Mit einem Salto unterwegs

Mallorca literarisch

Von Christina BacherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Bacher

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Salto: S`alto (ital.) der, Luftsprung, Sprung mit mindestens einer Umdrehung des Körpers um die Querachse vor und rückwärts" (Brockhaus). Wagenbachs Reihe "Mit einem Salto unterwegs", in der literarische Zeugnisse zu besonders idyllischen Orten der Welt in handlicher Form versammelt sind, ist besonders dort gut geeignet, wo man schnell ankommt. Beispielsweise Mallorca. Alle paar Minuten startet von Düsseldorf eine Maschine: zwei Stunden Flug, Applaus und der Salto ist vollendet. Dass die Reise zum Salto mortale wird, weiß der Band "Mallorca! Eine literarische Einladung" behutsam zu verhindern.

Sechszehn Äußerungen zum spanischen Eiland geben einen Einblick in das Insel-Dasein, das tausenden nicht lesender Touristen weiterhin verborgen bleiben wird: hier geht es nicht um Sangria-Eimer am Arenal, nicht um Bikinis und Boxershorts in Cala Major, weder um ausgelassene Feierlichkeiten noch um deutsche Ferienkultur. Die Herausgeberin Margit Knapp hat sich vorgenommen, die nordwestliche Region der Insel auszusparen und das Augenmerk auf Valldemossa (George Sand, Jorge Luis Borges), Formentor (Miquel Costa i Llobera), Deja (Djuna Barnes), Dragonera (Baltasar Porcel) im Besonderen oder auch auf die "glückliche Insel" im Allgemeinen (Robert Graves, Miquel Bauca) zu richten. Auch das Reisen selbst wird zum Thema, beispielsweise in dem Standardtext zu Mallorca aus Albert Camus´ Tagebuch von 1935, in dem der Autor allerdings kein einziges Wort über die Insel an sich verliert. Deshalb müssen sich neun einheimische Autoren und neun Zugereiste zu der spanischen Insel äußern. Sie zaubern ein eher idyllisches Panoramabild von den Küstenregionen über das Gebirge im Norden bis hin zu der ausgedörrten Serra de Llevant.

Mehr als einen Tagestrip nimmt man sich damit vor, denn der 128 Seiten umfassende bebilderte Band lädt auf eine Reise durch die letzten Jahrhunderte und Jahrzehnte ein. Von einer der ersten Erholungsfahrten gen Süden zeugt ein Auszug aus George Sands "Ein Winter auf Mallorca", den die Autorin mit dem kranken Chopin und ihren Kindern im Jahre 1838 einigermaßen glimpflich hinter sich brachte. Ihren Unwillen den Bewohnern der Insel gegenüber teilte der zweite prominente Besucher keineswegs: Erzherzog Ludwig Salvator nutzte die Zeit um 1870 auf seinem herrschaftlichen Anwesen El Marroig zum Schreiben der umfangreichen Studie "Die Balearen, geschildert in Wort und Bild" - und wurde für die kreativste Schaffensphase seines Lebens mit etlichen Kindern von mallorquinischen Frauen und schließlich mit der Goldmedaille auf der Pariser Weltausstellung belohnt.

Die Quellenhinweise und Kurzbiografien im Anhang des Buches nennen lediglich ein paar wenige Fakten zu den Autorinnen und Autoren, deren Lebenswege die Insel kreuzten oder deren Schicksal sie von diesem Ort für immer wegführte. Erfreulich zu lesen, dass gerade durch die Mallorquiner die zeitgenössischen Stimmen vertreten sind, beispielsweise durch den 1956 in Palma geborenen José Carlos Llops, aus dessen "Unser Mitschüler Stein" eigens für diese Ausgabe ein Auszug aus dem Spanischen übersetzt wurde. Oder auch durch Carmen Riera, die als eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Mallorcas mit dem Ramon Llul-Preis ausgezeichnet. Ihre aus dem Katalanischen ins Deutsche übersetzte Erzählung "Ein gelehrter Botaniker namens Mr. Flower" gehört zu den umfangreichsten und kurzweiligsten Erzählungen in "Mallorca! Eine literarische Einladung", wenn man ein offenes Auge und ein neugieriges Ohr für fremdartige Geschichten und Geschichten aus der Fremde hat.

Titelbild

Margit Knapp: Mallorca! Eine literarische Einladung.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2000.
117 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 3803111897

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