Astro-Gastro mit Riesenkatzen

Mai Mochizuki serviert im „Mondscheincafé“ magische Köstlichkeiten und Lebensratschläge

Von Lisette GebhardtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lisette Gebhardt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer schon einmal von den japanischen Katzencafés gehört hat, in denen sich die Besucher, während sie ihre Bestellungen konsumieren, an der Gegenwart der Tiere erfreuen können, wird von Mai Mochizukis Variante eines solchen Lokals überrascht sein: Katzencafé ist hier ganz wortwörtlich zu nehmen, denn es wird von Katzen betrieben.

Abstieg einer Drehbuchautorin

Der Dtv folgt mit Mondscheincafé augenscheinlich dem Vorbild der Serie über das „Café mit Geist“ des Knaur-Verlags (literaturkritik.de 05/2024): Autor Toshikazu Kawaguchi hebt in der Reihe auf die japanischen urban legends ab, in seinem Phantasieraum eröffnet sich dem Suchenden die Möglichkeit, per Geisterstuhl in die Vergangenheit zu reisen, um wichtige Dinge zu klären. Mochizuki beschreibt ihrerseits einen magischen Wanderimbisswagen, der sich immer dann manifestiert, wenn ein Mensch offenbar dringenden Beratungsbedarf hat. Dies ist der Fall bei Mizuki Serizawa, einer vormals populären Drehbuchautorin, deren Arbeiten seit geraumer Zeit nicht mehr auf die frühere Resonanz treffen. Der daraus resultierende finanzielle Einbruch hat zur Folge, dass sie ihre geliebte Wohnung im Zentrum Kyôtos aufgeben und ihre schöne Einrichtung verkaufen muss. Sie wohnt nun recht bescheiden und schreibt zur Existenzsicherung Skripte für Social Games. Der soziale Abstieg schlägt ihr auch aufs Gemüt, sie traut sich kaum mehr etwas zu. Bei einem Treffen mit der Regisseurin Akari Nakayama, der sie einen neuen Drehbuchentwurf zugeschickt hat, gibt sie ohne weiteres auf, als diese ihr mitteilt, man habe das Manuskript leider abgelehnt – es korrespondiere nicht mit aktuellen Trends.

Beratungsgastro

Da spricht die Niedergeschlagene plötzlich ein junger Mann an. Er bezeichnet sich als Mizukis Fan und gibt ihr den Tipp, bei einem Food Truck vorbeizusehen, an dem sie Hinweise darauf erhalten könne, wie man den Zeitgeist deutet. Tatsächlich entdeckt sie in der nächtlichen Landschaft mit vom Vollmond beleuchteten Kirschblüten am Fluss einen kleinen „stylischen“ Wagen mit der Aufschrift „Mondscheincafé“. Sie nimmt an einem der aufgestellten hübschen Tische Platz und wird vom Anblick des Kellners, der zu ihr kommt, völlig überrascht – ein mannshoher „Schildpattkater in Menschenkleidung“. Es finden sich bald noch weitere Katzen ein, „Singapura“ und „Tuxedo“. Mizuki erhält eine astrologische Lehrstunde, bekommt dazu Pfannkuchen mit Butterflocken und Sternensirup sowie eine Tasse kräftigen Tee. Der Chefkater verrät, das Gebräu enthalte die Energie des „Loslassens“. Durch seinen Genuss bekäme sie die Kraft, „sich von Obsessionen zu befreien“, was „negative Emotionen wie Bedauern, Eifersucht oder Verlustängste“ beträfe. Er führt weiter aus, dass jede Lebensphase ihre gewissen Lektionen bereithalte, und man, sollte man sie nicht gelernt haben, „Nachhilfeunterricht“ benötige. Die Autorin gesteht sich ein, manches nicht bewältigt zu haben, etwa das Thema Liebesbeziehung. Nun holt der Kater wieder zu astrologischen Lektionen aus, die sich beinahe über zwanzig Seiten erstrecken. Mizuki darf zum Glück abschließend ein wunderbares Dessert verspeisen, fühlt sich gelöst, glücklich und inspiriert – bis sie mit einem Mal im Hotel erwacht, in dem sie vor ihrer Entrückung die Regisseurin traf.

Weitere Manifestationen

Wie bei Kawaguchi und anderen Büchern, darunter etwa auch Hisashi Kashiwais Episodenroman Das Restaurant der verlorenen Rezepte (besprochen in literaturkritik.de 09/2023), finden sich nach der Drehbuchautorin Mizuki zusätzlich Gäste im  Mondscheincafé ein. Zu ihnen zählen Regisseurin Akari Nakayama, die Schauspielerin Satsuki Ayukawa und der IT-Spezialist Takashi Mizumoto. Die Schauspielerin, die eine Affaire mit einem verheirateten Mann hatte und deshalb vom Publikum heftig kritisiert wird, muss ihre Absetzung aus einer beliebten Serie hinnehmen. Der Mann, in den sie sich verliebte und über dessen Hintergrund sie nicht Bescheid wusste, „verkörperte alles, was ich wollte“. Die Beratung im nächtlichen Café bewegt sie dazu, ihr Tun als Verfehlung anzuerkennen: „Über Satsukis Wange kullerte eine Träne.“ Akari litt unter einer ähnlichen Situation, konnte sich damals aber noch rechtzeitig zurückziehen. Die Katzen erläutern die Kraft des Saturn, dem „Lehrmeister unter den Planeten“, der die Menschen vor herausfordernde Aufgaben stelle. Am Ende des Cafébesuchs gelingt es beiden Frauen, eine neue Bewusstseinsstufe zu erreichen: „Wir hatten zu uns selbst gefunden und Mut geschöpft weiterzugehen.“ Satsuki entschuldigt sich nun öffentlich, Akari erlaubt sich, einem ungewöhnlichen Mann ihre Gefühle mitzuteilen.

Buch mit leuchtendem Mond

Das Mondscheincafé funktioniert nach dem Prinzip des Reigens, die Personen sind wie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Alle bewegen sich dabei in verschiedenen Sparten in der Welt der Medien. Mochizuki betont den Reiz des Metiers, aber auch die Risiken und die Gefährdungen, die eine Karriere in diesem Bereich mit sich bringt. Das Moment der Beratung hebt auf die Situation vieler Frauen im Beruf ab. Besonders die erste Episode liest sich durchaus unterhaltsam, wozu die insgesamt sehr flüssige, meist sogar amüsante Übersetzung beiträgt. Wünschenswert für eine perfekte Übertragung wäre die gänzliche Vermeidung abgegriffener Wendungen gewesen, die die banale Ebene eines Werks stärker hervortreten lassen als nötig: Weniger „schrak zusammen“, „lag mir auf der Zunge“, „Tränen kullern“, „Bingo!“, „Na klar“ und „verblüfft“ ist mehr sprachliche Frische.

Der Inhalt des Texts bleibt berechenbar. Die Problemlagen der Figuren entsprechen gängigen Klischees, die genannten Lösungen sind in ihrem betulichen moralistischen Impetus keineswegs originell, mancher der astrologischen Exkurse gerät zu ausführlich. Nicht jeden mag das Thema Geburtshoroskop und „Lebensgeschichte im Einklang mit den Planetenkräften“ über viele Seiten hinweg fesseln. Reizvoll ist auf „alle Felle“ die Idee der Riesenkatzen, ebenso die Buchausstattung: Ein Leuchtmond auf dem Frontcover als Werbegag („Sonderveredlung“) lenkt die Käuferaufmerksamkeit beinahe schon zwingend auf das Mondscheincafé.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Mai Mochizuki: Das Mondscheincafé.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold und Yukiko Luginbühl.
dtv Verlag, München 2024.
208 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-13: 9783423352277

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