Der eigentlich transportable Geist
Wie Ilse Blumenthal-Weiss im Jahr 1922 Rainer Maria Rilke dazu brachte über „das Schicksal des Juden“ zu schreiben
Von Christine Frank
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseMit „J wie Judenbub“ griff Ulrich Baer 2006 in seinem Rilke-Alphabet eine abschätzige Formulierung aus Rainer Maria Rilkes Briefwechsel mit der Fürstin Marie von Thurn und Taxis auf; sie galt dessen Prager Schriftstellerkollegen Franz Werfel und wird hier als Ausspruch der böhmischen Baronin Sidonie Nádherná von Borutín zitiert. Diese war nicht nur eine Freundin Rilkes, sondern auch die langjährige Geliebte von Karl Kraus. Dass es nicht zu einer Heirat kam, mag dem Hinweis auf den „unaustilgbaren Unterschied“ – sprich Kraus’ jüdische Herkunft – zwischen den beiden geschuldet sein, den Rilke vorsorglich in einem Brief an die Baronin platzierte. Die Fürstin von Thurn und Taxis jedenfalls, „[hieß] den üblichen gesellschaftlichen Antisemitismus der Aristokratie gut […], und [auch] andere Briefempfänger [Rilkes] hatten gegen gelegentliche antisemitisch gewürzte Sticheleien vonseiten Rilkes nichts einzuwenden“, so Ilse Blumenthal-Weiss in ihrem Essay Rainer Maria Rilke und das Judentum. Man muss sich diese Atmosphäre nicht nur in Österreich-Ungarn vor dem Ersten Weltkrieg immer wieder vergegenwärtigen, wenn man sich mit Rilkes Haltung zum Judentum auseinandersetzen will. Hätte die Aristokratie oder hätten die das geistige Leben in Deutschland repräsentierenden Autoren wie Rilke den geläufigen Antisemitismus nicht einfach mitgetragen, sondern sich ihm entgegengestellt, hätte die daraus erwachsene historische Katastrophe vielleicht nie stattgefunden.
Dass Rilke sich auf sehr unterschiedliche Weise über jüdische Menschen und über die jüdische Religion geäußert hat – antisemitisch und philosemitisch, wie es Baer in seinem Rilke-Alphabet differenziert herausgearbeitet hat –, ist seit langem bekannt und in der Rilke-Forschung auch hinlänglich diskutiert worden, zuletzt im Rahmen einer Tagung 2022, deren Beiträge erst in diesem Herbst (2024) in den Blättern der Rilke-Gesellschaft erschienen sind. Die Diskussion wurde in den letzten Jahrzehnten jedoch weitgehend von einem Fachpublikum geführt. Von den Rilke-VerehrerInnen unter seinen LeserInnen ist dieser Zug Rilkes vermutlich eher weniger wahrgenommen worden – es sei denn, sie sind jüdisch. Nun ist eine schöne Leseausgabe erschienen, die erstmals den vollständigen Briefwechsel präsentiert, den Ilse Blumenthal-Weiss mit Rilke in dessen letzten Lebensjahren führte und in deren Zentrum Äußerungen zum Judentum stehen. „Nirgendwo“, das bestätigen die Herausgeber der Autorin auch aus der heutigen weiteren Übersicht über das Gesamtwerk Rilkes, hat „sich Rilke so ausführlich zum Judentum [geäußert] wie in den an sie gerichteten Briefen.“ Die von Torsten Hofmann, dem Präsidenten der Internationalen Rilke-Gesellschaft, und Anna-Dorothea Ludewig vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien gemeinsam erarbeitete Ausgabe präsentiert den Briefwechsel in Verbindung mit Texten beider Autoren zum Judentum, darunter Rilkes Stellungnahme zu einer „Rundfrage“, die Julius Moses 1906 an fünfzig deutschsprachige Autoren gerichtet und deren Antworten er im Jahr darauf unter dem Titel Die Lösung der Judenfrage publiziert hatte (alle hier publizierten Texte Rilkes sind bisher schon mehrfach veröffentlicht worden). Vor allem aber präsentiert die Ausgabe erstmals vollständig auch die Briefe von Ilse Blumenthal-Weiss, auf die Rilke antwortet, und sie enthält fünf Essays, die diese dreißig Jahre nach ihrem Briefwechsel mit Rilke verfasst hat. Zwischen den Briefen und den Essays liegen der Tod des Dichters, Aufstieg und Niedergang des „Dritten Reichs“, Enteignung und Exil, der Zweite Weltkrieg, Internierung im Konzentrationslager, die Ermordung von Ilse Blumenthal-Weiss’ Sohn und Ehemann, die Emigration in die USA – und dort ein Neuanfang der Autorin, für den die Auseinandersetzung mit Rilke der wohl entscheidende geistige Orientierungspunkt wurde. Ilse Blumenthal-Weiss’ Briefwechsel mit Rilke ist nicht ein weiterer Briefwechsel des berühmten Dichters mit einer interessanten Verehrerin. Er ist vor allem ein bedeutendes Zeitzeugnis, ein Dokument der ebenso ernsthaften wie um eine gerechte Einschätzung bemühten Auseinandersetzung einer klugen Frau mit Positionen zum Judentum vor und nach der Katastrophe, in die ‚der übliche gesellschaftliche Antisemitismus‘ geführt hatte. So sehr der Band Zeugnis von Rilkes Haltung ablegt, so deutlich gewinnt dabei die Persönlichkeit von Ilse Blumenthal-Weiss Kontur, die den Briefwechsel initiiert und geschickt gelenkt, und sich als Überlebende der Shoah um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Rilke bemüht hat – als paradigmatischem Fall eines Vertreters der deutschsprachigen Hochkultur, der der sich anbahnenden historischen Katastrophe nicht entgegentreten mochte.
So ganz unbekannt ist der Briefwechsel freilich nicht. Schon zwei Jahre nach Rilkes Tod meldete sich eine junge Dichterin in der Zeitschrift Die Horen zu Wort: „Ein feiner Essai Ilse Blumenthal-Weiß’ ‚Briefe mit R. M. Rilke‘“ gehört zu den erwähnenswerten Titeln, die der Rezensent dieser Nummer in der Wiener Zeitung vom 8. August 1928 eigens hervorhebt. Blumenthal-Weiss teilt hier erstmals Auszüge aus den Briefen mit, die sie zwischen 1921 und 1926 mit ihm gewechselt hatte; leider ist dieser frühe Bericht – der einzige noch vor der Katastrophe abgefasste Text von Blumenthal-Weiss über Rilke – nicht in die Briefausgabe übernommen worden. Im selben Jahr übermittelt sie eine vollständige Abschrift der Briefe Rilkes an das Rilke-Familienarchiv. Vier von sieben Briefen aus diesem Konvolut erscheinen 1935 in dem von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber im Insel Verlag herausgegebenen Band Briefe aus Muzot (die Briefe vom 28.12.1921, 29.12.1921, 25.01.1922 und 25.04.1922). In der später vom Weimarer Rilke-Archiv erstmals 1950 herausgegebenen und vielfach wieder aufgelegten zweibändigen Briefausgabe wird, wie Ulrich Baer bemerkt hat, Ilse Blumenthal-Weiss als einzige Briefempfängerin im Register als „Jüdin“ gekennzeichnet – seit 1950 wiederum eine Geste, die hingenommen wird und unwidersprochen bleibt.
Es gibt ein Vergleichskorpus. Ein anderer junger Dichter, Franz Xaver Kappus aus Timișoara (Temeswar), hatte sich 1903 brieflich an Rilke gewandt und bis 1908 11 Briefe von ihm erhalten. Vier der später unter dem Titel Briefe an einen jungen Dichter bekannt gewordenen Briefe wurden ebenfalls zunächst in einer Vorauswahl im Jahr nach seinem Tod publiziert; 1929 gelangten dann zehn Briefe als Abschrift in den Besitz der Rilke-Erben und erschienen noch im selben Jahr als Band Nr. 406 der Insel-Bücherei. Es ist das bis heute meistgelesene und meistübersetzte Buch Rilkes. Auch von diesem Briefwechsel liegt erst seit 2019 eine von Erich Unglaub im Wallstein Verlag herausgegebene vollständige, auch die Briefe von Franz Xaver Kappus einschließende Ausgabe vor. In dem einen wie dem anderen Fall sind die Originalbriefe wie die Abschriften heute unauffindbar. Der eine Briefwechsel wurde zu einem in aller Welt bekannten Buch, der andere blieb eine Begebenheit am Rande eines großen dichterischen und epistolarischen Werks, eine denkwürdige Begebenheit allerdings, in deren Zentrum eine Frage von weltgeschichtlicher Bedeutung steht. Während Kappus als Kadett der Militärakademie Wiener Neustadt, die auch Rilke kurzzeitig besucht hatte, bei dem großen Vorbild als ‚junger Dichter‘ Rat suchte, wandte sich die ebenfalls junge Dichterin Ilse Blumenthal-Weiss als Leserin an Rilke, und brachte, wie sie immer wieder betonte, als verheiratete „Frau und Mutter“ ihre Verehrung für ihn zum Ausdruck; sie war damals 21, kaum älter als Kappus. Dieser war nach seiner Militärkarriere vor allem journalistisch tätig, wurde später Verfasser unzähliger populärer Liebes- und Kriegsabenteuerromane, übersiedelte 1925 von Temeswar nach Berlin und starb 1966 in Ostberlin. Die gebürtige Berlinerin Blumenthal-Weiss, die schon in ihrer frühen Jugend Gedichte geschrieben hatte, publizierte ihren ersten Gedichtband Gesicht und Maske 1929, im selben Jahr, in dem die Briefe an einen jungen Dichter erschienen. Als „die ernste Ilse Weiss, an die Rilke seine Briefe über das Judenproblem schrieb, und die nun selbst zu einer jüdischen Dichterin starken Wollens und Könnens herangereift ist“ wurde sie von Kurth Pinthus präsentiert, der 1936 in der Central-Verein-Zeitung. Allgemeine Zeitung des Judentums zeitgenössische jüdische Lyrik vorstellte und auch ein Gedicht von ihr abdruckte. Die junge jüdische Dichterin konnte noch bis 1938 gelegentlich publizieren. 1937 zwangen sie die Verhältnisse in Nazideutschland jedoch bereits zur Flucht in die Niederlande, wo sie 1943 zusammen mit ihrer Familie im Durchgangslager Westerbork interniert wurde, bevor im Herbst 1944 die Deportation nach Theresienstadt erfolgte. Ilse Blumenthal-Weiss’ Sohn war schon 1941 von den Nazis nach Mauthausen verschleppt und ermordet worden; ihr Mann wurde noch 1944 in Auschwitz getötet. Nach der Befreiung gelangte Ilse Blumenthal-Weiss zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tochter Mirjam 1947 in die USA, wo sie 1987 verstarb. Nach der Shoah widmete sich Blumenthal-Weiss der Aufarbeitung dessen, was geschehen war, in zweifacher Weise: Als Dichterin und Zeitzeugin in eigenen Gedichten, die in drei Bänden auf Deutsch in der Schweiz und in Deutschland erschienen: Das Schlüsselwunder (1954); Mahnmal. Gedichte aus dem KZ (1956; eine ausführliche positive Besprechung findet sich in der Wiener Zeitung Neue Welt vom September 1957), sowie Ohnesarg. Gedichte und ein dokumentarischer Bericht (1984). Eine andere Art der Aufarbeitung vollzog sie im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung mit der Haltung Rilkes zum Judentum in mehreren Essays und Vorträgen, die sie an amerikanischen Universitäten, aber auch in Deutschland hielt. In diesen Arbeiten greift sie nicht nur auf die Dokumente aus ihrem eigenen Briefwechsel mit Rilke zurück, sondern auch auf umfangreiche Studien zu Rilke, die sie mit einem Harvard-Stipendium zu Beginn der 1950er Jahre durchführen konnte; einige der damals entstandenen Texte kommen in dem hier besprochenen Band zum Wiederabdruck. Ihren ersten öffentlichen Vortrag hält Ilse Blumenthal-Weiss vier Jahre nach ihrer Ankunft in den USA bei einer anlässlich des 25. Todestages von Rilke vom 13.–15. April 1951 an der Bradley University in Peoria (Illinois) veranstalteten Rilke-Tagung, „an der sich zahlreiche amerikanische Rilke-Forscher und Germanisten beteiligten“, wie der Wiener Kurier vom 30. Mai 1951 berichtete:
Den Höhepunkt der Rilke-Tagung in Peoria bildete der Vortrag der Dichterin Ilse Blumenthal-Weiß, die ihren brieflichen Gedankenaustausch mit Rilke darstellte. An sie schrieb Rilke auch jenen berühmt gewordenen Brief über die jüdische und über jede Religion, der sein Gesinnungsbekenntnis zu den Idealen der Humanität zum Ausdruck bringt. Französische, italienische und russische Rilke-Forscher beschäftigten sich mit den Beziehungen Rilkes zu ihren Heimatländern und gaben dadurch ein anschauliches Bild von den internationalen Interessen des Dichters, dessen lyrische Werke, ebenso wie die Hofmannsthals und Stefan Georges, im amerikanischen Sprachraum immer mehr an Boden gewinnen.
An dieser Meldung erscheint einiges auffällig, nicht nur wie mit Rilke zusammen auch gleich die beiden anderen Hauptvertreter der deutschen Lyrik der Moderne international aufgewertet werden (mittels einer Metapher mit militärischem Subtext). Die ‚Dichterin‘ Ilse Blumenthal-Weiss (die bis dahin nur einen Gedichtband publiziert hatte, und dies vor dem Krieg) ist die einzige Teilnehmerin an der wissenschaftlichen Tagung, die in der Zeitungsmeldung namentlich erwähnt wird. Ihr Vortrag wird zudem als „Höhepunkt“ hervorgehoben, mit dem Vortrag aber auch gerade jener Brief vom 25. April 1922, in dem Rilke sich von Blumenthal-Weiss inspiriert fühlt über „das Schicksal des Juden“ zu reflektieren. Der pointierten Einschätzung, dass Rilke in diesem Brief „über die jüdische und über jede Religion […] sein Gesinnungsbekenntnis zu den Idealen der Humanität zum Ausdruck bringt“, mag man heute nicht mehr zustimmen. Sie bezeichnet eher ein auf den hochgeschätzten Dichter appliziertes zeittypisches Wunschdenken, als sie dem im Brief tatsächlich Geäußerten entspricht.
Es lohnt sich, Rilkes Brief mit der vorliegenden Ausgabe erstmals in dem Kontext zu lesen, der seine Stellungnahme ursprünglich provoziert hat. Es lohnt sich den Briefwechsel von Ilse Blumenthal-Weiss her zu lesen, die den Dichter Rilke durch ihre so ostentativ keine Antwort fordernden Briefe zum Schreiben verführen konnte – und die ihm in einem historischen Moment Äußerungen zum „Schicksal des Juden“ entlockte, über die man immer noch ins Grübeln gerät. Und es lohnt sich die Briefe nicht als Zeugnisse einer jungen Frau aus der bürgerlichen Mittelschicht zu lesen, die ihrer ‚Bestimmung‘ als Ehefrau und Mutter entsprochen hatte, und die nun ihre gesellschaftliche und intellektuelle Langeweile mit Briefen an einen berühmten Dichter zu bewältigen suchte, sondern den Briefen abzulesen, wie diese junge Frau – die mit 20 geheiratet hatte und die zu diesem Zeitpunkt bereits als an der Charité ausgebildete Orthopädin ein eigenes ‚orthopädisches Institut‘ gegründet hatte – in ihren an Rilke als moralische Instanz in Deutschland gerichteten Briefen eine Möglichkeit suchte, sich mit den politischen Ereignissen ihrer Zeit auseinanderzusetzen, und das heißt mit der sich akut zuspitzenden ökonomischen Krise und dem parallel dazu gewaltsam eskalierenden Antisemitismus – eine dringend notwendige Auseinandersetzung, die sie auch – diskret, aber explizit genug – dem berühmten, um seine Einsamkeit bemühten Dichter nahelegte.
Wie sie dies tut, wird besonders deutlich in dem Brief, den Ilse Blumenthal-Weiss am 20. März 1922 an Rilke schrieb und auf den hin dieser dann „jenen berühmt gewordenen Brief über die jüdische [Frage]“ verfasste. In seiner Antwort gibt Rilke an, „eine doppelte Veranlassung“ zur Abfassung des Briefes zu haben: Dank der „Zukehr freundlichen Gedenkens“ und des „Osterfest[s]“ (obwohl dieses bereits mehr als eine Woche zurückliegt) – im vorliegenden Kontext der infrage stehenden antisemitischen Vorfälle keine unbeträchtlich kleine Interpolation. Man muss genauer lesen als Rilke, um darüber zu stolpern, dass die Briefschreiberin diesmal nicht von ihrer privaten Adresse her schreibt, sondern dieses eine Mal in der gesamten Korrespondenz aus „Berlin, 20. März 1922“, zu einer „Stunde“, die sie in besondere Traurigkeit versetzt hat. Und man sollte nicht überlesen, dass der Brief auf völlig unübliche Weise mit der in Klammern gesetzten Frage beginnt: „([H]aben Sie Freunde in Berlin?)“. Es ist nicht leicht, die richtige Akzentuierung dieser Frage auszumachen (vielleicht so: „[H]aben Sie Freunde in Berlin?)“. Unschwer lässt sich im Verlauf dieses Briefwechsels erkennen, welches Gewicht für Ilse Blumenthal-Weiss auf der zunehmend lebenswichtigen Unterscheidung zwischen Freunden und Fremden liegt. Es ist ein Leitmotiv ihres Briefwechsels mit Rilke („wie sehr Ihre Bücher meine Freunde sind“ wird zu seiner Begründung), das auch in diesem Schreiben gleich zu Beginn wieder aufgegriffen wird, hier allerdings in einem rhetorischen Hin-und-Her zwischen Andeutungen der Not, die sie mitteilen will, und die sie doch Rilke nicht mitteilen kann, denn „mein Gott, wie könn[te Rilke] Teilnahme für Fremde haben, wo selbst Berufenere und Berufenste kalt und zerstörend bleiben.“ Ilse Blumenthal-Weiss muss in diesem Moment schreiben, „wohl in der Hauptsache, um [s]ich in irgendeiner Weise zu befreien, um diesem drückenden Alpdruck, der auf [ihr] lastet, andere, möglichst gegensätzliche Gedanken zu geben.“ In welchem Verhältnis steht dieses Müssen zu dem Bejahen des Schreiben-Müssens, das Rilke dem jungen Dichter Franz Xaver Kappus abverlangt hatte? Blumenthal-Weiss schreibt: „Ihr Leben bis hinein in seine gleichgültigste und geringste Stunde muß ein Zeichen und Zeugnis werden diesem Drange“. Wovon sie hier spricht und es dennoch nicht ausspricht – und auch der Kommentar zur Briefausgabe bleibt hier unbestimmt – sind antisemitisch motivierte Ausschreitungen, die ausgehend von einem Demonstrationszug der sogenannten Fahnengruppe des Verbandes nationalgesinnter Soldaten wenige Tage zuvor am Kurfürstendamm stattgefunden und überregionale Aufmerksamkeit gefunden hatte. In ihrem Bericht vom 16. März 1922 zitiert Die Neue Freie Presse in Wien die dadurch ausgelöste Anfrage der kommunistischen Fraktion im preußischen Landtag: „Am Sonntag den 12. März hat in Berlin ein Zug antisemitischer, mit Hakenkreuzen geschmückter Radaujünglinge Passanten, die sie für Juden hielten, tätlich angegriffen. Auch mehren sich die Fälle von Roheitsakten infolge antisemitischer Propaganda. Was gedenkt das Staats-Ministerium zu tun, um solcher antisemitischer Propaganda entgegenzutreten und Ausschreitungen dieser Art vorzubeugen?“ Und wie gedachte die intellektuelle Öffentlichkeit in Deutschland Ausschreitungen dieser Art zu begegnen?
Ihr Entsetzen über die Vorfälle vermag Ilse Blumenthal-Weiss kaum in Worte zu fassen, formuliert aber dennoch im Brief an Rilke die verzweifelte Frage: „Ist es möglich, dass ein Demonstrationszug durch die belebten Straßen ziehen kann, unablässig rufend: ‚[S]chlagt die Juden tot, nieder mit den Juden‘?“ Doch zunächst werden die expliziten Hinweise auf „so allerlei Judenfeindliches“, dem sie in Berlin begegnet, von Bemerkungen über ihr Mutterglück kaschiert, von denen ausgehend Ilse Blumenthal-Weiss die Aufmerksamkeit ihres Briefpartners wie zufällig auf Richard Beer-Hofmanns Gedicht Schlaflied für Mirjam lenkt. Das 1897 anlässlich der Geburt seiner Tochter verfasste Gedicht gilt als Wendepunkt im Werk des Autors, der angesichts der Neugeborenen der historischen Schrecken und akuten Bedrohungen des jüdischen Volkes geradezu schockhaft inne geworden war. Der Wiener Psychoanalytiker Theodor Reik hatte bereits 1919 formuliert: „Dieses Gedicht, herrlich wie nur eines, das die deutsche Sprache kennt, es wecket die tiefste Erschütterung und die stillste Nachdenklichkeit.“ In geschickter rhetorischer Inszenierung stellt Blumenthal-Weiss das „wehmütige Lied“ in einen Kontext mit jenen Ereignissen in Berlin vom März 1922, die sie „in der Nacht mehrfach erwach[en]“ lassen – und stellt zugleich eine Verbindung her zu Rilkes eigenen Gedichten. Wollte sie, indem sie das Schlaflied für Mirjam in unmittelbaren Zusammenhang mit den judenfeindlichen Vorgängen der jüngsten Zeit in Berlin bringt, den Dichter zu einem vergleichbar bedeutenden Werk inspirieren, das eine Botschaft in alle Welt tragen könnte wie Beer-Hofmanns Gedicht, das Dieter Borchmeyer „das seinerzeit berühmteste Gedicht der Jahrhundertwende“ genannt hat? Blumenthal-Weiss’ Brief ist so voller konkreter Aussagen zur Zeit (unter anderem auch zu den Pogromen in Russland, dessen sakrale Überhöhung in den Augen Rilkes ihr bekannt war) und zugleich voller rhetorischer Wendungen („[I]ch glaube kaum, dass Sie Verständnis haben für unser Judenleid. Oder sollte es auch Andersgläubige geben, die nicht nur Achtung, sondern auch Liebe für dieses ursprüngliche Volk haben?“), dass Rilke kaum widerstehen konnte, darauf nicht einzugehen. Freudig nimmt er die Gelegenheit wahr, an seine frühere ästhetische Begeisterung über Beer-Hofmanns Gedicht zu erinnern, die er, wie er stolz berichtet, seinerzeit mehrfach auch anderen mitteilen konnte. Obwohl er im Anschluss daran auf die von Blumenthal-Weiss aus gegebenem blutigen Anlass angestoßene ‚Judenfrage‘ zu sprechen kommt, sieht er offenbar keinen konkreten Zusammenhang zwischen dem Schlaflied für Mirjam und der akuten Gefährdung jüdischer Existenz in Europa. Stattdessen formuliert er seine grundsätzliche Einschätzung des jüdischen Menschen und des jüdischen Glaubens voller antisemitischer Stereotypen („Schädling“; „Eindringling“; „Auflöser“) und voller Ressentiments:
Die Mobilität und Versetzbarkeit des inneren Zentrums, seine Unabhängigkeit (aber zugleich Wurzellosigkeit, wenn nicht die Besinnung bis zur Wurzel in Gott hinunterführt) – der eigentlich transportable [Hervorhebungen im Original] Geist ist durch das Schicksal des Juden in die Welt gekommen: eine unerhörte Gefahr und eine unerhörte Freiheit der Bewegung.
Zitiert Rilke hier unabsichtlich und in entstellter Form Heines berühmtes Diktum von der Thora als portativem Vaterland? Ulrich Baer hat nicht nur die tiefe Ambivalenz, die Rilkes Verhältnis zu Jüdischem kennzeichnete, herausgearbeitet, sondern auch aufgezeigt, wie Rilke die ‚Figur‘ des Juden als Modell für die künstlerische Existenz entwickelt, um die mit dieser Figur Bezeichneten dann hinter sich zu lassen; wie seine Äußerungen auf das exklusive Ziel gerichtet blieben, eine Position für das eigene künstlerische Schaffen zu finden – und den Menschen, den ‚der Jude‘ auch darstellt, darüber aus den Augen verlor (als „Empathielosigkeit“, „Marginalisierung“ oder „Ausblendung“ der realen Bedrohung beschreiben dies die Herausgeber der Briefausgabe):
Der Jude ist für Rilke Figur der Möglichkeit des authentischen Lebens, was für ihn das Dichterische und Kreative schlechthin mit einschließt. […] Alles Schaffen vollzieht sich aufgrund der Begegnung mit etwas Realem als äußerem „Vorwand“, den wir vergessen, sobald wir uns selbst im Schaffen verändert haben. Hat man erkannt, dass die Juden für Rilke eine Figur sind, wird ein weiteres Grundprinzip von Rilkes Poetik deutlich. Durch Rilkes Dichtung zieht sich nicht nur Indifferenz, sondern sogar eine tiefe Verachtung für die Dinge, von denen er spricht. Deren poetische „Überhöhung“ ist nur ein „Vorwand“, der der eigenen Veränderung dient. Ebendies ist auch die Rolle des Juden in Rilkes Denken.
Auch Ilse Blumenthal-Weiss’ aufrührender Brief wird Rilke zu so einem „Vorwand“. Der Wiederabdruck der Briefe Rilkes an diese Briefpartnerin wie auch der Wiederabdruck seiner Antwort auf die Umfrage zur Judenfrage von 1906 bringen an sich keine neuen Einsichten; ihr Wortlaut ist längstens bekannt. Wohl aber erscheinen die Briefe, liest man sie als Reaktionen auf die subtile Führung durch die im tiefsten Menschlichen betroffene und zurecht beunruhigte Briefschreiberin, „in fahlerem Gewitterlicht“, etwa wenn Rilke deren existentielle Erschütterung über „de[n] allgemeine[n] Vorwurf gegen meine Nation“ – gemeint ist der explizite, öffentlich laut werdende Vernichtungsaufruf – mit der Floskel verabschiedet: „Ihre Briefe erfreuen mich stets.“
Ilse Blumenthal-Weiss’ Reaktion lässt auf sich warten. Mehr als einen Monat später antwortet sie entschieden: „Um alles gleich zusammenzufassen: nein, tausendmal nein, der Antisemitismus ist nie – niemals [Hervorhebungen im Original] berechtigt.“ Und sie betont „dass keiner, wer es auch sei, je ein Recht hat uns zu verachten, zu züchtigen und als letzten Ausweg gar – zu töten.“ Rilke erwidert darauf nichts. Sechs Briefe und fast 20 Monate später, am 20. Dezember 1923, schreibt er erstmals wieder an Blumenthal-Weiss, um sich für deren Zusendung von Martin Bubers Legenden des Baalschem zu bedanken, eine Gabe, über die er sich tief berührt und aufrichtig erfreut zeigt. Zwischen diesem und seinem letzten voraufgegangenen Brief an Blumenthal-Weiss liegen die Hyperinflation des Jahres 1923, das Pogrom vom 5. November im Berliner Scheunenviertel und der Hitlerputsch in München zwei Tage später. Rilke bedankt sich bei Ilse Blumenthal-Weiss mit den Duineser Elegien und den Sonetten an Orpheus und begleitet seine Sendung mit den Worten:
Sie lassen mich ja erkennen, dass das Zudrängen einer im Praktischen und Tätigen so schwierigen Zeit, Ihnen gleichwohl die geistige Verfassung nicht verstöre, ja, dass Sie, unterstützt von gleichfühlenden Freunden, fähig bleiben, sich im inneren Leben zu bestärken; so möge dieser Beitrag Ihnen die eine oder andere Stunde stillerer Einkehr beschäftigen und erfüllen dürfen.
Mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsfest markiert Rilke abschließend, was die beiden Briefpartner voneinander trennt und was sie verbinden sollte. Ob Ilse Blumenthal-Weiss den Dichter Rilke wahrhaft zu ihren „gleichfühlenden Freunden“ zählen durfte, wie er es hier insinuiert, bleibt fraglich. Sie mag es so gesehen haben, fragt sie doch in ihrem Brief vom 5. Januar 1924 bei Rilke an, ob sie den Brief, in dem er „Stellung zur Judenfrage“ genommen und „in den Bestrebungen des Zionismus die wahrscheinlich gebotene Lösung“ gesehen habe, der „Jüdischen Rundschau“ zur Veröffentlichung geben dürfe: „Ihre Äußerungen dürften von allgemeinem Interesse und in einer Zeit furchtbarster Verhetzungen durch die verständnisvolle Sachlichkeit gar manchem eine stille Freude sein.“ Es waren bereits härtere Zeiten gekommen, die Ilse Blumenthal-Weiss wohl zu dieser Einschätzung gebracht hatten, der Kritiker wie Egon Schwarz nach der Shoah dann heftig widersprochen haben.
War die jüdische Frage Ilse Blumenthal-Weiss’ ausschließliche Motivation sich Rilke in Briefen zuzuwenden? In ihrem Nachwort betonen die Herausgeber mehrfach, dass der Briefwechsel mit Rilke die wichtige Funktion hatte, sie, die seit ihrer frühen Jugend geschrieben hatte, nach der Eheschließung und Familiengründung zum Schreiben zurückzubringen; sie habe sich mit den Briefen regelrecht „in die geistige Produktivität zurückgeschrieben“. Wenn sie in ihren Briefen an Rilke konsequent betont, wie sehr sie sich mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter identifiziert, will sie offensichtlich verhindern, dass ihr Briefwechsel Züge eines schwärmerischen oder gar Liebesdiskurses annimmt. Andererseits verbirgt sie ihre eigenen dichterischen Arbeiten vor dem Dichter nicht. Im Gegensatz zu dem jungen Dichter Kappus sucht Blumenthal-Weiss bei Rilke keinen Rat im Ästhetischen; vielmehr sind die Gedichte nicht anders als die Briefe Ausdruck ihrer Persönlichkeit und richten sich an den Dichter selbst. So fügt sie ihrem dritten und ihrem vierten Brief an Rilke, beide vom Dezember 1921, jeweils ein Gedicht an; auf das zweite geht Rilke dann auch in seinem Antwortschreiben vom 29. Dezember 1921 ganz kurz ein: „[M]it Rührung lese ich die kleine Variation, wie mit einem Finger auf dem Instrument meiner Worte gespielt, in einer eigentümlich zarten Stille. Dank.“ Ein Schreiben vom 24. Januar 1922 setzt mit einem Gedicht von Ilse Blumenthal-Weiss ein, das sie selbst als „Photographie“ bezeichnet und das eine Art Selbstbeschreibung entwirft. Und statt eines Briefes sendet sie am 4. März 1922 ein den Dichter persönlich ansprechendes Gedicht an Rilke. Und auch am 21. April 1924 drückt sich Blumenthal-Weiss, eingepackt in eine vorsichtige Entschuldigung, lieber mittels eines Gedichts aus als im Brief, wobei sie das Gedicht bewusst im Voraus zu versachlichen sucht und jeder ästhetischen Diskussion vorbeugt, wenn sie formuliert:
Erlauben Sie mir, Ihnen etwas aus meiner momentanen Beschäftigung Entstandenes beizulegen. Es macht absolut keinen Anspruch auf besondere künstlerische Qualitäten, sondern entstand in mir als einziger Ausweg, als einzige Antwort auf die Dinge der Umwelt.
Die innere Notwendigkeit des ‚Schreibenmüssens‘, die er dem jungen Dichter Kappus gegenüber als conditio sine qua non der Dichtung so emphatisch betont hatte, wird von Rilke hier zwar erkannt, aber ganz auf das Persönliche eingeschränkt:
Die Rhythmen, die Sie aus so großem Gefühl, nach ruhiger Abwartung, dass es sich klären möge, niedergeschrieben, haben alles Recht vor Ihrem eigenen Gewissen und sind eine jener schönen Konstatierungen, die dem Herzen helfen zu erkennen, wo es angelangt ist.
Am 22. März 1926 sendet Blumenthal-Weiss dann noch zwanzig Gedichte an Rilke – als „das Einzige, das Mögliche von mir zu ihnen. / Es entstand an manchen Tagen, da eine große Stille mich antrieb wie ein Befehl.“ Der bereits todkranke Empfänger kann darauf nicht mehr antworten.
Es bleibt zu wünschen, dass auch die vor und nach der Shoah entstandenen Gedichte der Autorin, die ebenso wie ihre Briefe zweifellos ein wichtiges Zeitdokument darstellen, wieder aufgelegt werden. Das Nachwort lässt ahnen, was für ein Schatz hier neu zu entdecken wäre. Leider ist Ilse Blumenthal-Weiss’ Gesamtwerk, das bisher nur im Rahmen der, wie die Herausgeber der Briefausgabe notieren, schwer zugänglichen amerikanischen Dissertation von Beatrix M. Pollack in fünf Bänden ediert wurde (erschienen in Ann Arbor 2002), gegenwärtig immer noch kaum bekannt. Einen bemerkenswerten Einblick aber bietet schon jetzt die vorliegende Briefausgabe, als deren einziger Mangel erscheint, dass der Band auf dem Titel nicht Ilse Blumenthal-Weiss an erster Stelle nennt. Nur so wäre sie angemessen gewürdigt als mutige Autorin einer Konfrontation Rainer Maria Rilkes mit dem „Schicksal des Juden“ vor und nach der Shoah.
Die eigentliche Leistung dieser Ausgabe liegt nämlich nicht in dem so ungemein bedachtsam wie unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Bemühen der beiden Herausgeber, Rilkes Äußerungen über das Judentum nicht als antisemitisch einstufen zu müssen. Sie liegt in der Dokumentation der Zeitzeugnisse von Ilse Blumenthal-Weiss, die sich auf paradigmatische Weise mit dem, was ihr und nicht nur ihr vonseiten der Antisemiten geschah, auseinanderzusetzen suchte, indem sie sich einer führenden geistigen Instanzen ihrer Zeit in maximaler Offenheit zuwandte. Die Ausgabe belegt das Versagen dieser Instanz ebenso wie – paradoxerweise – das Vermögen der Autorin, sich gerade in der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen der Worte Rilkes und der Kultur, die er repräsentiert, eine Haltung zu erarbeiten, die ihr letztlich auch das geistige Überleben in widriger Zeit sicherte. Diesen Prozess kann man in den nach Rilkes Brief vom 25. April 1922 von Ilse Blumenthal-Weiss verfassten Texten Schritt für Schritt mitverfolgen. Nach der Shoah – nachdem Ilse Blumenthal-Weiss zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tochter das Konzentrationslager überlebt hatte, während Mann und Sohn Opfer der Nationalsozialsten wurden – kommt Blumenthal-Weiss’ geistige Haltung in den auf intensiven Studien und sorgsamer Abwägung ihrer Argumentation beruhenden und vor allem in den 1950er Jahren vorgetragenen Texten über Rilke und über die ihr zum Anstoß gewordene „unbewältigte Vergangenheit“ zum Ausdruck – wobei sie in keinem ihrer Texte je erwähnt, in welchem Ausmaß sie selbst den Vernichtungspraktiken der Antisemiten ausgesetzt gewesen war.
Abschließend noch eine Bemerkung zu dem für den Titel des Bandes gewählten trotzigen Ausspruch „Und dennoch“. Ilse Blumenthal-Weiss zitiert mit diesem Wort in ihrem Essay über „Rainer Maria Rilke und das Judentum“ das gleichnamige Gedicht von Karl Wolfskehl und stellt eine direkte Verbindung her zwischen dem aus jüdischer Perspektive gesprochenen Refrain „Und dennoch sind wir da“ und Rilkes Forderung „mit dennoch preisendem Laut“ auf die Verluste zu reagieren (aus den Sonetten an Orpheus). Das umfangreiche Nachwort, in dem die Herausgeber teilweise der Argumentation von Blumenthal-Weiss folgen, versucht zuletzt Rilkes „Nahdistanz“ zum Judentum darzulegen. So könnte man den Eindruck gewinnen, Rilke habe sich zwar judenfeindlich geäußert und gelegentlich die zeittypischen „Antisemiteleien“ reproduziert, wie Blumenthal-Weiss sie nennt; „und dennoch“ sei er ein großartiger Dichter. Rilke, so viel wird deutlich, ist ein herausragender Dichter gerade dieser Zeit. Und Ilse Blumenthal-Weiss ist sein nicht unbeträchtliches Gegenüber.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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