Auf einer Insel der Reichen
Die US-amerikanische Autorin Emma Rosenblum schreibt als Debütantin mit „Bad Summer People“ einen überaus gelungenen Gesellschaftsroman
Von Rainer Rönsch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie Entstehungsgeschichte dieses Romans ist selbst ein Krimi. Emma Rosenblum hatte die Sommer ihrer Kindheit auf der autofreien Insel Fire Island zugebracht. Sie liegt unweit von Long Island und ist von dort mit der Fähre zu erreichen. Die Autorin hielt sie für den idealen Schauplatz ihres ersten Buchs. Ein Verlag griff zu, auch verschiedene Fernsehproduzenten erhielten das Manuskript. Jemand mailte den Romanentwurf unzulässigerweise an Verwandte auf der Insel – eine vorläufige Fassung, in der die Namen des Ortes und der Sommergäste noch im Klartext standen. Die Schwester der Autorin hörte dort von jemandem, seine Frau werde im Buch umgebracht. Als die Autorin ihre Agentin darüber informierte, wiegelte die ab – Gerede sei die beste Werbung. Danach geschahen, wie die Autorin überrascht, weil sich nicht als Hexe betrachtend, feststellen musste, jene Dinge auf der Insel, die im Buch geschildert werden: vom erbitterten Streit auf dem Tennisplatz bis zu ehelicher Untreue, freilich ohne Mord.
Bad Summer People – da fragt man sich, was der unübersetzte Titel auf dem deutschen Buchmarkt soll. Fand man im Verlag keine deutsche Entsprechung, oder hielt die Werbeabteilung den Originaltitel für attraktiv? In meiner (leider nicht repräsentativen) Umfrage dachten 50 Prozent, es sei ein mieser Sommer gemeint.
Um „miese Sommergäste“ aber geht es. Das richtige Urteil über diese Reichen findet das 52-jährige, von den Philippinen stammende Kindermädchen Silvia Mabini: „Reiche Leute waren unglücklich, aber sie wussten nicht, wie privilegiert sie waren.“
Unglücklich sind sie nicht nach Schicksalsschlägen, sondern aus Charakterschwäche – weil außerstande, materiellen Reichtum für ein erfülltes Leben zu nutzen. Man bekommt die eitle und selbstsüchtige Bande rasch satt, sofern man ihre oft boshafte Darstellung nicht als Teil des Lesespaßes betrachtet.
Beruflich bringen einige Personen durchaus Tatkraft auf und sind auf der Karriereleiter hochgeklettert. Privat aber haben sie keine Ziele, wenigstens keine anständigen. Im Zentrum stehen die Ehepaare Sam und Jen Weinstein und Jason und Lauren Parker, die unverheiratete Rachel Woolf und der neue Tennislehrer Robert Heyworth. Mit dessen Ausnahme kennt man einander seit Kindertagen, aber entweder hat man sich noch nie so richtig gemocht, oder der Lack ist ab. Alle halten sich für etwas Besonderes, doch jeder und jede hat etwas zu verbergen.
Jason will mit Jen, der Ehefrau seines besten Freundes Sam, schlafen und hat Laura nur geheiratet, weil ihm Jen weggeschnappt wurde. Sam ist der vermeintliche Goldjunge, der alle Vorwürfe in Richtung „Me Too“ bestreitet. Laura sucht die Nähe Roberts, der unbedingt zur Elite gehören will und es mit der Buchführung nicht genau nimmt. Rachel Woolf, einst mit Sam liiert, lädt gern und oft zu Partys ein, um die unter Alkohol gesetzten Gäste auszuhorchen und später mit Skandalgeschichten unter Druck zu setzen.
Auf dem Tennisplatz herrscht Neid und Missgunst gegenüber allen, die besser spielen, und selbst die Paare fürs Doppel eint allenfalls ein krampfiger Siegeswunsch.
Mit einer Leiche fängt es an. Die findet ein achtjähriger Junge auf der Insel, doch der Todesfall und seine Aufklärung stehen nicht im Zentrum. Nach ausgiebigem Aufenthalt in den Niederungen der Selbstsucht traut man den Mord mehreren Leuten zu, ohne übermäßig gespannt zu sein, wer es wirklich war und welche der zahlreichen Spuren falsch sind. Die überraschende Auflösung freilich gehört zu den Vorzügen des Buchs. Opfer und Täter seien hier verschwiegen, damit die Sommerlektüre nicht ohne Rätsel bleibt.
Die größte Stärke der Debütantin ist der satirische und oft schwarzhumorige Erzählton. Er zeigt deutlich, dass es nicht um leidenschaftliche Verirrungen oder tragische Irrtümer geht, sondern einzig und allein um schnöden Egoismus, der sich in Untreue, Verlogenheit und fiesen Intrigen manifestiert. Emma Rosenblum hat einen überaus gelungenen Gesellschaftsroman geschrieben, dessen Übersetzung ins Deutsche durch Carolin Müller keine Wünsche offenlässt.
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