Kulturhistorischer Durchmarsch mit Schwung

Die Reise-Lesebücher des Promedia-Verlages

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die sich immer schwieriger gestaltenden Erwerbsverhältnisse in unserem übervölkertem Deutschland zwingen zahlreiche Familien, unsere Kolonien aufzusuchen, insbesondere wo die begründete Hoffnung vorhanden ist, dass dieselben einer großen wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen. [...] In den Tropen hängt der Gesundheitszustand in hohem Grade von der angepassten Kost ab, daher erfordert die Koch- und Backkunst große Erfahrung, denn nicht allein wohlschmeckend müssen die Gerichte zubereitet sein, sondern auch zur Verhütung von Krankheiten dem Klima entsprechend bekömmlich. Bis vor kurzem interessierte man sich in Deutschland, im Gegensatz zu den anderen Kolonien besitzenden Ländern, wenig für die tropische Küche. Diese Abhandlung soll nun der Hausfrau den Gebrauch dieses Kochbuches auch in tropischen Himmelstrichen ermöglichen."

Wie eng Kochen, Reisen und Lesen zusammenhängen, ist mit diesem hausbackenen Zitat aus Henriette Davidis' Kochklassiker "Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche" von 1911 wohl ausreichend erwiesen. Ebenso wie fast jedes andere Thema zur Beschreibung eines fremden "Himmelstriches" dienen kann - nur aussagekräftig muss es sein, historische und soziale Dimensionen eröffnen und im besten Fall den Lesegenuss in Wanderlust verwandeln. Die Geografin Ulrike Keller hat mit den beiden von ihr herausgegebenen Lesebüchern über Reisende in Australien und in Südafrika diesen Dreisprung gewagt und ist sicher gelandet.

Die Konzeption der Bände ist nicht neu: Keller präsentiert in chronologischer Folge Ausschnitte aus Reiseberichten, Briefen, Logbüchern, Zeitungsberichten und Memoiren. Ihre Augenzeugen sind Seefahrer wie James Cook, die Politiker Mahatma Gandhi und Nelson Mandela, die Opernsängerin Joan Sutherland, Charles Darwin, Missionare, Abenteurer und Schriftsteller wie Mark Twain und Friedrich Gerstäcker, sogar der englische Kronprinz Edward, der 1925 Südafrika bereiste. Was die spritzig und kenntnisreich kommentierten Auszüge von ähnlichen Lesebüchern abhebt, ist die geschickte Mischung des Naheliegenden und Bekannten mit dem Skurrilen (auch wenn uns die Herausgeberin das Rezept für Elefantenfüße vorenthält) und Frischem, z. B. die lapidare Schilderung des Unterwasserforschers Hans Hass über seine ersten spektakulären Tauchgänge am Great Barrier Reef.

Besonders der Band über Südafrika verdeutlicht auf exemplarische Weise, dass Reiseschrifttum kulturwissenschaftliche und gesellschaftspolitische Fragen immer doppelt beantwortet; es antwortet mit Informationen über das bereiste Land und gibt gleichzeitig den Autor preis: "Im übrigen sind die Hottentotten sehr faule Leute, die zwar ein weites und herrliches Land zum Ackerbau besitzen, aber dennoch lieber nach Art ihrer Vorfahren, das heißt: sehr elend, leben, als durch Arbeit sich zu besserem Unterhalt verhelfen zu wollen." So schrieb ausgerechnet der Freibeuter William Dampier, als er 1691 in Kapstadt den "natürlichen Einwohnern des Kaps" begegnete. Was wohl diese über den perücke-tragenden, säbelschwingenden Engländer mit der ungesunden Gesichtsfarbe dachten?

Titelbild

Ulrike Keller (Hg.): Reisende in Australien (1623-1990).
Promedia Verlag, Wien 2000.
232 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3853711626

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Titelbild

Ulrike Keller: Reisende in Südafrika.
Promedia Verlag, Wien 2000.
224 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3853711561

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