S. 414.
[36] Zitiert nach: Ebd.
[37] Ebd.
[38] Plauen (Vogtland) Michel Nr. 3.
[39] Alliierte Besatzung Michel Nr. 122–115 & Block 4.
[40] Alliierte Besetzung Berlin und Brandenburg Michel Nr. 1A–6A.
[41] Alliierte Besetzung Berlin und Brandenburg Michel Nr. 7A.
[42] Berlin (West) Michel Nr. 75–79.
[43] Berlin (West) Michel Nr. 42–60.
[44] Berlin (West) Michel Nr. 106–109.
[45] Berlin (West) Michel Nr. 132–134.
[46] DDR Michel Nr. 276–279.
[47] Bund Michel Nr. 111 & 112.
[48] Bund Michel Nr. 230.
[49] Bund Michel Nr. 165.
[50] Bund Michel Nr. 215.
[51] Bund Michel Nr. 248.
[52] W.G. Sebald: Feuer und Rauch. Über eine Abwesenheit in der deutschen Literatur. In: Jo Catling / Richard Hibbitt (Hg.): Saturn’s Moons. A W.G. Sebald Handbook. Oxford 2011. S. 338–342, hier: S. 341.
[53] Bund Michel Nr. 479.
[54] Bund Michel Nr. 1470.
[55] „Ich hatte damals das Foto als Symbol für die Zerstörung durch Krieg im Allgemeinen gesehen“, schrieb mir Jünger per E-Mail am 6. Mai 2024.
[56] Bund Michel Nr. 1926.
[57] Walter Benjamin: Einbahnstraße. In: Gesammelte Werke. Bd. IV/1. Frankfurt/M. 1991, S. 137.
[58] Deutsche Besatzung 1939-45 (Albanien) Michel Nr. 15–21.
[59] Friedrich Reck: Tagebuch eines Verzweifelten. Frankfurt/M. 1994, S. 215.
[60] Ebd., S. 216f.
[61] Uwe Schütte: „Feuer“. In: Annäherungen. Sieben Versuche über W.G. Sebald. Köln 2019, S. 179–218.
[62] Sebald, Feuer und Rauch, S. 341f.
[63] Diese Fügung entlehne ich von Lisa Kunze: Der Schamane mit der Feder. Ökologie und „Mitleidenschaft“ in W.G. Sebalds »Nach der Natur«. Göttingen 2022.
[64] W.G. Sebald: Aufzeichnungen aus Korsika. Zur Natur- & Menschenkunde. In: Ulrich v. Bülow / Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.): Wandernde Schatten. W.G. Sebalds Unterwelt.Marbach 2008. S. 129-210, S. 154.