Buffys Marsch durch die Medien
Neben einer ausgiebigen Analyse von „Buffy – Im Bann der Dämonen“ liefert Sven Grampps „Medienanalyse“ ein prächtiges Beispiel dafür, wie wichtig gute Verlagsarbeit für eine Buchveröffentlichung ist
Von Martin Janda
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseVampire sind nicht nur in ihren jeweiligen Erzählungen langlebige Kreaturen, sie sind ebenfalls fleißige Wiedergänger in der Mediengeschichte. Auch wenn mit der Twilight-Reihe Vampire im Allgemeinen einen weiteren Popularitätsschub erhalten haben, dürfte der berühmteste der Blutsauger noch immer Dracula sein. Der berühmteste Vampirjäger hingegen ist vermutlich für viele nicht Draculas Roman-Kontrahent Abraham van Helsing, sondern die Highschool-Schülerin Buffy Summers. Ihre Geschichte scheiterte zwar 1992 beim ersten Anlauf in Form des Kinofilms Buffy – Der Vampir-Killer, wurde jedoch Jahre später selbst zum Wiedergänger, als sie 1997 von Joss Whedon als Fernsehserie Buffy – Im Bann der Dämonen (von hier an kurz Buffy) langlebig neu aufgelegt wurde. Sven Grampp zieht Whedons Serie und das aus dem Erfolg der Serie entstandene, multimediale Franchise als Anschauungsobjekt für seinen Versuch einer Einführung in die kulturwissenschaftliche Medienanalyse heran. Grampp ist dabei zuzustimmen, dass sich Buffy aufgrund dessen serieller und medienüberschreitender Ausformung für eine Betrachtung eingehender Analysen und Medienvergleiche eignet. Hierfür hätten sich zwar auch ältere Franchises wie beispielsweise Star Wars oder Star Trek angeboten, die weitaus älter und diverser sind, doch bringt Buffy für Grampp den Vorteil mit sich, mindestens zwei seiner früheren Texte wiederverwerten zu können – nämlich „The Last Gender Picture Show to Closure: Buffy the Vampire Slayer“ (in: Styles of Communication, Vol. 8, no. 1/2016) und „Vom Computerspiel zur Serie zur Serie des Computerspiels – Symbolische Formen intermedialer Serialität “ (in der Paidia-Sonderausgabe Gespielte Serialität, 2017).
Grampp steigt dabei zunächst mit einer knapp 50-seitigen Heranführung an ausgewählte Begriffe und Konzepte der Film- und Medienwissenschaft ein. Dabei stellt er auch sein vierschichtiges Zwiebelmodell vor, mit dem er anschaulich von der konkreten Formanalyse (in Grampps Terminologie: „Poetik“) den Rahmen über den semiotischen Bezug („Code“) hin zur Intermedialität („Medien“) zu den Ermöglichungsbedingungen/Dispositiv der Medienform und des Mediums („Milieu“) immer weiter aufzieht. Auf diese Weise wird er im Laufe des Buchs veranschaulichen, wie eine Medienanalyse je nach Fragestellung mal näher am konkreten Medienprodukt – beispielsweise über die Betrachtung von Bildeinstellungen –, und mal entfernter – beispielsweise über die Betrachtung der Rahmenbedingungen für eine Fernsehfolge – realisiert werden kann.
Gerade die Betrachtung auf diesen vier Ebenen macht das Buch zu einer sehr lesenswerten multi- und transmedialen Analyse von Buffy, da sich das Franchise neben dem Kernprodukt der Fernsehserie in einem narrativen Prozess auch transmedial auf Comics und Videospiele ausbreitete. Allerdings ist der größte Kritikpunkt an dem Buch, dass es für ein vermeintliches Lehrbuch – selbst für eine ‚Einführung‘ in die Medienanalyse – praktisch keinen didaktischen Mehrwert hat. Zwar sind jedem Kapitel eine kurze Vorausschau vorangestellt, und jedes Kapitel schließt mit einem das Kapitel kurz zusammenfassenden „Recap“ und einer kurzen Liste thematisch passender Fachlektüre ab – es fehlen eigentlich nur noch die Selbstkontrollfragen, um das kleine Einmaleins der literarischen Didaktik abzubilden. Aber jenseits dieser basalen didaktischen Formalitäten entfaltet sich gerade wegen des Anspruchs, eine multimediale Franchise-Analyse zu präsentieren, das zentrale Problem des Buchs: Es kann nicht ansatzweise Begriffe, Konzepte oder Theorien in nötiger Breite und Tiefe anbringen. Zu häufig werden Begriffe wie „Diegese“, „vorfilmisch“, „(Binnen-)Kadrierung“, oder „establishing shot“ verwendet, die zwar weitgehend zum Standardvokabular von Film-/Medienwissenschaftlern gehören und daher bereits Vorwissen verlangen. Das entsprechende Vorwissen wird aber leider nicht im passenden Maß vermittelt. Bisweilen werden zwar manche dieser Begriffe Seiten später nach ihrer Erstverwendung nachträglich erläutert, doch trägt dies nur bedingt zum didaktischen Wert des Buchs bei.
Erleichtert wird die Lage auch nicht dadurch, dass unterschiedliche Medienpoetiken andere theoretische Ansätze benötigen. Es wird zwar deutlich, dass Grampps fachlicher Schwerpunkt Fernsehen und Fernsehserien sind, aber dadurch geraten die anderen Medienformen und die dazugehörigen Konzepte und Theorien zu kurz. Hier wäre es am Verlag gewesen, das Buch entweder deutlich fokussierter auf die reine Analyse des Buffy-Franchises und damit auf ein Fachpublikum auszurichten oder eben weitaus näher an die Ansprüchen an ein Lehrbuch und damit näher an den medienwissenschaftlich unkundigen Leser zu bringen. Diese Unentschiedenheit, eine ausführliche Franchise-Analyse oder ein Lehrbuch zu veröffentlichen, ist allerdings nur ein Exempel für die nicht ausreichende Verlagsarbeit am Buch.
Leider sind die zur Verdeutlichung der Argumentation präsentierten Filmstils in den meisten Fällen nicht besonders brauchbar: Entweder sind sie zu klein oder wegen zu geringem Kontrast zu detailarm. Als Prototypen seien hier drei Stills der Bibliothek der Sunnydale High (S. 106) und die acht Stills diverser Räumlichkeiten (S. 108) genannt, die Dank der Kontrastarmut wie durch einen Nebelschleier aufgenommen wirken und kaum den Bildinhalt erkennen lassen. Wenn es Verlagspolitik ist, keine detaillierten oder großen Abbildungen zu verwenden, wäre es von Vorteil, dies die Autoren vorher wissen zu lassen, damit diese besser ganz den Gebrauch von Abbildungen vermeiden. Sollten von Grampp die Abbildungen in dieser Form vorgelegt worden sein, hätte der Verlag auf eine bessere Qualität der Abbildungen pochen sollen.
Leider sind auch Korrektorat und Lektorat erstaunlich schwach. Erschreckenderweise sind nahezu alle drei bis fünf Seiten fehlende Buchstaben und falsche grammatikalische Formen zu entdecken, was kein Anzeichen stark ausgeprägter Gewissenhaftigkeit in der Ausführung dieser Arbeit darstellt. Kopfschütteln ruft es hervor, wenn auf Seite 284 dies gedruckt zu finden ist: „In der Ausgabe vom 11. September 1998 findet sich ein großformatiges Bild der Hauptdarstellerinnen aus Buffy, Dawson‘s Creek, Charmed, Felecity und 7th Heaven in einheitsstiftenden Dessous-Korsetts und ein Artikel […].“, um nach zwei Sätzen, in denen kurz der Inhalt besagten Artikels zusammengefasst wird, erneut lesen zu dürfen: „Ein großformatiges Bild, das diesen Text begleitet, zeigt dazu passend Schauspielerinnen au diversen WB-Serien in einheitsstiftenden Dessous-Korsetts“. Man fragt sich, ob der Text einfach nur hastig überflogen wurde, denn anders ist eine solche eklatante und eigentlich ins Auge stechende Dopplung des Inhalts und der sehr prägnanten Formulierung nicht zu erklären. An anderer Stelle drängt sich wiederum die Frage auf, ob mancher Druckfehler nicht sogar gewollt ist: Auf Seite 286 wird die Serie Dawson’s Creek viel zu naheliegend als Dawson’s Greek angegeben. Aber vielleicht war das tatsächlich ein gezielter Wortwitz – oder „Worwitz“, wie es auf Seite 152 zu lesen ist. Zugegeben, Tippfehler im Fließtext sind leicht zu überlesen – aber wie erklärt sich dann, dass selbst die Kapitelüberschrift 4.2.2: „Rituelle und ideologische ideologische Ansätze“ Fehler enthält (S. 181)? Oder wie erklären sich gleich mehrere Fehler in einem einzigen Satz, der den für eine Kleinstadt überraschenden Reichtum an Einrichtungen aufzählt und dabei von „Musen“ statt Museen und einem „Duzend Parks“ berichtet (S.103)?
So bleibt festzuhalten, dass aufgrund der wenig gelungenen Bebilderung und des haarsträubenden Korrektorats/Lektorats das Buch auf der formalen Ebene als überaus schwach zu bezeichnen ist. Inhaltlich befindet sich das Buch in einem Spannungsfeld, das der Verlag leicht hätte auflösen können: Statt ein ‚Lehrbuch‘, welches film- und fernsehwissenschaftliche Methoden nicht in ausreichendem Maße näherbringt und daher als didaktisch ungenügend zu bezeichnen ist, publizieren zu wollen, hätte der Verlag sinnigerweise voll und ganz auf die Stärke des Texts setzen sollen und diesen ausschließlich als reine, aber extensive Analyse des Buffy-Franchises veröffentlichen sollen.
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