Grantige Erdskrate, feurige Glutpixies und eine Auserwählte
Vergnügliches Hexen-Chaos um eine alte Prophezeiung: Caroline Brinkmann lässt in „Chaos Witches” magielose Hexen gegen Alchemisten kämpfen
Von Hannelore Piehler
Bereits der erste Satz macht Laune: „Heute Morgen hatte Tante Corentine mal wieder die lästige Idee, mich umzubringen“, lautet das lakonische Statement von Protagonistin Adeline gleich zu Beginn des Bandes – und damit ist der Ton der Erzählung gesetzt. Pointiert und immer mit einem Augenzwinkern gestaltet sich das neue Jugendbuch von Caroline Brinkmann um zwei ungleiche junge Hexen, die sich nicht nur mit einer uralten Prophezeiung herumschlagen müssen, sondern auch im Zentrum einer noch nicht so alten Fehde mit dem Chef-Clan der Alchemisten stehen.
Wobei beides eng zusammenhängt: Denn als Erzfeinde der Hexen und selbsternannte Beschützer der Menschheit haben die Alchemisten einst die Magie ihrer Kontrahenten durch einen Fluch blockiert – und wachen seither darüber, dass keine Hexe mehr ihre Kräfte frei entfalten kann. Speziell die Alchemisten-Familie Blackheart ist dabei mit dem Lighttower-Hexenzirkel, zu dem Adeline gehört, verfeindet. Tote sind in beiden Familien inbegriffen. Alle Hoffnungen der Hexen ruhen nun auf Adeline, bei deren Geburt sage und schreibe sechs Blitze gleichzeitig ins Krankenhaus eingeschlagen waren – ein für die Hexen eindeutiges Zeichen, dass sie die „Auserwählte“ ist, die den Fluch der Alchemisten brechen und als „Hexenkönigin“ ein neues Zeitalter einläuten wird.
Auf ihre Rolle als Fluchbrecherin und künftige Königin wird Adeline deshalb von klein auf vorbereitet: nicht nur mit Privatunterricht und Kenntnissen aller zentraler Werke (von den „Grundlagen der Elementarmagie” bis „Was aus uns wurde – Wenn Hexen unter Menschen leben”), sondern vor allem in Sachen Selbstbewusstsein und Style („In meinen Träumen sah ich mich oft auf dem Thron sitzen, gehüllt in ein Kleid aus Lapislazuliblau, während meine Sturmkräfte um mich fegten”). Zu dumm also, dass sich von Adelines Kräften als Sturmhexe bislang nicht mal ein kleines Lüftchen zeigen will, was ihre Tante Corentine in der Folge zu diversen Mordversuchen inspiriert. Denn wenn Adeline einmal richtig Panik bekäme und um ihr Leben fürchtete, so müssten ihre Kräfte doch endlich hervorbrechen …
Kontrastiert wird Adelines Geschichte von der des Waisenmädchens Echoline, die von einer Pflegefamilie zur anderen weitergereicht wird, weil regelmäßig in ihrer Nähe Chaos ausbricht und Dinge kaputt gehen. Sie sei, so die einhellige Meinung, einfach zu seltsam. Dabei kann Echo, wie sie sich selbst nennt, doch nichts dafür, dass sie mit Geistern sprechen kann und ihr ein Waschbär, der dann noch zusätzlich für Unfug sorgt, einfach nicht mehr von der Seite weicht. Erst als Echoline zufällig auf den Ort aufmerksam wird, an dem zahlreiche der magielosen Erd-, Wind-, Feuer- und Gifthexen abgeschieden von den Menschen leben, ändert sich für sie und Adeline alles.
Als „royale Hexengeschichte ab 11 Jahren mit Humor und Herzklopfen” beschreibt die Autorin selbst ihr Buch auf ihrer Internetseite. Und die Beschreibung trifft zu. Nicht nur sorgen die Schlagfertigkeit und der ironische Blick der ehrgeizigen Adeline immer wieder für witzige Szenen, sondern auch die skurrilen Erlebnisse der warmherzigen Echo, Chaotin wider Willen, machen die Lektüre kurzweilig. Für das Herzklopfen ist der gutaussehende Tristan Blackheart, Sohn des Erzfeindes der Hexen, zuständig. Doch ist er wirklich in Adeline verknallt oder will er sie nur manipulieren?
Zu den interessantesten Werken von Caroline Brinkmann, die neben ihrem Medizinstudium zu schreiben begann, zählt Die Clans von Tokito, ein in Japan angesiedelter Genremix aus Thriller und Fantasy. Mit der Geschichte von Adeline und Echoline hat sie einen souveränen Young-Adult-Fantasy-Roman vorgelegt, der nur beim etwas abrupten Ende Schwächen zeigt. Denn insgesamt gefällt die Geschichte, die nicht nur voller Fabelwesen – von grantigen „Erdskraten” bis zu unberechenbaren „Glutpixies” – steckt, sondern vor allem durch seinen lockeren, modernen Ton überzeugt. Und nicht zuletzt wichtige Botschaften enthält: Du kannst selbst bestimmen, wer du bist, zum Beispiel. Oder auch: “Prophezeiungen sind fiese, kleine Biester. Sie machen nie das, was man erwartet.”
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