Eine Audio-Reise der Nostalgie
Wieso Hörspiele aus der Kindheit Urlaub für den Geist sein können
Von Elena Hoch
Wenn ich das Display meines Handys aufleuchten lasse, muss ich lächeln. Nicht weil das Hintergrundbild meines Sperrbildschirms so schön ist (dort ist noch mein Stundenplan des auslaufenden Semesters zu sehen) oder ich eine witzige Textnachricht bekommen habe. Der Grund für mein stilles Vergnügen ist das Wiedergabe-Widget meines Streaming-Anbieters, das meinen letztgehörten Track anzeigt: Elea Eluanda: Der Elefantengott. Die erste Folge meiner Lieblingskindheitshörspielreihe. 2009 wurde die von Bibi-Blocksberg-Schöpferin Elfie Donnelly geschriebene und von Kiddinx produzierte Reihe nach 26 Folgen eingestellt. Nach dem gescheiterten Versuch einer Neuproduktion im Jahr 2016 beim Label Zauberstein Records schien die einst so beliebte Hörspielreihe endgültig zum Erliegen gekommen zu sein. Anfang dieses Jahres dann aber die große Überraschung: Kiddinx produziert Elea Eluanda wieder. Seit März werden die alten Folgen sukzessiv in leicht überarbeiteter Fassung veröffentlicht; danach sollen neue Folgen kommen.
Wieso aber nehme ich das nicht nur nostalgisch-freudig zur Kenntnis, sondern werde wieder zur aktiven Hörerin? Elea Eluanda ist, den Angaben des Verlages nach, für Kinder ab sechs Jahren geeignet. Zur Zielgruppe gehöre ich demnach schon lange nicht mehr. Ebenso wenig wie zur Kernzielgruppe von Reihen wie Bibi Blockberg, Kira Kolumna oder Hanni und Nanni und doch gehören all diese Hörspiele sowie weitere mehr zu meinen regelmäßigen Begleitern. Ob zum Einschlafen, beim Spazierengehen oder Kochen, bei längeren Bahnfahrten, nachts auf dem Nachhauseweg oder wenn mir der Alltagsstress schlicht zu viel wird – ein Hex-hex oder Aramba Cholé und ich bin an einem anderen Ort. Im mentalen Urlaub quasi. Ohne Packchaos und lange Wartezeiten am Flughafen bin ich mit einem Klick, einem vertrauten Ton oder Geräusch zurück in den Fantasiewelten meiner Kindheit. Entspannung pur.
Mit meiner Vorliebe bin ich nicht allein. Tausende, wenn nicht Millionen, von Erwachsenen in Deutschland begeben sich regelmäßig in den Audio-Kindheitsurlaub. Die Dunkelziffer ist groß, denn so recht zugeben will doch noch nicht jede:r, das er:sie zielgruppenferne Rezeption betreibt – also Medien konsumiert, die eigentlich für eine andere Ziel- und vor allem Altersgruppe vorgesehen sind. Dabei ist dieses Phänomen insbesondere im Hörspielbereich in den vergangenen zehn Jahren durchaus salonfähig geworden. Fans treffen sich in Online-Foren wie dem Hörspiel Paradies, in den Kommentarsektionen von Hörspielpodcasts wie Bibi Blocksberg und die Generation Kassettenkinder oder bei Veranstaltungen wie den Live-Hörspielen der Drei Fragezeichen und zelebrieren die Held:innen ihrer Kindheit. Als besonders kinderhörspielaffin gilt die sogenannte Generation Kassettenkinder (daher der Name des offiziellen Bibi Blocksberg-Podcasts). Personen also, die ihre Kindheit in den 1980er Jahren und somit in der Zeit des Kassetten- und Hörspielbooms verbracht haben. Aber auch deutlich jüngere Menschen gehören zu den Audio-Kindheitsurlauber:innnen.
Nostalgie spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Wer die vertraute Stimmen der Kindheit hört, fühlt sich direkt wieder in eine Zeit versetzt, in der meist alles noch ein bisschen leichter war und es anstatt der Steuererklärung auch mal hausaufgabenfrei gab. Kinderhörspiele haben aber auch durch ihre meist einfache, leicht veraltete Sprache sowie die überwiegend simple Handlung mit garantiert gutem Ende auf viele eine beruhigende und tröstende Wirkung. In Welten, in denen Justus, Peter und Bob jeden Fall lösen und die kleine Hexe Bibi die gemeine Mathelehrerin einfach lieb hext, fühlen sich Hörer:innen auch im erwachsenen Alter noch sicher. Für rund 45 Minuten entfliehen sie ihren alltäglichen Sorgen und Pflichten und begeben sich über ihre Ohren auf einen mentalen Kurzurlaub.
Wer kein Kassettenkind früherer oder späterer Generation ist, mag sich wundern. Ist es nicht albern, als Erwachsener Geschichten für Kinder zu hören? Und kann so eine Art von mentalem Urlaub überhaupt wirklich funktionieren? Das Schöne hierbei: Es ist nie zu spät, es zu probieren und dank Plattformen wie Streaming-Diensten und YouTube sogar fast kostenlos. Manch einer hat vielleicht auch noch eine alte Kassette oder CD im Schrank. So oder so – einen Versuch ist es wert. Also Kopfhörer aufgesetzt und los geht die Reise … hex-hex.