Alte Frauenbilder in neuer Auflage

Über die erstaunliche Mode der „Tradwives“

Von Dirk KaeslerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dirk Kaesler und Stefanie von WietersheimRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie von Wietersheim

Rätsel des Lebens. Wie, um Himmels willen, konnte es dazu kommen, dass junge Frauen unserer Tage Bilder vom Sein als Frau feiern, die aus früheren Jahrhunderten zu stammen scheinen? Manche davon erinnern so sehr an braune Zeiten, dass sich eine eingehende Betrachtung darüber lohnt.

Die „Tradwives“

Unter der Überschrift „Die Rückkehr der guten Hausfrau“ berichteten die österreichische Journalistin Sarah Huemer und der Wirtschaftsredakteur Alexander Wulfers in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung davon, dass in den Sozialen Medien ein Frauenbild beschworen, ja gefeiert wird, von dem viele von uns glaubten, es sei spätestens mit dem Untergang eines Westdeutschland der 1950er Jahre in Vergessenheit geraten. Wir haben das überprüft, es stimmt: Das Bild der ergebenen „Hausfrau“ lebt, wenn auch ohne Kittelschürze. Es ist, als ob die Frauenbewegung niemals stattgefunden hat.

Ein Beispiel von zahlreichen: Auf dem Instagram-Account „Tradwife Factory“ unter den Stichpunkten: „God first, Mut zu mehr Weiblichkeit“ postet eine namenlose deutsche Frau zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Kolumne in 186 Beiträgen vielfältige Ratschläge zum Thema „Wie du deinen Ehemann glücklich machst“. Nicht nur ihre 15.410 Follower, sondern alle Insta-Nutzer dürfen lernen, dass man als „Frau eines versorgenden Mannes weniger Sorgen hat, als wenn man selbst arbeiten geht und mitversorgen muss.“ Unterlegt von aufgeregten Geigenklängen liest man, dass das daran liegt, dass diese gesichtslose Frau in zumeist hellen Kleidern erst durch ihren „Weg zu Gott“ gelernt hat, Dinge, die außerhalb ihres Verantwortungsbereiches liegen, los zu lassen: „Das betrifft unser Haus, unsere Ehe, unsere Familie, Politik und auch aktuelle Weltgeschehen. Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe, lasse ich los und gebe sie in die zuständigen Hände, im Gebet zu Gott. Gottes Hierarchie anzuerkennen und zu leben ist keine Gängelung.“

Herzerwärmend ist es, lesen zu dürfen, dass es dieser Deutschen eine Erleichterung ist, „dem Mann vertrauen zu dürfen, den ich geheiratet habe. Es ist eine Erleichterung sich nicht alle News reinzuziehen, sondern sich gefilterte Informationen geben zu lassen, um sich selbst nicht zu überlasten. Auch mein Mann tut das für sich, denn er ist ebenfalls klug genug zu erkennen, dass gewisse Dinge auch außerhalb seines Verantwortungsbereiches liegen und es müßig ist sich darüber zu ärgern.“

Scrollt man durch die Beiträge dieser Ehefrau (geboren 1993) und Mutter einer zweijährigen Tochter unter der Überschrift „Über mich“ so erfährt man, dass ihre „Transformation“ von der Berufstätigen zur „traditionellen Ehefrau“ während ihrer Schwangerschaft begann. Arbeitete sie vorher als Leiterin eines großen Kita-Teams, als jemand, deren Job ihren Tag, ihr Gefühlsleben „und sogar meine Existenz bestimmte“, da ihr eine 50/50 Aufteilung im Haushalt zwischen ihrem Mann und ihr „extrem wichtig“ gewesen war, so erkannte sie als „tradwife“, dass sie noch nie so glücklich, ausgeglichen und zufrieden gewesen war, wie jetzt.

Erst nun habe sie ein „traditionelles, weibliches Leben“ gefunden, „wie Gott das ideale Leben einer Frau kreierte.“ Das Kreuz auf ihrer Brust, das auf vielen Beiträgen zu sehen ist, verweist auf den Gott des Christentums, wobei unbestimmt bleibt, welcher Variation des Christentums sie folgt. Endlich konnte sie aufhören, „zu kämpfen, rebellisch zu sein“ und so zu leben, wie es für sie „vorgesehen“ war. Und bei diesen medialen Offenbarungen sieht man, wie sie die ausgestochenen Plätzchensterne auf dem Backblech mit Füllung dekoriert. „Unsere Rolle als Mutter und auch als Hausfrau wurde jahrzehntelang völlig unterschätzt und kleingeredet. Viel zu lange wurde uns und haben wir uns auch selbst eingeredet, dass ein Großteil unserer Erfüllung und unser Glück außerhalb der eigenen Familie liegt.“ Die zentrale Botschaft dieser tradwife lautet: „Liebe Damen, liebe Ehefrauen, unsere Rolle in einer Ehe ist viel entscheidender als wir denken. Wir sind das Rückgrat unseres Mannes, der Ruhepol in unserem Haus und das Herz unserer Familie.“

Diese Deutsche ist alles andere als eine Einzelerscheinung: Es gibt zahllose Accounts im Internet, die diese traditionellen Frauenbilder in aller Welt propagieren. Hunderttausende Nutzer – und keineswegs nur Frauen – generieren millionenfach Klicks auf Seiten wie Tradwives, Stay-at-home-Girlfriends, Stay-at-home-Mums, Momlife. Alle diese Frauen lächeln fröhlich in ihre Handys und lassen uns teilhaben an ihren Männern, Kindern, Wohnzimmern, Esstischen und ihrem Blumenschmuck. Eine soeben veröffentlichte Sinus-Studie belegt, dass in den aktuellen Zeiten, die als krisenhaft wahrgenommen werden, die Sehnsucht nach Sicherheit, Freundschaft und Familie gestiegen ist, verbunden mit einer hohen Wertschätzung von Familie. „Regrounding“ wird als passende Überschrift für diese Entwicklung angeboten.

Auch rechte Girls sehen das so

Wer nun glaubt, dass sich derartige Vorstellungen vom Frausein allein auf christliche Erweckungsmilieus oder aristokratische Lebenswelten beschränken, verschließt die Augen vor der Tatsache, dass die neurechte Propaganda in ganz andere Milieus, aber in dieselbe Richtung zu locken versucht.

Dabei soll hier gar nicht nur auf die zahlreichen völkischen Enklaven, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, verwiesen werden. Wir wollen uns hier eher auf eine Darstellung der FAS-Journalistin Livia Gerster vom 12. Mai 2024 beziehen, die uns Candy Jacob von der AfD vorstellte. Diese Influencerin aus Thüringen liefert uns und ihren knapp 3.000 Followern Bilder von sich mit roten Lippen und tiefem Ausschnitt, bei denen sie uns wissen lässt, warum sie sich „nichts Schöneres als eine Zukunft als verheiratete Frau vorstellen kann.“ Den für diese Rolle vorgesehen Kandidaten präsentiert sie uns auch: Eric Engelhardt, 22 Jahre alt, Vorsitzender der „Jungen Alternative“ (JA), der Jugendorganisation der politischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird. Diese politische Jugendorganisation plakatiert landesweit die Gegenüberstellung der „modernen, ,befreiten‘ Feministin“ mit der „deutschen traditionellen Frau“.

Das Bild des ersten Typus zeigt eine etwas korpulente Frau mit verschränkten Armen, blaugefärbten Haaren, einem knapp sitzenden Oberteil und einer sehr kurzen Hose. Zur Erläuterung dieser Erscheinung liest man: „Kaputte Haare wegen zu viel Färbung; Tonnen von Schminke wegen ihres geringen Selbstbewusstseins; Sammelt Geisteskrankheiten in ihrer Twitter-Bio; Kleidung, die ihr kaum sitzt; Arbeitet für Mindestlohn, weil niemand ihren Gender-Studies Abschluss akzeptiert; Schon drei Abtreibungen mit 22 gehabt und stolz drauf.“ Die „deutsche, traditionelle Frau“ mit blonden Haaren steht aufrecht daneben, sie trägt ein blaues Kleid mit dunklen Leggings darunter, sie hält ein rosa Bündel in den Armen, bei dem man nicht weiß, ob es ein Baby oder ein Laib Brot ist. Ihre Parolen sind: „Gesundes Ego durch natürliches Haar und natürlich gebräunte Haut; Liebt ihre Heimat und Familie; Bescheidene, feminine Kleidung; Schlanke Figur durch gesunde Ernährung; Liebt es, ihre Kinder zu bilden und zu erziehen.“

Es kann problemlos nachgelesen werden, was Frau Jacob – hoffentlich bald Frau Engelhardt – uns unter ihrem Eintrag „Echte Frauen brauchen echte Männer“ mitteilt. Die selbsterklärte „Patriotin“ aus Sonneberg in Thüringen (@candy.afd) sagt uns, dass echte Frauen keinen Mann wollen, der sich schminkt, seine Finger lackiert und sich scheut, diese schmutzig zu machen. Echte Frauen wollen keine gepiercten Kerle mit bunten Haaren und joint im Mund, die länger im Bad stehen als sie selbst. Keine Weicheier eben, sondern „Männer, die Männer sind.“

Woran uns das alles erinnert

Sind das die Spätfolgen unseres angeblichen „Schuldkomplexes“, wenn wir bei allen diesen Parolen aus fraulichen Mündern höchst unerfreuliche Assoziationen haben? Wir jedenfalls erinnern uns bei solchen Tönen keineswegs nur an die Waschmittel- und Kochwerbung der 1950er Jahre, sondern auch an die Propaganda der „Reichsbräuteschule“ des „Deutschen Frauenwerkes“, wie sie auf der Insel Schwanenwerder in Berlin Nikolassee in der Zeit der NS-Herrschaft verbreitet wurde.

In dieser Einrichtung ging es darum, junge Mädchen auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Sie erfuhren dort eine Schulung „auf allen hausmütterlichen Gebieten und körperliche Kräftigung, im Vordergrund aber steht das Sich-Klarwerden über die Verantwortung, die der Frau als Ehe- und Lebensgefährtin des Mannes, als zukünftiger Familienmutter übertragen ist. Hier finden sie die Möglichkeit, nach der Anspannung des Berufslebens vor der Ehe Abstand zu gewinnen von dem Bisherigen, und körperliche, geistige und seelische Kräfte zu sammeln.“ Die Schulung der Bräute gliederte sich in „Haushaltsführung“ (Kochen und Hauswirtschaft, Häusliche Näharbeiten, Waschen und Plätten), „Gesundheitsführung“ (Säuglingspflege, Allgemeine Gesundheits- und häusliche Krankenpflege) und „Erziehungsfragen“ (Anleitung zum Basteln, Heimgestaltung, Volks- und Brauchtum). Um an diesen sechswöchigen Lehrgängen teilzunehmen, sollten sich nicht nur die Bräute der Angehörigen der SA, SS, politischen Leiter, der Ordensburgen, der HJ, des RAD und der Wehrmacht bewerben, „sondern jedes junge Mädchen, das vor der Ehe steht.“ Die Bräuteschule sei von besonders großem Wert, „für das berufstätige Mädel, das vor seiner Heirat in kurzer Zeit das notwendige Wissen und Können in der Haushaltsführung erwerben muss.“

Ob die Dame von „Tradwife Factory“ oder Candy aus Sonneberg wohl an solchen Lehrgängen teilgenommen hätten? Ob ihnen die körperliche Ertüchtigung bei Sport und Spiel und der regelmäßigen Gartenarbeit – neben den Lehrgängen und der ideologischen Schulung – Freude gemacht hätte? Die Wanderungen der Bräute in der schönen Umgebung, beispielsweise nach Potsdam, waren gewiss gute Gelegenheiten gewesen, dem Ideal der „Natürlichkeit“ als Schönheitsideal zu folgen. Beide Frauen jedenfalls scheinen dem NS-Spruch „Die deutsche Frau schminkt sich nicht“, auf ihren Insta-Accounts nicht so recht zu folgen. Vielleicht, weil ihren Männern dieses „undeutsche“ Erscheinungsbild gefällt? Aber das funktionierte schon zur Hochzeit der „Reichsbräuteschulen“ auch nicht: Eva Braun und Magda Goebbels beispielsweise trugen sorgfältiges Make-up und exquisite Garderobe. Dennoch folgten sie ihren Männern gehorsam in den Tod. Dem Manne untertan eben.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag gehört zur monatlich erscheinenden Kolumne „Rätsel des Lebens“ von Dirk Kaesler und Stefanie von Wietersheim.