Trauer ist Liebe
Wilhelm Schmid will uns einen Weg vom Einen zum Anderen weisen
Von Stefanie Leibetseder
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer Tod seiner Frau und seine Trauer um sie ist für den Lebensphilosophen Wilhelm Schmid der Anlass sich mit dem Thema des Abschieds von einem geliebten Menschen auseinanderzusetzen, und zwar mithilfe von Fragen, die vermutlich allen Menschen in der einen oder anderen Form geläufig sind und daher auch in den Weltreligionen eine zentrale Rolle spielen.
Hierbei geht es um das emotionale Verhältnis zum Anderen, wie um die Art seines Sterbens und den anschließenden Verlauf und die Bewältigung der Trauer um ihn, die Frage, ob der Abschied vom Anderen endgültig ist oder ob neben den Objekten der Erinnerung an ihn oder sie und der Erinnerung selbst irgendetwas Physisches bleibt, dessen wir habhaft werden können bzw. ob oder wie es für den oder die Überlebenden überhaupt Trost geben kann.
Schmid nähert sich diesem komplexen Thema aus der eigenen schmerzlichen Erfahrung heraus mit größtem Einfühlungsvermögen und bemüht sich, auch Erkenntnisse der Naturwissenschaften in seine Betrachtungen, einzubeziehen. Dazu führt er auch eigene Nahtoderfahrungen als Beleg an.
Hierzu zählt insbesondere der Energieerhaltungssatz, der besagt, dass Energie (wozu er auch die seelische Energie eines Menschen zählt) niemals verloren gehen kann, sondern nur umgewandelt werden kann in Wärme oder Licht. Schmid verweist darauf, dass die Energie, die von dem sterblichen Körper beim Verwesungsprozess im Boden bzw. während der Verbrennung wieder freigesetzt wird ins Universum abstrahlt und somit nicht verloren ist. Sicher kann dieser Gedanke den Hinterbliebenen Trost spenden, aber es bedarf dessen nicht und er ist möglicherweise auch wissenschaftlich nicht haltbar.
Richtig ist dagegen, was Norbert Elias am Schluss seiner berühmten Studie Über die Einsamkeit des Sterbenden in unseren Tagen anmerkte: „Der Tod verbirgt kein Geheimnis. Er öffnet keine Tür. Er ist das Ende eines Menschen. Was von ihm überlebt, ist das, was er anderen Menschen gegeben hat, was in ihrer Erinnerung bleibt.“ Diesen Gedanken fortführend, argumentiert die Psychoanalyse, dass der Verstorbene zweimal sterben muss, das erste Mal den leiblichen Tod und ein zweites Mal den Tod in unserer lebendigen Beziehung zu ihm, damit er zu einem Introjekt werden kann, einem stabilen inneren Objekt in uns, das fortan in unserer Erinnerung fortlebt. Diesem dürfen wir uns fortan innerlich liebend zuwenden, uns mit ihm in Gedanken austauschen und von ihm Halt und Stütze erfahren, wie es der Autor auf geradezu anrührende Weise beschreibt. Auch wenn man seiner Argumentation also inhaltlich nicht folgen möchte, kann man viel Halt und Stärke aus diesem schmalen Band ziehen. Das ist nicht wenig, das ist viel.
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