Starke Frauen

Regine Ahrem ‚erzählt‘ mit „Leuchtende Jahre“ von den Schriftstellerinnen der Weimarer Republik

Von Werner JungRSS-Newsfeed neuer Artikel von Werner Jung

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zutaten zu diesem Buch von Regine Ahrem, einer erfahrenen Hörspielredakteurin, sind nur wenige und rasch aufgezählt: einige Basisinformationen historischer ebenso wie literar- und kulturgeschichtlicher Art, Kenntnisse der Biographien der behandelten Autorinnen ebenso wie die Lektüre der Hauptwerke und philologisches Rüstzeug. Herausgekommen ist ein Buch, dem es, um es einen Essay zu nennen, an diskursiven Elementen fehlt, weshalb es auch mit dem Titel Sachbuch unzureichend bezeichnet ist. Und das mag die Autorin sicherlich auch dazu gebracht haben, auf einen Paratext im Sinne Gérard Genettes – also eine leserlenkende Markierung der Form – zu verzichten. Dass dennoch Ahrem ein gut lesbares Buch gelungen ist, liegt an ihrer Fähigkeit, dramaturgische Höhepunkte zu setzen und den „Aufbruch der Frauen 1926-1933“ tatsächlich zu ‚erzählen‘. Denn sie orientiert sich an der äußeren Biographie ihrer Frauenfiguren, lässt deren Texte sprechen und hält sich – weitestgehend zumindest – mit Deutungen und Interpretationen zurück. So ‚erzählt‘ sie strikt chronologisch – die Jahre vor 1926, also die Anfangsjahre der Weimarer Republik, werden nur kursorisch gestreift – die sieben Jahre von 1926, oftmals dem Initial für die Schriftstellerinnen- bzw. Autorinnenkarriere, bis zum bitteren Ende und Untergang einer Republik, in denen es ‚starken‘ Frauen möglich wurde, in männliche Domänen (Wissenschaft, Publizistik oder auf dem Literaturmarkt) einzudringen. Literarhistorisch als ‚Neue Sachlichkeit‘ bezeichnet, entwickeln sich alle porträtierten Frauen, Vicki Baum, Marieluise Fleißer, Mascha Kaléko, Irmgard Keun, Erika Mann, Ruth Landshoff und Gabriele Tergit, zu herausragenden literarischen Persönlichkeiten, die auf unterschiedlichen Feldern – von der Publizistik über das Theater bis hin zu erfolgreichen (sogenannten Unterhaltungs-)Schriftstellerinnen – das Gesicht der Zeit bestimmen. Auf besonders gekonnte Weise inszeniert dies Ahrems Buch dadurch, dass die Autorin in jeweils kurzen Kapiteln und alternierend ihre Schriftstellerinnen in ihrer persönlichen wie künstlerisch-literarischen Entwicklung zu Wort kommen lässt: etwa den beständigen und unaufhaltsamen Aufstieg Vicki Baums als dem Gesicht des Ullstein-Verlags und der (gewiss gewollt widersprüchlichen) Figur der ‚Neuen Frau‘ (in diversen Rollen als Boxerin, Autofahrerin oder ökonomisch Selbstständige) mit außergewöhnlichem Gespür für gesellschaftliche, kulturelle und soziale Auf- und Umbrüche; oder etwa Erika Mann und Ruth Landshoff, die beide – auf freilich unterschiedliche Weise, die eine auf dem Hintergrund eines großbürgerlichen Hauses, die andere in einer selbststilisierten Bohème-Existenz – alternative Lebens- und Liebesformen ausprobieren. Dazwischen die z. T. mühseligen Anstrengungen, sich aus provinziellen kleinbürgerlichen Zwängen zu lösen (Fleißer), oder – mit politischer Überzeugung – sich publizistisch durchzusetzen (Tergit) bzw. – ohne sich dabei zu verbiegen – seinem schriftstellerischen Naturell konsequent zu folgen (Keun). Das Ende war absehbar: die Machtergreifung durch die Nazis, die Bücherverbrennungen, Verfolgungen und erzwungenes Exil.

Zu diesem Zeitpunkt (dem Tag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, W. J.) stehen nur Irmgards Romane auf der Liste der verfemten Bücher. Doch in den kommenden Monaten und Jahren sollten auch die Romane von Vicki Baum ebenso wie die Texte von Gabriele Tergit, Marieluise Fleißer, Erika Mann, Ruth Landshoff und Mascha Kaléko aus den Buchläden und aus dem öffentlichen Bewusstsein in Deutschland verschwinden.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Regine Ahrem: Leuchtende Jahre. Aufbruch der Frauen 1926-1933.
ebersbach & simon, Berlin 2025.
336 Seiten, 25 EUR.
ISBN-13: 9783869153100

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