Futurum II
„14 Comics über die Zukunft“, die gar nicht immer so lustig ist
Von Walter Delabar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie Zukunft kommt eh und ist schnell Vergangenheit. Was bringts also, sich mit ihr zu befassen oder sich sogar Sorgen um sie zu machen? Man entkommt ihr sowieso nicht (es sei denn …). Nach dem unerhörten Hype der Zukunftsvisionen der 1950er Jahre hat sich lange nicht viel getan. Sogar die Superhelden-Comics kamen in die Krise, bis sie, um die Jahrtausendwende auf die große Leinwand gebracht, wieder alles platt machten, was sich ihren selbstzweiflerischen Heldinnen und Helden in den Weg zu stellen drohte – neben den ständigen schurkischen Gegenspielern eben auch die anderen Genres im Blockbuster-Format. Marvel stand halbwegs vor dem Aus, als die filmische Zukunft seiner Avengers begründet wurde, gerade um dieses Aus abzuwenden.
Aber das ist nur, bös formuliert, die Bumm-Krach-Peng-Fraktion der technikaffinen Projektionen, während die idealtypischen Zukunftsstädte in den Star-Wars-Filmen ihre unfröhliche Wiedergeburt feierten (nicht zuletzt wegen Darth Vader, der all das in ein bedrohliches Licht zu tauchen vermochte, wenngleich seine Maske vor allem dem albernen Zöpfchen geschuldet war, das er im Zivilleben trug). Neben solchen arg breit auftretenden Zukunftsseifenopern, die mittlerweile zahlreiche Ableger generiert haben, gibt es freilich einige, schreiben wir, zarte Pflänzchen utopischer Projektionen, die es sich anzuschauen lohnt.
Allerdings gerieren sich diese neueren Zukunftsbilderschauen anders als die bekannten Abziehbilder von Zukunft. Nämlich weitgehend skizzenhaft. Das unterscheidet sie wohltuend von den cleanen Reinzeichnungen von Zukunft, die nie eine war und die es so nie geben wird. Oder soll man solche landschaftsplanerischen Alpträume, die aus der Nachkriegszeit zu uns herüberwuchern, eine Zukunftsvision nennen?
Eher nein. Wie es anders gehen kann, zeigt gerade der eben bei Carlsen erschienene Band The future is …, in dem 14 Zeichnerinnen ihre Ideen, Fragen oder auch nur Verunsicherungen von Zukunft vorstellen. Keine Frage, die Geschichten, Überlegungen und Skizzen, die die 14 Zeichnerinnen präsentieren, sind kaum wirklich unter einen gemeinsamen Nenner zu stellen. Es steht zwar über allen Exkursionen erkennbar, dass es sich hier um Geschichten aus und in einer möglichen Zukunft handelt, aber ästhetisch wie inhaltlich wie intellektuell bewegen sich die 14 Beiträgerinnen und ihre Exponate auf unterschiedlichem Niveau. Das ist gewollt und verweist auch darauf, dass man von alledem gar nichts wissen kann. Ein bisschen spooky darf es eben auch sein, und so nimmt man es auch hin, dass etwa in einer der Geschichten schließlich alle friedlich beisammen sitzen und sich freuen, dass sie keine Gespenster mehr beachten müssen, weil es ihnen gelungen ist, den Raubbau an der Natur rückgängig zu machen, während in der nächsten die Atombombenexplosionen die Vision von Zukunft arg verdüstern. Da legt man sich doch lieber wieder hin und schläft aus. Auch die intensivierte Ausbeutung kreativer Potentiale durch große KI, die sich der menschlichen Kreativen als Pool bedienen, um daraus die nächstbeste Idee zu machen, ist irgendwie hart an der Grenze zum Klischee. Aber was solls, wenns denn keine ausgefeilte Vision sein soll, sondern der Anriss auch von nicht Ausgegorenem, dann kauft man sich auch Geschichten ein, die einen nicht vom Hocker holen. Oder eben doch.
Das technische Spektrum der 14 Geschichten wie ihrer Zeichnerinnen ist breit. Neben ausgearbeiteten, stilisiert realistischen Zeichenstilen finden sich eben auch skizzenhafte und leicht dahingeworfene Geschichten, die sich in Assoziationswolken aufzulösen scheinen. Das lässt zwar Kritik an der Durcharbeitung der Stories zu, aber angesichts eines derart schwammigen Themas, wie es die Zukunft nun mal ist, wäre alles andere eher verwunderlich. Zwar ist Bea Davis, die die Auftaktgeschichte des Bandes stellt, sicherlich eine der Stars, die der Band aufzubieten hat. Ihr Stil ist präzise und genau, die Kolorierung flächig, die Story stringent durchgeführt. Dabei entwickelt sie eben zwischen der Ausarbeitung ihrer Bilder und der Führung ihrer Story eine offensichtliche Spannung: Die Präzision der Zeichnung bricht sich in der Fiktionalisierung ihrer Szenerie und der Suspendierung von Realität. Ihre Protagonistin wird nicht in ein übervölkertes Kínshasa materialisiert, sondern in eine fast menschenleere Szenerie. Dass hier etwas nicht stimmen kann, ist der sich steigernden Hysterie der Leitstimme abzulesen, mit der die Heldin dieser Geschichte spricht.
Die größere Zahl der Story hingegen wählt ein anderes zeichnerisches Format, angelehnt an die gewohnten Strukturen des Comics, aber zum Teil deutlich heruntergebrochen auf kleine, schematische Zeichnungen, in denen die Figuren wie skizzenhaft dahingeworfene Platzhalter künftiger Erzählungen auftreten.
Mit anderen Worten, da ist von allem was dabei und für jeden. Meckern lässt sich immer, aber das ist egal. Reinschaun!
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