„Bonaparte gab uns ein Beispiel, wie wir zu siegen haben“

Der antipolnische, antisemitische und antiwestliche nationalsozialistische Film „Heimkehr“ (1941)

Von Rolf FüllmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Füllmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor der Digitalisierung und vor den Zeiten des Internets war der Film für das Alltagspublikum ein flüchtiges Medium. Er lief vor den Augen der Betrachtenden ab und war dann schnell eine mit Imaginationen und Assoziationen besetzte unklare Erinnerung. Sie zu korrigieren, war nicht immer einfach. Der Film ruhte in einer Blechbüchse im Archiv; es bedurfte einigen technischen Aufwands den Streifen aus Zelluloid wiederzubeleben. Das galt vor allem auch jenseits der Technik und ihrer Tücken, wenn der Film, wie manche Produkte des Dritten Reichs, nach dem Krieg gleichsam verboten war. Das kam – unbeabsichtigt – einigen Schauspielkarrieren durchaus zugute, vermied manche politische Blamage. Nur wer sich nachhaltig exponiert hatte, wie Veit Harlan als der Regisseur des berüchtigten antisemitischen Films Jud Süß, der wie Bill Niven nachgewiesen hat, im Nahen Osten noch eine Nachkriegskarriere erlebte, musste sogar im Adenauerdeutschland mit Protesten rechnen. Ansonsten gab es Familienerinnerungen an innerlich aufwühlende Filmerlebnisse aus der Schulzeit. Titel wurden vergessen und es blieb doch die Erinnerung an den sonst so liebe- und rücksichtsvollen Verlobten, der um 1945 einen nach Jahrzehnten unter dem falschen Titel Heimat im Bewusstsein verhafteten Streifen grob als ‚Nazi-Schund‘ klassifizierte. Dies geschah, als ihm seine spätere Ehefrau in den vierziger Jahren von ihrer traumatischen Filmrezeption erzählte. So lautet jedenfalls eine Familienanekdote von den mittlerweile verstorbenen Eltern des Verfassers, Jahrgang 1923 und 1927. Was genau war da nun unvergessen geblieben, auch durch unruhige Nächte der späteren Mutter des Autors dieser Zeilen, verursacht durch ein hochemotionales Machwerk von 1941?

Es handelt sich bei Heimkehr (so der korrekte Titel) um ein affektsteuerndes Großdrama, das im Dritten Reich als ‚jugendwert‘ eingestuft wurde, und doch auch heute noch durch extreme Brutalitäten wohl erst ab 16 Jahren freigegeben worden wäre. Polnische Kinder steinigen etwa – begleitet von Klängen der Hymne ihres Landes – zum dramatischen Höhepunkt hin eine deutsche Wirtsfrau, was antisemitisch-biblische Anklänge enthält. Jener nationalsozialistische Wiener Propagandafilm Heimkehr (1941) von Gustav Ucicky ist mithin ein berüchtigtes Beispiel für die filmische Verbreitung rassistischer und nationalsozialistischer Ideologeme im Dritten Reich. Im Nachhall ist der Film so prägend, dass er eine wesentliche Anregung für die parodistisch-kritische ‚Posse mit Gesang‘ Burgtheater der österreichischen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek war, die, 1985 in Bonn uraufgeführt, als Skandalstück erst in unseren Tagen – angekündigt für Mai 2025 – den Weg auf die besagte Wiener Bühne findet.

Der Film Heimkehr weist im Vergleich zu anderen Produkten der NS-Filmindustrie einige Besonderheiten auf, die durch grundlegende Studien und Aufsätze von Erwin Leiser, Hans Schmid, Éric Dufour, Johannes von Moltke, vor allem aber durch die ausführliche Quellenarbeit von Gerald Trimmel in den letzten Jahrzehnten eruiert wurden. Er ist beispielsweise der einzige Streifen mit dem Ehrentitel ‚Film der Nation‘, der in der seinerzeitigen Gegenwart angesiedelt ist. Heimkehr ist situiert im damaligen Ostpolen in und um die heute ukrainische Provinzstadt Luzk im Jahre 1939, also am Rande der „Bloodlands“ des brutal-totalitären 20. Jahrhunderts mit seinen Abermillionen Todesopfern. Dies ist ein Begriff, den der amerikanische Historiker Timothy Snyder prägte. Der ‚NS-Film der Nation‘ Ohm Krüger (Regie: Hans Steinhoff, 1941) spielt im Gegensatz dazu in Südafrika um 1900 und kritisiert den britischen Kolonialismus, der dem Fridericus-Mythos verpflichtete Historienfilm Der große König mit Otto Gebühr von Veit Harlan (1942) spielt in Preußen 1759/63, der antiwilhelminische Film Die Entlassung von Wolfgang Liebeneiner (1942) ist im Kaiserreich um 1890 lokalisiert.  Kolberg von Veit Harlan (1945) ist wiederum in Hinterpommern im Jahr 1807 verortet, wo besagte ostelbische Stadt die westeuropäischen Befreiungsarmeen Napoleons abwehrt, die im Rheinland und in Polen durchaus wohlgelitten waren. Die Gegenwärtigkeit von Heimkehr widerspricht dem Konzept der ‚unsichtbaren Propaganda‘, welches eigentlich ein Prinzip des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels war. Hier geht es nicht um Geschichtsparabeln von großen Herrschern, das stabile Feindbild des ,Ewigen Juden‘ schon im schwäbischen Barock-Feudalismus oder französische und englische Erbfeinde im 19. Jahrhundert. Hier wird vielmehr an entscheidender Stelle sogar das Hakenkreuz gezeigt, was eigentlich im NS-Unterhaltungsfilm unüblich war.  Zudem ist der einzige österreichische bzw. nach der seinerzeitigen Diktion ‚ostmärkische‘ nationalsozialistische ‚Film der Nation‘ ein Produkt der Wiener Hochkultur, die sich nach dem Anschluss 1938 an die neuen Herrscher in Berlin nachdrücklich heranmachte. Der Regisseur Gustav Ucicky (1899-1961) gilt als unehelicher Sohn des Malerfürsten der Wiener Moderne, Gustav Klimt, und einer tschechischen Hausangestellten. Sein bewährter Drehbuchautor, der Schlesier Gerhard Menzel (1894-1966), war wie Bertolt Brecht, Anna Seghers, Robert Musil, Else Lasker-Schüler, Arnold Zweig oder Carl Zuckmayer Empfänger des renommierten Kleist-Preises. Musikalisch spielten die Wiener Philharmoniker auf, die auch Aufführungen von Heimkehr mit Beethoven akustisch verzierten. Die Hauptdarsteller gehörten zur Wiener Theater-Elite. Da wären Peter Petersen, das NSDAP-Mitglied Attila Hörbiger und allen voran dessen Gattin Paula Wessely, die für den Film mit 150.000 RM den Gegenwert einer Villa als Gage erhielt und die ihre Mitwirkung nach 1945 als Selbstverrat an ihrer katholischen wie österreichischen Identität empfand. Ähnlich wie bei der bis weit in die DDR-Zeit hineinreichenden mitteldeutschen Bach-Pflege der nationalsozialistischen Brüder Mauersberger kann man hier als zeittypisches Phänomen die Wiener Variante einer Kultur ohne Menschlichkeit ausmachen. Die sehr hohen Produktionskosten von 3.513.767,55 RM belegen, dass es sich nicht nur – wie später von Wiener Filmschaffenden gerne verbreitet wurde – um einen ‚Alibifilm‘ handeln konnte. Das Einspielergebnis von ca. 4,6 Mio. RM war zufriedenstellend, aber nicht überragend. Sichtbare Propaganda ist weniger anschlussfähig und konsumierbar als historisierend-symbolistisch verdeckte.

Der Film, produziert vor allem in den österreichischen Rosenhügel-Studios, wo ansonsten eher walzerselige ‚Wiener G’schichten‘ (1940) mit Hans Moser abgedreht wurden, dient als ein Mittel zur politischen Manipulation und Verhetzung, insbesondere durch die Darstellung von antipolnischen und antislawischen Ressentiments. Die Verstrickungen von bekannten ‚reichsdeutschen‘ Schauspieler*innen wie der Berlinerin Berta Drews, der Gattin des Intendanten Heinrich und der Mutter von Götz George, und des späteren Berliner Staatsschauspielers Carl Raddatz sowie die Rolle der zuvor arisierten Firma Wien-Film in der Propaganda unterstreichen die instrumentalisierte Rolle der Filmbranche im Dritten Reich. Doch zeigen sich in der Gesamtkonstellation auch Kontraste zur Selbstkritik der gegenüber jüdischen Freunden durchaus solidarischen Paula Wessely: Berta Drews verlacht in Heimkehr, grotesk als ‚Bäuerin‘ verkleidet, 1941 (!) einen Juden, der Hitlers Antisemitismus beklagt und der von dem um sein Leben spielenden jüdischen Schauspieler Eugen Preiß (1873-1961) dargestellt wird. Drews wiederum äußerst sich in ihrer Autobiographie Wohin des Wegs von 1986 immer noch affirmativ zu ihrer Mitwirkung an diesem Filmprojekt. Ihr sind von der Filmarbeit nicht todgeweihte jüdische Statisten, sondern ein „bezauberndes Bild“ (Drews 1986: 199) des Drehorts und „schallendes Gelächter“ (Drews 1986: 197) unter Kolleginnen in Erinnerung geblieben. 

Ob es sich bei Heimkehr um ein großes Kunstwerk handelt, wie die NS-Propaganda betonte, sei dahingestellt. Die handwerkliche Qualität des Films ergibt sich jedoch aus der Professionalität aller Beteiligten. Bei diesem Film ist auch jenseits der mehrsprachigen Worte bis in die Details von Kostümen, Kulissen und Begleitmusik nichts dem Zufall überlassen. Diese Komplexität, durch mehrere Überarbeitungen des Konzepts gesteigert, führt notwendigerweise dazu, dass manche Aspekte und Symbolsysteme des hier präsentierten breiten Gesellschaftsbilds selbst versierten Betrachter*innen beim ersten Zuschauen nicht bewusst werden. Hier wirkt sich wiederum die Flüchtigkeit des Filmgenres aus.

Einem Kleist-Preisträger gemäß, zeichnet sich Heimkehr durch eine klare geradezu neoaristotelische Dramenstruktur aus. In einer Exposition werden zunächst einmal die Hauptfiguren aus der (im Film) sprachlich wie kulturell integrationsunwilligen deutschen Minderheit vorgestellt und der Grundkonflikt zwischen dem erst seit 1918 wiedergegründeten polnischen Staat und den meist im 19. Jahrhundert in den damaligen Westen des russischen Zarenreichs eingewanderten Wolhyniendeutschen aufgezeigt. Dabei bleiben die damals schon existente ukrainische Mehrheitsbevölkerung in der heutigen Westukraine und auch das evangelisch-freikirchliche Bekenntnis der deutschen Minderheit in der Gegend um Luzk im Film unerwähnt.

Zunächst hat im Verlauf des Filmdramas der aus Hamburg stammende Burgschauspieler Peter Petersen als Dr. Martin Thomas, ein Arzt, der Menschen und Vögel rettet, seinen Auftritt. Er operiert im Billardsaal findig dem Wirten des „Deutschen Hauses“ den Blinddarm heraus, nicht ahnend, dass dieser dereinst sein Schwiegersohn werden wird. Der Arzt spricht im Film mit deutlichem norddeutschen Einschlag, nennt seine Tochter Maria Thomas, das „Fräulein Doktor“, sogar einmal „Deern“ (Ucicky 1941: 26:13). Die Deern wiederum spricht wienerisch. Sie wird verkörpert durch die Burgschauspielerin Paula Wessely (1907-2000). Es scheint, als solle sich das ‚Deutschtum‘ in Gänze und Breite kontrafaktisch in den Wolhyniendeutschen widerspiegeln. Maria, die Lehrerin und Wortführerin dieses Deutschtums, ist die Zentralfigur des Dramas. Sie muss zunächst beim polnischen Bürgermeister, dargestellt von Gottlieb Sambor oder Bogusław Samborski, einem polnischen Schauspieler, der um das Leben seiner jüdischen Frau spielt, gegen die Schließung der deutschen Schule protestieren, die mit einer Bücherverbrennung einhergeht. Wie schon Erwin Leiser herausstellte, erlauben sich die Polen in Heimkehr leitmotivisch, was auch die Nazis als ihr selbstverständliches Recht ansahen: Neben Bücherverbrennungen etwa die gewalttätige Diskriminierung von Minderheiten, extreme Territorialforderungen gegenüber Nachbarländern (etwa als Plakat-Propaganda; vgl. Ucicky 1941: 45:55), das Verbot des Abhörens von Feindsendern und genozidale Massenerschießungen von Frauen und Kindern. Eines der späteren Todesopfer des polnischen Nationalismus ist Dr. Fritz Mutius, dargestellt von Carl Raddatz (1912-2004; Bundesverdienstkreuz 1. Klasse). Fritz ist der Verlobte der Maria, mit der er als eine Art Verbindungsmann zum deutschen Reich auch politische Strategiediskussionen führt. In der Exposition des Dramas deutet sich zwischen den akademisch gleichrangigen wie national gesinnten Brautleuten eine zeitgemäße Kameradschaftsehe an.  Doch in der Handlungssteigerung nimmt das von einer deutschen Hebamme, einer Kassandra mit Kopftuch, anfangs dramentypisch antizipierte (vgl. Ucicky 1941: 4:37) dunkle deutsche Schicksal im Lichtspielhaus von Luzk seinen Lauf. Die drei deutschen Doktoren wollen sich beim Woiwoden, dem Gouverneur der Provinz, über die Schließung der deutschen Schule beschweren, werden von dessen Sekretär arrogant abgewiesen und trennen sich dann. Die Brautleute, die ganz gerne allein sein wollen, entschließen sich ins Kino zu gehen, der alte Doktor fährt zurück ins Dorf. Viel Zeit wird ihnen nicht mehr bleiben, auch für einen Abstecher ins Hotel nicht, der recht frech von ihrem Kutscher, dem deutschen Bauern Baltasar Manz, angedeutet wird (vgl. Ucicky 1941: 28:07). Als Marie und Fritz – vorbei an polnischen Militärs, orthodoxen Juden und windschiefen Holzhäusern – durch die Wiener Kulissen der polnischen Provinzstadt spazieren, begegnet ihnen in Karl Michalek (Hermann Erhard), ein Deutscher in polnischer Uniform, mit polnischem Allerweltsnamen und guten Polnischkenntnissen (vgl. Ucicky 1941: 57:50). Er repräsentiert die verbreitete ‚Eindeutschung‘ in Osteuropa. Die übrigen Deutschen bedienen sich, auch gegenüber Repräsentanten des polnischen Staates, konsequent nach zwanzig Jahren polnischer Staatsangehörigkeit ihrer Herrensprache. Gegen den Willen von Fritz Mutius geht Michalek mit ins Kino, wo der impulsive einfache Mann mit polnischen Zuschauern in einen ausnahmsweise auf Polnisch ausgetragenen Streit gerät, der handgreiflich wird, als die Deutschen während der Wochenschau bei der polnischen Hymne schweigen. Dr.  Mutius, dessen Nachname auf Lateinisch „Schweiger“ bedeutet, wird im Kinosaal ob seines Schweigens von einem gut gekleideten polnischen Mob mit Todesfolge zusammengeschlagen. Sowohl der elegante Kinodirektor als auch die herbeigerufene polnische Polizei verweigern den Deutschen (auf Deutsch) Bahre und Krankentransport. Maria kniet vor dem Kinoeingang wie eine Pieta mit dem blutenden Märtyrer Mutius auf ihren Knien, der ihr „unter den Händen weg“ (Ucicky 1941: 36:50) stirbt. Sie wird unbefleckt bleiben. Im weiteren Verlauf der Handlungssteigerung wird dem schwer verletzten Mutius dann auch die Aufnahme in ein dem jesuitisch-polnischen Heiligen Stanislaus Kostka geweihten Hospital verweigert. Dies erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung des vorbeikommenden Sekretärs des Woiwoden, der sich – ganz im Sinne des Nationalsozialismus – auf den gesetzgebenden „Willen des Volkes“ (Ucicky 1941: 41:23) beruft, das vor der Klinik tobt. Da hilft auch Marias expliziter Appell an die christliche Nächsten- und Feindesliebe nichts: „Denken Sie an Gott, in dessen Barmherzigkeit Namen dieses Haus hier gebaut wurde!“ (Ucicky 1941: 39:51). Kurz darauf stirbt der deutsche Fritz den Märtyrertod, weil er eine revolutionäre Hymne von 1797 nicht singen wollte, die gerade aufgrund der Tatsache, dass in ihr auch der Fortschrittsmann Napoléon Bonaparte verehrt wird, während der Revolution von 1848 durchaus gerne auch von Deutschen gesungen wurde. Im Text von Mazurek Dąbrowskiego, komponiert kurz nach der Aufteilung Polens unter die reaktionären Mächte Preußen, Österreich und Russland 1795, heißt es: „Bonaparte gab uns ein Beispiel, wie wir zu siegen haben.“ Nach dem Tod des Verlobten der Maria, mit dem ungewöhnlicherweise eine Haupt- und Identifikationsfigur mitten in der Handlung entfällt, steuert das Drama seinem Höhepunkt entgegen.  Der deutsche Arzt und Vater der Marie wird von polnischen Jungen aus dem Hinterhalt wehrwolfartig blind geschossen, das ‚deutsche Haus‘ der nunmehr vollends unbehausten Deutschen wird enteignet, Martha, die Gattin eines Wirtes (Ruth Hellberg), wird von polnischen Kindern wie der Heilige Stephanus gesteinigt, nachdem ihr ein hemdloser ‚slawischer Untermensch‘, der eben keine Krawatte mit eingesteckter Perle mehr trägt wie zuvor der Kinodirektor und der Sekretär des Woiwoden, triumphierend ein Hakenkreuzamulett vom Hals gerissen hat. Die Maske der christlich-abendländischen Zivilisation à la polonaise ist an dieser Stelle endlich gefallen, ein glatzköpfiges Monster lacht blutrünstig in Nahaufnahme. In vorherigen Drehbuchversionen war, von Gerald Trimmel minutiös dokumentiert, das antislawistische wie antisemitische Element noch stärker vertreten – es wird im filmischen Endprodukt durch antiwestlich-zivilisationskritische Propaganda in der Tradition Heinrich von Kleists (Die HermannschlachtKatechismus der DeutschenGermania an ihre Kinder) wesentlich ergänzt. Die deutsche Community wird nach der gleichsam rituellen Steinigung der Martha kollektiv verhaftet, weil sie beim Radiohören einer Hitler-Rede vom polnischen Militär ertappt wurde, und in das Stadtgefängnis verbracht, das schon zuvor im Hintergrund der Kulissenstadt ab und an finster und feindselig dräute. In der fallenden Handlung des Leidensdramas hält Maria voller Schmerzen und assistiert von ihrem Vater als blindem Seher dann eine sinnstiftende nationalistische Rede vor der versammelten Menschenmenge der scheinbar todgeweihten Kerkerinsassen. Zuvor hatte der verwitwete Gastwirt – für evangelikale Russlanddeutsche eigentlich ungewöhnlich – Gott verächtlich gemacht (vgl. Ucicky 1941: 1:00:55). In jener Rede (vgl. Ucicky 1941: 1:02:04 ff.), die für den Reichspropagandaminister Goebbels zum Besten gehörte, was je im deutschen Film dargeboten wurde, entfaltet die NS-Lehrerin eine Art todesverliebten Blut-und-Boden-Vitalismus, sanft von der Melodie des Deutschlandlieds untermalt. Es ist eine Form deutscher Nationalreligion in Abwehr alles Polnischen und Jüdischen. Dass dabei sogar die Verwesung in deutscher Heimaterde nach dem Motto „Denn wir leben nicht nur ein deutsches Leben, wir sterben auch einen deutschen Tod“ (Ucicky 1941: 1:07:48) ins Weltbild des Deutschtums beinbezogen wird, erinnert an Theoreme des nationalkonservativen französischen Autors Maurice Barrès (1862-1923), der etwa in Das Blut, die Wollust und der Tod (dt. 1907) auch die verwesten Toten in seine kulturphilosophischen Theoreme inkorporierte. Nach der Kerkerszene erfolgt endlich die dramentypische Lösung des Konflikts. Faktenwidrig erobern deutsche Panzer 1939 Ostpolen, nachdem zuvor schon Stukas am Himmel erschienen waren. In ersten Drehbuchversionen sollten es gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt noch korrekterweise Sowjets sein. Die geflohenen polnischen Soldaten können die gefangenen Deutschen nicht mehr erschießen. Nach einiger Zeit erfolgt dann die Heimkehr der vielköpfigen und fruchtbaren deutschen Familien ins Reich, an dessen Grenze sie „Adolf, der Erlöser“ auf einem Plakat riesengroß empfängt (Ucicky 1941: 1:36:48). Auch dies ist faktenwidrig, weil die Wolhyniendeutschen (wie etwa auch die Deutschbalten) in der zeitgeschichtlichen Realität im besetzten polnischen Warthegau angesiedelt wurden. Die nationalsozialistische Intellektuelle Maria findet sich als Immaculata und fürsorgliche Stiefmutter zu guter Letzt bescheiden in einer Pflichtehe mit dem ehemaligen Gastwirt Launhardt wieder, dessen Darsteller, Attila Hörbiger, ja realiter der Ehemann von Paula Wessely war.

Tödliche Übergriffe auf Deutsche in anderen Regionen Polens sind indes historisch verbürgt, etwa der „Bromberger Blutsonntag“ nach dem Überfall auf Polen 1939. Das Gesamtkonzept des Films ist jedoch nur im Zusammenhang des nationalsozialistischen Polenbildes verständlich. Das wird schon daran deutlich, dass in Meyers Lexikon von 1940 nicht vom tausendjährigen zentraleuropäischen Staat Polen, sondern allein vom „polnischen Raum“ (o. V. 1940: 1307-1326) die Rede ist. Wie in der Filmhandlung wird auch in besagtem Lexikonartikel dem Nachbarland die Existenzberechtigung abgesprochen:

Polen hat Jahrhunderte hindurch seine kulturellen und wissenschaftlichen Aufbaukräfte dem deutschen Nachbarn entlehnt. Mehrere Wellen einer deutschen Einwanderung, durch polnische Lockungen und Werbungen veranlaßt, schufen das Städtewesen. […] Deutsche schufen die Grundlagen des Handwerks, des Gewerbes, des Bergbaus, der Industrie, aber auch vielfach die Grundlagen der polnischen Wissenschaft und Kultur. Erst als die deutschen Kulturbringer und -träger auch im polnischen Volk eine Kulturschicht geschaffen hatten, machten sich bei dieser, in Anlehnung an politische Bestrebungen, westlerische, besonders französische Einflüsse, geltend. (o. V. 1940: 1318)

Hier vermischen sich im Feindbild des Nachbarn antiwestliche wie antislawistische Impulse, verknüpft mit Narrativen deutscher Ostkolonisation. Polen erscheint als Profiteur deutscher Einwanderung seit den Mongolenstürmen des Mittelalters, die als Volksverrat dann sogar zum polnischen Nationalismus des ursprünglich deutschen und dann polonisierten Stadtbürgertums geführt haben soll. Dazu fügt sich, dass der polnische Politiker mit dem germanischen Allerweltsnamen Beck, flämischer und teilweise protestantischer Abstammung, mit einem Vater in österreichischen Diensten sowie überdies zeitweise Student in Wien, im Film systematisch als Feindbild des polnischen Nationalismus aufgebaut wird. Zeitungsjungen verkünden in Luzk gleich zu Anfang stolz die diplomatischen Aktivitäten des Obersts in London (vgl. Ucicky 1941: 23:15). Dieser erscheint – dargestellt von einem polnischen Schauspieler – in repräsentablen Amtsräumen später höchstpersönlich im Film, um rhetorisch geschickt und auf Deutsch polnische Gräueltaten an Wolhyniendeutschen gegenüber dem deutschen Botschafter zu leugnen. Dass in diesem Kontext nach Beginn des Krieges der britische Union Jack als Nationalflagge an Häusern der ostpolnischen Studiostadt erkennbar ist (vgl. Ucicky 1941: 1:21.51), fügt sich in die Drohkulisse, die deutsche Einkreisungsängste vor den Verbündeten in West und Ost wecken soll. Dass Radio Warschau den französischen Marsch Sambre et Meuse aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 spielt (vgl. Ucicky 1941: 46:18), der französische Revolutionstruppen verherrlicht, die im heutigen Belgien 1794 die Österreicher besiegten, ist gleichfalls kein Zufall. Die französisch-polnische Alliance geht realiter über den Sturm auf die Bastille 1789 hinweg: Der polnische Ex-König Stanislaus I. Leszczyński (1677-1766) war der Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. und langjähriger wie verdienstvoller Herzog von Lothringen, in Warschau steht heute ein Napoléondenkmal und in der Zwischenkriegszeit war ein wichtiger Platz nach ihm benannt, der polnische Nationalkomponist Chopin wirkte lange in Paris und verstarb dort hochgeehrt 1849. Jedes Detail fügt sich kontextuell in das Symbolsystem des Films. Für französische Parfüms wird gleich beim ersten Blick auf die polnische Stadt geworben, neben einem Plakat zur Einberufung junger polnischer Männer (vgl. Ucicky 1941: 22:46). Im Kino erscheinen polnische Damen in aktueller Pariser Mode mit eleganten Hüten und geblümten Kleidern. Den sämtlich schwarzhaarigen und so nach einer perfiden Technik des ‚Othering‘ auch jüdisch lesbaren Platzanweiserinnen kann man unter ihre kurzen Röcke schauen (vgl. Ucicky 1941: 36:40). Auch Marie Thomas, die mit den Worten „Wir kaufen nicht bei Juden!“ (Ucicky 1941: 12:15) den Kauf Pariser Spitzenstoffe bei einem jüdisch markierten Händler verweigert, inszeniert sich zeitweise modisch. Sie trägt bei ihrem Besuch in Luszk als Garçonne der Zwischenkriegszeit eine Krawatte als Männlichkeitssymbol, wie auch Polinnen im Kino. Dies passt zur ihrer gleichrangig-kameradschaftlichen Beziehung zum ebenfalls Krawatte tragenden Dr. Mutius.  Bei den Handgreiflichkeiten mit dem Mob wird sie allerdings auch kleidungsmäßig arg gerupft. Die Modernität der städtischen Frauenkleidung steht im Gegensatz zu den nach den Regeln der Heimatkunstbewegung ,bäuerlich‘ drapierten deutschen Landfrauen. Ein Vertreter dieser Kunstströmung, Otto Engelhardt-Kyffhäuser, begleitete die Dreharbeiten wie auch reale Umsiedlungsaktionen, dem Konzept des Gesamtkunstwerks folgend, zeichnerisch. Dass der Kinodirektor im englischen Cut-Anzug den Deutschen vor einer Plakette der jüdisch-amerikanischen Filmgesellschaft „Metro-Goldwyn-Mayer“ jede Hilfe verweigert (vgl. Ucicky 1941: 37:10), nachdem drinnen eine Fox-Wochenschau neben Warschauer Militärparaden Misswahlen in Florida präsentierte, fügt sich ins antiwestliche Feind- und Gesamtbild. Für kurze Augenblicke ist sogar auf einem großen Plakat über dem Kinoeingang der antifaschistische Komiker und Hitler-Parodist Charlie Chaplin, nicht als Tramp, sondern grauhaarig und gleichsam in Zivil, wahrzunehmen (vgl. Ucicky 1941: 25:31).

Das intermedial-modische Symbolsystem eines entwurzelten Kosmopolitismus konterkarieren Anklänge an die antike Mythologie: Zur Filmkulisse des polnischen Gouverneurspalastes, vor dem – von den Deutschen verächtlich kommentiert – das polnische Militär paradiert, gehören Atlanten (vgl. Ucicky 1941: 25:15). Diese niedergedrückten Stützfiguren, die als Atlas im antiken Mythos die ganze Erde tragen, erscheinen hier als Symbole staatlicher Repression. Der nach einem Attentat einer polnischen Jugendbande erblindete Dorfarzt Thomas mutiert indes zu einem Tiresias des 20. Jahrhunderts.  Er verkündet pathetische Visionen von der Überwindung des Egoismus (vgl. Ucicky 1941: 1:19:52) durch den Nationalsozialismus sowie vom deutschen Vaterland im Sinne von Ernst Moritz Arndts Gedichten und der Heimkehr. Der Mann mit den heilenden Händen erinnert am Dramenende an eine homerische Gestalt, einen blinden Seher und Wahrsager.

Trotz aller Anklänge an christliche Heiligenlegenden und an die Geschichte der Mutter Maria ist die Einstellung der Filmnarration im Endeffekt durchaus denunziatorisch gegenüber christlich-katholischen Wertsystemen: Der Sekretär des Woiwoden verweigert vor einem großen Kruzifix stehend dem deutschen Märtyrer Mutius die Aufnahme in das polnische Hospital (vgl. Ucicky 1941: 40:44) – da helfen auch die Barmherzigkeitsapelle Mariens nichts. Letzten Endes steht im ideologischen Symbolsystem der Dramenhandlung das unechte Christenkreuz gegen das erdverbundene Hakenkreuz, das alleine die Überwindung des Egoismus im Schutze einer todesbereiten wie gebärfreudigen Volksgemeinschaft, gegründet auf Blut und Boden, verheißen kann. Die seinerzeitige Feststellung einer Zeitung aus dem (verbündeten) Japan, der Film Heimkehr erfasse „das Wesen des Nationalsozialismus“ (Trimmel 1998: 70), trifft wohl in fataler Weise die zeitgeschichtliche Wahrheit. Gerade deshalb ist das Filmdrama von 1941 sehenswert und bietet in einer postmigrantischen Gesellschaft mit starker Zuwanderung aus dem östlichen Europa, etwa aus Polen und der Ukraine, einen Anlass zu aufschlussreichen Diskussionen. Das bezieht sich auch auf gegenwärtige Kriege und vermeintliche Lösungsansätze einer bisweilen Putin-affinen deutschen Politik, die mit ihren Plänen zur Aufteilung souveräner Staaten eine Kontinuität kolonialistischer Überlegenheitsfantasien gegenüber Ostmitteleuropa verrät.

Auswahlbibliografie

Barrès, Maurice:  Du sang, de la volupté et de la mort. Un amateúr d’âmes. Voyage en Espagne, Voyage en Italie, etc., Paris 1894 (dt.: Vom Blute, von der Wollust und vom Tode, Berlin 1907).

Beyer, Friedemann/Grob, Norbert (Hg.): Stilepochen des Films: Der NS-Film. Ditzingen 2018.

Brecht, Christoph/Steiner, Ines/Loacker, Armin (Hg.): Professionalist und Propagandist: Der Kameramann und Regisseur Gustav Ucicky, Wien 2014.

Davies, Franziska: „Der ‚vergessene Osten‘. Der deutsche Vernichtungskrieg gegen Polen und die Sowjetunion und die blinden Flecken der deutschen Erinnerung“, in: Jürgen Zimmerer (Hg.): Erinnerungskämpfe. Neues deutsches Geschichtsbewusstsein, Stuttgart 2023, S. 175-200.

Drews, Berta: Wohin des Wegs, München 1986.

Dufour, Éric: „Une analyse de Heimkehr (G. Ucicky, 1941)“, in: ILCEA 23 (2/2015), o. S.

Jelinek, Elfriede: „Burgtheater“, in: Elfriede Jelinek (Hg.): Theaterstücke, Reinbek bei Hamburg 2024, S. 129-189.

Leiser, Erwin: „Deutschland, erwache!“. Propaganda im Film des Dritten Reiches, Hamburg 1968.

Moltke, Johannes von: „Projektionen der Gewalt: Heimkehr (Gustav Ucicky, 1941)“, in: WerkstattGeschichte 46 (2007), S. 74-86.

Niven, Bill: Jud Süß. Das lange Leben eines Propagandafilms, Halle (Saale) 2022.

o. V.: „Polnischer Raum“, in: Bibliographisches Institut (Hg.): Meyers Lexikon 8, Leipzig 1940, S. 1307-1326.

Schmid, Hans: „Schwierige Heimkehr. Wohin soll er führen, der ewige Germanenzug? (Das Dritte Reich im Selbstversuch, Teil 12/II)“, in: Telepolis (2012), o. S.

Snyder, Timothy: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, München 2011.

Tikhomirova, Anastasia: „Antislawismus“, in: Sebastian Pertsch (Hg.): Vielfalt. Das andere Wörterbuch. 100 Wörter. 100 Menschen. 100 Beiträge, Mannheim 2023, S. 38-39.

Trimmel, Gerald: Heimkehr. Strategien eines nationalsozialistischen Films, Wien 1998.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Gunnar Bolsinger / Michael Neubauer / Karl Prümm / Peter Riedel (Hg.): Der Kameramann Walter Lassally. Marburger Kameragespräche Band 7.
Schüren Verlag, Marburg 2007.
208 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783894724108

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Norbert Grob / Friedemann Beyer: Der NS-Film.
Reclam Verlag, Stuttgart 2018.
455 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783150195314

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