Fingerübung

Thomas Blubachers Krimi „Ausgespielt“ kommt als kleine Lektion in Sachen Mordermittlung daher

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Den Täter eines Mordes zu ermitteln, ist eine der Königsübungen des Kriminalromans. Nicht immer herrscht dabei ein derart optimistischer Ansatz vor wie in den CSI-Serien, in deren Geburtsfolge der schöne Satz fiel – seinerzeit –, dass am Tatort alles vorliege, was es brauche, um einen Täter zu identifizieren. Es ist alles da! Allerdings war das, was da war, auch erst noch aufzufinden.

Hinter diesem Ansatz verbirgt sich die Annahme, dass sich aus der Abfolge von Handlungen im Nachgang eine Kausalität ergebe, die zweifelsfrei zu einem Ursprung, hier dem Täter, zurückzuverfolgen sei. Die Aleatorik der Handlungsabfolge wird so gesehen im Nachhinein kausalistisch überformt. Was in der Durchführung lediglich zeitlich aufeinander folgt, wird für die Ermittlung zum zwangsläufigen Ablauf.

Dem epistemologischen Problem, das daraus folgt, lösen die meisten Krimis schlichtweg, indem sie den Ermittler den Beschuldigten lauter plausibilisierte Unterstellungen vorhalten, die dann lediglich bestätigt oder abgewiesen werden müssen. Ein Dummkopf, der sich darauf einlässt.

Um dennoch zur notwendigen Auflösung zu kommen, folgt schließlich nicht zuletzt ein Geständnis, mit dem alle Unwägbarkeiten aufgelöst werden. Der geständniseifrige Mörder liefert die Beweiskette gleich mit. Wo das fehlt, müssen andere Muster her. Agatha Christie etwa löst die daraus entstehenden Probleme sehr modern in Richtung Narrativ aus. Die Morderzählung muss plausibel sein und alle Akteure einbeziehen, dann „stimmt“ sie.

Thomas Blubacher geht in seinem historischen Kriminalroman Ausgespielt einen durchaus konventionellen Weg, in dem Plausibilität durch das Eingeständnis quasi verifiziert wird. Zuvor jedoch präsentiert er eine bunte und starke Mischung möglicher Motive und damit Täter, die jeweils einzeln der Widerlegung harren, bis dann nur noch eine Möglichkeit übrig bleibt (nein, wird hier nicht verraten, aber ist früh erkennbar für den, der auf die Hinweise achtet). Allerdings braucht es dafür dann ein hinreichendes Motiv, das dann – ein wenig als deus ex machina – auch vorgeführt wird. Das kann man mögen, muss man aber nicht.

Der kleine Roman spielt im Basel der 1930er Jahre. Exil-Deutsche, Reichs-Deutsche und Einheimische bilden eine kaum entwirrbare Melange, vor allem im Filmbusiness, in dem die Handlung angesiedelt ist. Während der Dreharbeiten zu einer der Klamotten, die die Zeitgenossen gern als Kunst apostrophierten, wird der Hauptdarsteller von seinem weiblichen Pendant erstochen – irrtümlich: Angeblich ist ein Messer aus dem Fundus durch ein echtes, geschärftes vertauscht worden. Die Aktrice, die das Messer geführt hat, ist mithin nicht minder Opfer als der Ermordete selbst.

Was die Ermittler, ein schweizerischer Kommissar, sein Neffe und dessen Adlatus, der nun auch noch das Messer aus der Garderobe geholt hat, ziemlich auf Abwege führt. Denn auf der Suche nach einem plausiblen Motiv verfallen sie auf viele verschiedene, nacheinander abgearbeitete Möglichkeiten, die allerdings immer daran scheitern, dass die Rahmenbedingungen das Motiv nicht stützen. Irgendwas passt immer nicht.

Die Ermittlung wird durch zwei Eigenheiten kompliziert gemacht, die zu dem Modernitätsschub der 1920er und noch 1930er Jahre passen: der Neffe des Kommissars ist schwul und der Hauptverdächtige (der Messerholer) ist ein Exildeutscher, der sich kaum irgendwelche Aufmerksamkeit, vor allem solche, erlauben kann, wenn er nicht ins nazistische Reich zurückgeschickt werden will. Und wer wollte das, wer bei halbwegs klarem Verstand ist?

Die Entwicklung der Ermittlung ist einigermaßen unorthodox, vor allem deshalb, weil der ermittelnde Kommissar – der sich gegen seinen Staatsanwalt stellen muss – mit Unterstützung seines Neffen und dessen exildeutschen Freundes, der der Hauptverdächtige des Staatsanwalts ist, ermittelt. Das muss dann am Ende hinhaun, sonst gehen sie alle dabei hops – was nicht passieren kann, immerhin sind wir im fiktionalen Genre, das seine Sympathieträger schont.

Titelbild

Thomas Blubacher: Ausgespielt. Kriminalroman.
Zytglogge Verlag, Oberhofen 2024.
circa 168 Seiten , 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783729651678

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch